
vorgänge Nr. 247/248: Zukunft der Bildung
In der optimistischen Aufbruchphase der 1960er und 1970er Jahre waren Bildung und Erziehung prominente Themen. Auch die Humanistische Union nahm sich ihrer an. In den folgenden Jahren schwand jedoch das Interesse und schuf günstige Restaurationsbedingungen: Der Bildungsbegriff war in der Bundesrepublik zunehmend dem Verdacht des Elitären ausgesetzt, galt als bildungsbürgerlich und anachronistisch. Die Versuche der Reformation des westdeutschen Bildungswesens zugunsten eines integrativen Schulsystems, das in einer Schule für alle Kinder allen Kindern gemeinsame Möglichkeiten einräumen sollte, scheiterte weitgehend, nicht zuletzt an der antikommunistischen Kritik an einer vermeintlichen „sozialistischen Einheitsschule“. Nach wie vor befindet sich Deutschland an der Spitze der Länder, in denen die soziale Herkunft eines Kindes seine Bildungserfolge beziehungsweise seine Misserfolge bestimmt. Das reicht über die Schulen bis in die Universitäten, wenn wir uns ansehen, wie sehr der Bildungsgrad der Eltern determiniert, ob man einen Hochschulabschluss oder gar eine Promotion erfolgreich abschließt. Dadurch wird das Recht auf Bildung, verbrieft durch Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie Art. 13 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte – beide von Deutschland ratifiziert – vielseitig verletzt.
Parallel zu dieser Entwicklung vollzieht sich ein Prozess des neoliberalen Umbaus des gesamten Bildungswesens. Personalmangel, Mängel der Ausstattung und die Häufung sozialer Probleme in öffentlichen Schulen bewirken einen Rückzug derer, die sich eine Privatschule leisten können. Das führt zu einer Tendenz der Privatisierung von Schulen und damit zur Herausbildung einer exklusiven Schullandschaft. Daneben besteht ein öffentliches Schulwesen, das weiterhin selektiv handelt und ständisch organisiert ist. Den Schulen gemeinsam ist ein eklatanter Personalmangel und ob dessen Unterrichtsausfälle. Er ist es auch, der Rufe nach weniger qualifizierten pädagogischen Fachkräften laut werden lässt. Im Bereich der frühkindlichen Bildung ist dies bereits Praxis. Gleichzeitig nehmen wir an Hochschulen wahr, dass die finanzielle Ausstattung der Lehrstühle in besonderem Maße vom Wettbewerb um externe Drittmittel bestimmt ist und dabei die Lehre oft genug ins Hintertreffen gerät.
Daher wollen wir uns in diesem Doppelheft der vorgänge fragen, wie es um die Zukunft der Bildung in Deutschland bestellt ist. Dies gilt es einerseits empirisch zu tun, andererseits auch, was das normative Ideal der Bildung betrifft und wie sich diese menschenrechtlich konform und humanistisch (in einem modernen Sinne) entwickeln sollte – und teilweise auch schon könnte.