Klausurtagung Forum Menschenrechte
Im Januar fand die alljährliche Klausurtagung des Forum Menschenrechte statt – zum erneuten Mal als online Veranstaltung. Auch wenn ich das gemeinsame Kaffeetrinken in den Pausen (und das gemeinsame Glas Wein am Abend) sehr vermisst habe, so war das Klausurtreffen auch in dieser Form äußerst anregend. Neben den üblichen Vereinsformalia (Berichten und Entlastungen) gab es drei inhaltliche Themenblöcke: „Neuer Bundestag, neue Bundesregierung und Menschenrechte“, „Menschenrechtsarbeit in fragilen Kontexten – Lehren aus Afghanistan“, und „Klimakrise und Menschenrechte – Debatten und Handlungsperspektiven“. Alle drei Blöcke waren hochkarätig besetzt und hervorragend moderiert.
Der erste Themenblock beschäftigte sich zunächst mit den personellen Änderungen in den Ministerien und Ausschüssen und welche Schlussfolgerungen daraus auf die zukünftigen Schwerpunkte abgeleitet werden könnten. In der anschließenden Aussprache ergänzten viele Teilnehmende mit weiteren wichtige Ansprechpartner*innen in Bundestag und Ministerien. Besonders diskutiert wurde die Aufwertung der Menschenrechtsbeauftragten im Außenamt und die Frage, wie die Zusammenarbeit mit der Menschenrechtsbeauftragten und dem Menschenrechtsreferat verbessert werden könne. In einem anschließenden Gespräch stellte die neue Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Renata Alt, MdB (FDP) sich und ihre Themen vor. Als mögliche inhaltliche Schwerpunkte ihrer Tätigkeit nannte sie das Erstarken von autoritären Staaten weltweit und besonders in der EU, die Nachbarstaaten der EU (Belarus, Ukraine) und den Westbalkan sowie die Lage in Afghanistan, im Jemen, Sudan und Burundi. Als weitere Themen, die auf den Ausschuss zukommen würden, nannte sie Menschenrechte im digitalen Raum, Rechte von LGBTQ sowie Medienfreiheit und Debattenkultur in Deutschland. Anschließend diskutierten die Teilnehmenden mit Frau Alt u.a. über die Dominanz außenpolitischer Themen im Ausschuss, und über die Rolle von wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten bei der Arbeit des Ausschusses. Frau Alt erklärte abschließend, dass der Ausschuss – und sie als Vorsitzende – zukünftig stärker selber die Schwerpunkte für den Menschenrechts Ausschuss setzen wollten. An die Diskussion mit Frau Alt schloss sich eine Diskussion mit der neuen MR-Beauftragten Luise Amtsberg (Bündnis 90/Die Grünen) an, in der es stark um die angekündigte Aufwertung ihres Amtes ging und was man sich darunter vorzustellen habe. Aus dem Forum wurde angemerkt, dass eine solche geplante Aufwertung nur mit einer „drastische Personalaufstockung“ zu bewältigen sei. Außerdem wurde an die Wichtigkeit der ressortübergreifenden Behandlung von Menschenrechten erinnert.
Im zweiten inhaltlichen Block sprachen Dr. Alema Alema, PRO ASYL, Sara Fremberg, medica mondiale, Generalleutnant a.D. Rainer Glatz, u.a. Beirat Zivile Krisenprävention) über die Menschenrechtsarbeit in fragilen Kontexten und die Lehren aus Afghanistan. Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in Afghanistan seit dem amerikanischen Truppenabzug im August 2021 berichtete Sara Fremberg über die Arbeit von medica mondiale, bzw. über die Evakuierung ihrer Kolleginnen, die diese Arbeit geleistet haben. Abschließend formulierte sie ihre aktuellen Anliegen an die Bundesregierung: Wiederöffnung der Listen für Evakuierungen, Berücksichtigung von Fraueninteressen bei den Verhandlungen in Doha und ein Bundesaufnahmeprogramm, um Geflüchteten eine sichere Perspektive in Deutschland zu bieten. Dr. Alema, die selber aus Afghanistan flüchten musste, bilanzierte, der Erfolg der Taliban sei nach dem Doha-Abkommen der USA absehbar gewesen. Die Situation habe sich auch unter Präsident Biden nicht verändert. Eine zukünftige Unterstützung Afghanistans knüpfte sie an eine Reihe von Bedingungen: es dürfe keine Entscheidungen zu Afghanistan ohne Beteiligung der afghanischen Zivilgesellschaft geben, auf die Bedingungen der Taliban für Gespräche (Männer sprechen nur mit Männern) dürfe man nicht eingehen. Von Nöten sei eine dauerhafte internationale Solidarität. Generalleutnant a.D. Rainer Glatz berichtete im Anschluss über sein langjähriges Engagement in und zu Afghanistan und erinnert daran, dass er schon 2014/15 eine Evaluierung des Militäreinsatzes gefordert hat. Vor allem kritisierte er die mangelnde Kenntnis über die Situation vor Ort in den Entscheidungsfindungen. Eine der Folgen sei die Anwendung eines UN-Modells für Post-Konfliktsituation in einem Land, gewesen, in dem die Voraussetzungen dafür überhaupt nicht gegeben waren.
Der dritte Block griff ein Thema auf, dass auch die HU zunehmend beschäftigt – z.B. in der Tacheles Veranstaltung Ökozid und Strafrecht – nämlich Klimakrise und Menschenrechte. Die Einleitung thematisierte die aktuelle Entwicklung seit dem Pariser Abkommen, der Anerkennung des Rechts auf eine gesunde Umwelt durch den Menschenrechtsrat und das Urteil des BVerfG zum Klimaschutz. Sébastien Duyck vom Center for International Environmental Law schilderte die von der neuen Bundesregierung angekündigte Klimaaußenpolitik und ging als positives Beispiel u.a. auf die maßgeblich von Deutschland unterstützte ’South African Transition Initiative‘ zur Unterstützung des Ausstiegs aus dem Kohlebergbau ein. Er betonte die zentrale Rolle der Finanzierung von Klimaanpassungsprogrammen. Lisa Badum (MdB, B‘90/Die Grünen, energiepolitische Sprecherin) sah in Deutschlands Mitgliedschaft im MRR und der gleichzeitigen deutschen G7-Präsidentschaft die Chance, die Themen Klimaschutz und Menschenrechte zusammenzubringen. Boris Mijatovic, ebenfalls MdB, B‘90/Die Grünen und Sprecher des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe führte Wirtschaft (Lieferketten, Bergbau) und Indigene als seine Prioritäten aus.
Die Klausurtagung endete mit einem Podium und einer Plenumsdiskussion: „Chinas gefährliche Politik im UN-Menschenrechtssystem. Wer kann das aufhalten?“ mit Inputs von Katrin Kinzelbach, Nora Sausmikat und Wenzel Michalski). Katrin Kinzelbach (Professorin für Internationale Politik der Menschenrechte in Erlangen) begann mit einem historischen Überblick über den Umgang Chinas mit dem UN-Menschenrechtssystem seit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Bis 1989 sei China nicht auf Kritik im Bereich der Menschenrechtsverletzungen vorbereitet gewesen und erst danach hab China die Notwendigkeit eines wirkmächtigen „Gegen-Narrativs“ zum UN-Menschenrechtssystem erkannt. Meilensteine dafür seien, das Weißbuch „über Menschenrechte in China“ 1991, die Gründung von ‚Gongos‘ 1) seit 1993, die „Pekinger Erklärung zur Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“ 2017 und 2021 das Weißbuch „China – die bessere Demokratie“gewesen. Nora Sausmikat, promovierte und habilitierte Sinologin, Leiterin des China Desk bei urgewatd e.V., beantwortete die Frage, wie man auf Chinas Aktivitäten reagieren damit, dass ihrer Meinung nach der Westen bis heute nicht versteht, was da passiert. Als ein Beispiel benennt sie die ‚neue Seidenstraße‘. Als wichtigen Kompass für den Umgang mit China empfiehlt sie: „Klimaschutz ohne China ist nicht möglich. – Menschenrechtsschutz auch nicht!“
Die inhaltlich anregende Klausurtagung liess die Berichtende doch etwas unbefriedigt: zur Zeit können wir wenig HU Themen beim Forum einbringen. Themen, wie Asylrecht und Flüchtlingspolitik gehören nichts zu unseren Kernkompetenzen. Es wäre wünschenswert wieder mehr thematische Überschneidungen zu finden – wie z.B. das Ausländerzentralregister. Mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte ist jetzt eine weitere Organisation aus dem Spektrum der Bürgerrechtsorganisationen dabei – vielleicht lassen sich auch gemeinsam neue Projekte entwickeln.
Katharina Rürup