Beitragsbild Der aufhaltsame Aufstieg der AfD und die Demokratie
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Der aufhaltsame Aufstieg der AfD und die Demokratie

Bei den vergangenen Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen konnte die AfD starke Gewinne erzielen. Was für Konsequenzen hat das für die deutsche Demokratie? Dieter Segert geht in seinem Beitrag dieser Frage nach. Ihm zufolge ist die AfD eine konservativ-nationale und rechtspopulistische, aber keine faschistische Partei. Dennoch ist sie eine Bedrohung der Demokratie. Dazu untersucht Segert das Grundsatzprogramm der AfD und ihre Wählerschaft in den drei Bundesländern. Die Bedrohung könne nur abgewendet werden, indem die anderen Parteien einige der bisher vernachlässigten Sorgen und Interessen dieser Wählergruppen, wie eine ungerechte sozial- und wirtschaftspolitische Ordnung, aufgreifen und in eine wirksame Politik umsetzen.

 

Die AfD ist die größte Gewinnerin der drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Am meisten, über neun Prozent, hat sie dabei in Thüringen dazu gewonnen, das heißt in der Landespartei mit dem ausgewiesenen „Faschisten“ Höcke an der Spitze. Aber auch in Sachsen und Brandenburg hat sie ihre zweitstärkste Position aus den vorangegangenen Wahlen verteidigen können. In allen drei Ländern erhielt sie bei angestiegener Wahlbeteiligung circa ein Drittel der abgegebenen gültigen Wählerstimmen.

Aber was bedeutet das für die anderen politischen Kräfte und für die Demokratie in unserem Land? Stehen wir in einer ähnlichen Situation wie Deutschland am Ende der Weimarer Republik, als die NSDAP in den Wahlen ab 1932 zwischen einem Drittel und über 40 Prozent der Wählerstimmen für sich rekrutieren konnte – also am Vorabend einer Regierungsbeteiligung von Faschisten? Der Autor dieses Beitrags ist nicht dieser Meinung und wird das nachfolgend begründen. Sorgen müssen wir uns trotzdem.

Die AfD – eine konser­va­ti­v-na­ti­o­nale, rechts­po­pu­lis­ti­sche, aber keine faschis­ti­sche Partei

Zuerst eine Einschätzung der Partei selbst, danach meine Analyse der politischen Situation heute im Vergleich mit der in der betreffenden Phase der Weimarer Republik.

In der Führungsmannschaft der AfD gibt es Personen, die bewusst sowohl nationale als auch sozial-populistische Positionen äußern. Der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke wurde von einem Gericht für die wiederholte Nutzung einer Parole der SA zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Soziologe und Aktivist Andreas Kemper hat Höcke in einem Interview mit dem WDR folgendermaßen eingeschätzt: „Vor der AfD hat Höcke unter Pseudonym in Neo-Nazi-Organen Texte veröffentlicht und war bei einer Neo-Nazi-Demo mittendrin und hat dort mitskandiert. Jetzt mit der AfD sieht er seine Mission darin, die vermeintliche Sprachherrschaft der Linken zu durchbrechen“ (WDR/Kemper 2024). Die Losung, für die er verurteilt wurde, sieht Kemper im selben Interview nahe an der Naziformel „Du bist nichts, dein Volk ist alles“.

Der Verfassungsschutz schätzte zwei Landesverbände der AfD als „gesichert rechtsextrem“ ein. Das heißt zunächst einmal, dass der Verfassungsschutz geheimdienstliche Mittel bei der Beobachtung der Partei anwenden darf, also etwa mit V-Leuten arbeiten. Es sagt aber noch nichts darüber aus, ob die beobachtete Partei tatsächlich aktiv daran arbeitet, die demokratische Ordnung umzustürzen, also verboten werden müsste. (Illner 2024)

Die Grundlage der folgenden Analyse ist das Programm der AfD von 2016. Dabei stelle ich nicht die dort entwickelten Grundthesen dar, sondern versuche eine Interpretation dieses Dokuments, um das Selbstverständnis dieser politischen Formation zu verstehen. In Abschnitt 1 wird mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild versprochen, dann folgt eine Kritik des Euro, danach Aussagen zur inneren Sicherheit sowie ein vierter Abschnitt zur Außen- und Sicherheitspolitik. Erst danach kommen Abschnitte zu Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, drei Abschnitte zu Familie, Sprache und Kultur, sowie Bildung und Hochschulbildung. Den inhaltlichen Höhepunkt stellt der Abschnitt zur Zuwanderung und Integration dar. Hier wird sehr detailliert ausgeführt, welche Forderungen die Partei an die Regierung erhebt. Seit 2016 haben die Regierung wie auch die wichtigste Oppositionspartei CDU diese Forderungen weitgehend übernommen – von der vollständigen Schließung der EU-Außengrenzen, der Verhinderung illegaler Grenzübertritte durch strengere Personenkontrollen, die striktere Durchsetzung der Ausreisepflicht bis hin zur (zumindest geforderten) Einrichtung von „Schutz- und Asylzentren in sicheren Staaten“ (AfD 2016: 12). Das Programm schließt ab mit fünf Abschnitten, die sich wie ein Einsammeln sonstiger Positionen lesen, unter anderem zur Wirtschaft und zu Natur und Umwelt.

Aus dem Programm geht hervor, dass die AfD für eine stärkere Betonung der deutschen Identität eintritt, indem sie gegen „Multikulturalismus“ sowie dagegen Stellung nimmt, dass der Islam zu Deutschland gehört, sie betrachtet die Nation als „kulturelle Einheit“ und die deutsche Sprache als „Zentrum unserer Identität“ (AfD 2016: 10). Sie betont auch die Notwendigkeit einer erinnerungspolitischen Wende, die die Erinnerung an den Nationalsozialismus (und seine Verbrechen) keinen prominenten Platz mehr einräumt. Das erinnert an die Äußerung des damaligen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland, Hitler und die Nazis seien nur ein „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ (Wiederwald 2018). Mit diesen Bestimmungen wird die deutsche Nation ethnisch definiert, allerdings nicht ausdrücklich über Vererbung oder gar als besondere „Rasse“.

Das Programm vertritt konservative Vorstellungen über Familie und Geschlechterbeziehungen. Die „traditionelle Familie“ ist das Leitbild. Für die Behebung des Mangels an Arbeitskräften wird anstelle von Masseneinwanderung eine höhere einheimische Geburtenrate durch eine „aktivierende Familienpolitik“ angestrebt. Die unterstellte „Diskriminierung von Vollzeitmüttern“ (also der Hausfrauenrolle der Frauen) wird kritisiert. Es wird eine kritische Position gegen Abtreibungen eingenommen. Gendersprache und andere verordnete, „politisch korrekte“ Sprachvorgaben werden abgelehnt. (AfD 2016: 9f.)

Diese Orientierung auf konservative Werte zusammen mit einer restriktiven Innenpolitik („starker Staat“) und die Betonung der Nation ist die Grundlage für meine Einschätzung, dass die AfD eine national-konservative Partei ist.

Außerdem fällt ein populistischer Sprachstil auf. Überall gibt es Sätze, die die Ressentiments des Alltagsdiskurses bestätigen. Einige direkte Zitate dafür:

  • „Während Steuerhinterziehung auch bei vergleichsweise kleinen Beträgen in Deutschland verfolgt und bestraft wird, bleibt die ebenso das Gemeinwohl schädigende Steuerverschwendung straffrei“ (AfD 2016: 4).

  • „Die Zwangsfinanzierung des öffentlichen Rundfunks ist umgehend abzuschaffen und in ein Bezahlfernsehen umzuwandeln“ (AfD 2016: 6).

  • „Jeder Einwanderer hat eine unabdingbare Bringschuld, sich zu integrieren; er muss sich seiner neuen Heimat anpassen, nicht umgekehrt“ (AfD 2016: 12).

  • „Steuern und Abgaben sollen in Zukunft nicht mehr beliebig erhöht werden können“ (AfD 2016: 14).

  • „Das derzeit niedrige Zinsniveau gefährdet die Alterssicherung weiter Teile der Bevölkerung und kann deshalb auf Dauer nicht aufrecht erhalten werden“ (AfD 2016: 14).

  • Das Klima wandelt sich, solange die Erde existiert. Die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung beruht auf bisher unbewiesenen hypothetischen Klimamodellen (AfD 2016: 15).

  • „Die AfD ist strikt gegen verkehrspolitische Schikanen … Die Autofahrer werden auf Deutschlands Straßen durch immer mehr Geschwindigkeitsbeschränkungen behindert“ (AfD 2016: 17).

Hier werden negativ konnotierte Begriffe des Alltagsdiskurses („Schikanen“) verwendet, um ökologische Ziele zu diskreditieren. Gesicherte Erkenntnisse werden zu bloßen Hypothesen zurückgestuft. Für niedrige Zinsen wird wahrheitswidrig die Regierung verantwortlich gemacht. Immer wird Empörung angeheizt. Es handelt sich um eine Politik, die mit Emotionen und vereinfachten Deutungen komplexer Sachverhalte arbeitet.

Im politischen Koordinatensystem verortet sind die Positionen des AfD-Programms national-konservativ, aber nicht offen undemokratisch oder gar „faschistisch“. Darüber hinausgehend gibt es öffentlich wirksame Meinungsäußerungen von Politiker*innen wie Höcke, aber diese sind nicht identisch mit der Position der AfD insgesamt. Vor allem sind das nicht die wichtigsten Gründe, warum diese Partei gewählt wird. Dazu aber weiter unten.

Vorher noch kurz zur Frage, ob uns der Vergleich mit dem Ende der Weimarer Republik und den frühen 1930er Jahren weiterhilft. Steht unsere Uhr kurz vor 1932?

Wodurch ist es den Nationalsozialisten damals gelungen, an die Macht zu kommen?i Sie nutzten das Gefühl der Demütigung durch die Siegermächte des Ersten Weltkrieges aus, welches in Teilen der Bevölkerung entstanden war. Die Erfolge der NSDAP beruhten unter anderem auf der antibolschewistischen Stimmung in der deutschen politischen Elite, der verbreiteten Furcht vor einer proletarischen Revolution.ii In den später 1920er Jahren wurden seitens der NSDAP-Führung und Vertretern der deutschen Großindustrie wie Thyssen, Schacht, Vögler ein Bündnis hergestellt. Der Keppler-Kreis spielte eine wichtige Rolle in diesem Verhältnis zwischen Industrie, Banken und Hitler (vgl. Piper 2018: 117ff.; Zilkenat 2012.)iii Die erste Regierung unter Reichskanzler Hitler im Januar 1933 war eine Koalition mit der bürgerlichen Deutschnationalen Volkspartei DVNP, mit der man schon seit der Harzburger Front 1931 kooperierte. Der Weg zur absoluten Macht wurde geebnet durch das Verbot linker Parteien sowie die freiwillige Selbstauflösung bürgerlicher Parteien im Sommer 1933.

Es gibt ausgehend von dieser Analyse der späten Weimarer Verhältnisse keine analoge, präfaschistische Situation im heutigen Deutschland. Zwar stagniert die deutsche Wirtschaft, die gerade aufgelöste Regierung war extrem unbeliebt und das Parteiensystem wandelt sich, aber es gibt keine bewaffneten Milizen und der Rechtsstaat ist stabil. Großspenden über 35.000 Euro werden vom Bundestag veröffentlicht – in der ersten Jahreshälfte 2024, also vor den drei hier in Rede stehenden ostdeutschen Landtagswahlen, erhielt die AfD keine solcher Spenden.iv Unternehmen sehen ein Erstarken der AfD eher kritisch.v Uns drohen heute andere politische Gefahren als am Beginn der 1930er Jahre. Es wäre angebracht, sich auf die Lösung dieser heutigen Probleme zu konzentrieren – auf die Kriegsgefahr, die zunehmende soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft oder die ausbleibende sozial-ökologische Transformation –, anstatt uns davon durch eine nur phantasierte Wiederkehr früherer Katastrophen ablenken zu lassen.

Eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland ist die AfD trotzdem. Sie verschafft verstärkt den Unmut, ohne dessen Ursachen beseitigen zu wollen. Um ihren weiteren Aufstieg zu verhindern, ist es erforderlich, sich damit zu beschäftigen, warum sie gewählt wird. Die Wähler*innen, nicht die Mitglieder und Funktionäre der AfD, sollten diejenigen besonders interessieren, die den Einfluss jener Partei reduzieren wollen. Die nachfolgende Analyse der Wählerschaft wertet soziologische Umfragen zu den drei ostdeutschen Landtagswahlen im September dieses Jahres aus.vi

Analyse der Wähler­schaft der AfDvii

Zum einen zeigt die um bis zu zehn Prozent gestiegene Wahlbeteiligung auf 73 bis 74 Prozent in den drei Landtagswahlen, dass es eine hohe Mobilisierung der Wählerschaft gab. Man empfand eine konfliktgeladene Situation und wollte unbedingt seine Stimme abgeben. Schon das verweist auf eine funktionierende Demokratie, auf Partizipationsbereitschaft und politisches Interesse der Wähler*innen.

Die Beschimpfung der Wählerschaft der AfD als „faschistisch“ geht am Problem vorbei.viii Schon der Blick auf ihre soziale Zusammensetzung lässt daran zweifeln: 49 Prozent der Arbeiter*innen in Thüringen haben laut Nachwahlbefragung von „Infratest Dimap“ AfD gewählt. In Brandenburg wählten unter den Arbeiter*innen 46 Prozent diese Partei. Wähler*innen mit schlechter wirtschaftlicher Situation (Selbsteinschätzung) wählten in Sachsen zu 49 Prozent AfD. In kleinen Gemeinden ist die Partei in Thüringen besonders stark geworden. Das gilt auch für Sachsen und Brandenburg. Sie wird in Thüringen von jungen Wähler*innen (bis 24 Jahre) überdurchschnittlich häufig gewählt (von 38 Prozent aus dieser Wählergruppe). In Sachsen und Brandenburg ist die Gruppe junger Menschen, die AfD wählen, zwar im Vergleich zu anderen Altersgruppen nicht überdurchschnittlich groß, aber sie hat auch in diesen beiden Ländern im Vergleich zu 2019 überdurchschnittlich zugenommen. In Thüringen sind das plus 15 Prozent, in Brandenburg 13, in Sachsen elf Prozent.

Die AfD wird von den Menschen gewählt, die gegen den Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland sind. 58 Prozent ihrer Wähler*innen in Thüringen finden es gut, dass die Partei den Zuzug von Ausländer*innen und Flüchtlingen stärker begrenzen will. Generell sind sie der Meinung, dass die Regierungspolitik ihre Interessen schlecht oder gar nicht vertritt. AfD-Wähler*innen sind zu einem Teil Protestwähler*innen. Sie wählen die Partei, die von Regierung und etablierten Medien am deutlichsten kritisiert wird. 86 Prozent der befragten Wähler*innen der AfD in Sachsen stimmten der Aussage zu, dass die Landtagswahlen eine gute Gelegenheit sind, der Bundesregierung einen Denkzettel zu verpassen. In Thüringen sind es 84, in Brandenburg 85 Prozent.

Wenn man versucht, diese Aussagen auf einen Punkt zu bringen, kann man sagen: Die AfD wird von Menschen gewählt, die sich in ihren Interessen durch die etablierte Politik nicht vertreten fühlen. Die massive Zuwanderung und die von ihnen als unzureichend empfundenen Maßnahmen der Regierung dagegen ist zentral dabei. Sie wählen „Paria“-Parteien, das heißt Parteien, die von den dominierenden politischen Akteuren als abweichend vom allgemeinen Konsens in die Ecke gestellt werden,ix denn auch sie fühlen sich dorthin verbannt. Und sie haben das Gefühl, ihre Sorgen werden von denen „da oben“ nicht nur nicht gehört, sondern sie sollten auch noch umerzogen werden. Das ist gewiss keine demokratiefördernde Situation: Die Repräsentierten fühlen sich durch die repräsentative Demokratie nicht ernst genommen.

Populismus als Problem? Ja, aber…

Die politischen Aussagen der AfD sind populistisch gefärbt. Aber das allein muss nicht die Demokratie gefährden. Die Anziehungskraft des Populismusx unter der Wählerschaft kann auch davon zeugen, dass bestimmte Gruppen von Wähler*innen sich durch die bisherigen politischen Parteien und deren Politik nicht repräsentiert fühlen und deshalb Parteien wählen, die ihre Interessen zumindest im Wahlkampf aufgreifen, selbst wenn sie nicht sicher sein können, dass nach der Wahl ihre Interessen in eine wirksame Politik umgesetzt werden.

Zumindest so schädlich wie ein Populismus, der dem Volk nur nach dem Munde redet, ist eine repräsentative Demokratie, die große Wählergruppen ignoriert und ihre Sorgen und Interessen nicht repräsentiert. Damit ist gleichzeitig gesagt, dass es Hoffnung gibt, den Einfluss der AfD zu reduzieren – indem die anderen Parteien jene bisher vernachlässigten Sorgen und Interessen aufgreifen und in eine wirksame Politik umsetzen. Das gilt natürlich nicht für alle dieser Positionen, aber bloße Denunziation hilft nicht.

Eine Politik, die die AfD von der Regierungsverantwortung fernhalten will, müsste sich mit den Defiziten unserer repräsentativen Demokratie beschäftigen, welche Züge des Modells Postdemokratie von Jacques Rancière (1997) und Colin Crouch (2008) ausgeprägt sind. Die Ungerechtigkeit unserer Wirtschafts- und Sozialordnung zeigen sich etwa in nicht mehr bezahlbaren Wohnungen für junge Menschen in den größeren Städten und in der allgemein wachsendem Ungleichheit der Vermögen.xi Nicht zuletzt die politischen Linken in den etablierten Parteien sollte ihre Politik der vergangenen Jahrzehnte kritisch durchdenken und sich fragen, was falsch gelaufen ist. Warum etwa das Band zu den Beschäftigten in Industrie und Handwerk gerissen ist und die AfD zur größten deutschen Arbeiterpartei mutieren konnte.

 

Prof. Dr. Dieter Segert war bis 2017 Professor für Transformationsprozesse in Mittel-, Südost- und Osteuropa am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind Transformationen politischer Systeme in Osteuropa, Geschichte und Erbe des europäischen Staatssozialismus, Parteienentwicklung in Osteuropa sowie Gefährdungen und Wandel der Demokratie.

Literatur

AfD 2016: Grundsätze für Deutschland. Programm der Alternative für Deutschland. Kurzfassung, Berlin, https://www.afd.de/wp-content/uploads/2021/02/2016-06-20_afd-kurzfassung_grundsatzprogramm_webversion_k.pdf (Stand: 04.11.2024).

Bundeszentrale für politische Bildung 2024: Sozialbericht 2024. Ein Datenreport für Deutschland, Bonn, https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Sozialbericht_2024_bf_k2.pdf (Stand: 07.11.2024).

Crouch, Colin 2008: Postdemokratie, Frankfurt am Main.

Illner, Marie 2024: „Gesichert rechtsextrem“ – was genau bedeutet das? In: Web.de vom 09.09.2024, https://web.de/magazine/politik/gesichert-rechtsextrem-genau-bedeutet-40097680 (Stand: 02.11.2024).

Joswig, Gareth/Kowalczuk, Ilko-Sascha 2023: „Wer Nazis wählt, ist ein Nazi“, in: taz vom 03.07.2023, https://taz.de/Ilko-Sascha-Kowalczuk-ueber-den-Osten/!5941741/ (Stand: 04.11.2024).

Pelinka, Anton 2005: Die FPÖ. Eine rechtspopulistische Regierungspartei zwischen Adaption und Opposition, in: Frölich-Steffen, Susanne/Rensmann, Lars (Hrsg.): Populisten an der Macht. Populistische Regierungsparteien in West- und Osteuropa, Wien, S. 87-104.

Piper, Ernst 2018: Geschichte des Nationalsozialismus. Von den Anfängen bis heute, Bonn.

Rancière, Jacques 1997: Demokratie und Postdemokratie in: Badiou, Alain et al. (Hrsg.): Politik der Wahrheit, Wien, S. 94–122.

Saage, Richard 1975: Zum Verhältnis von Nationalsozialismus und Industrie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, H. 9.

Segert, Dieter 2002: Die Grenzen Osteuropas. 1918, 1945, 1989 – drei Versuche, im Westen anzukommen, Frankfurt am Main/New York.

Segert, Dieter 2018: Lernen aus 1918 – Bedingungen der Demokratie, in: Ost-West. Europäische Perspektiven, H. 1, S. 11- 22.

Segert, Dieter 2021: Politische Kultur im Wandel? Der Populismus in Ostmitteleuropa und seine Vorgeschichte, in: Sabrow, Martin et al. (Hrsg.): 1989 – eine Epochenzäsur? Göttingen, S. 74-86.

Segert, Dieter 2024: „Verstehen kann man Russland nicht, und auch nicht messen mit Verstand …“, in: International, H. 4, S. 13-15.

Spiegel Online 2024: Sozialbericht: Reichste zehn Prozent besitzen mehr als die Hälfte des Vermögens in Deutschland, in: Spiegel Online vom 06.11.2024, https://www.spiegel.de/wirtschaft/sozialbericht-reichste-zehn-prozent-der-deutschen-besitzen-56-prozent-des-vermoegens-a-05b34075-5570-4a6e-bc7f-bef64ed626f3 (Stand: 07.11.2024).

WDR/Kemper, Andreas 2024: „Wäre verwerflich, Höcke nicht als Faschisten zu bezeichnen“, in: WDR.de vom 15.05.2024, https://www1.wdr.de/nachrichten/afd-hoecke-faschist-100.html (Stand: 04.11.2024).

Wiederwald, Rupert 2018: „Vogelschiss in der Geschichte“, in: Deutsche Welle vom 02.06.2018, https://www.dw.com/de/gauland-bezeichnet-ns-zeit-als-vogelschiss-in-der-geschichte/a-44054219 (Stand: 04.11.2024).

Zilkenat, Reiner 2012: Das deutsche Großkapital, der Keppler-Kreis und die NSDAP: eine unentbehrliche Vorgeschichte des 30. Januar 1933, in: Rundbrief 3-4, AG Rechtsextremismus/Antifaschismus beim Parteivorstand der Linkspartei. PDS, Berlin, S. 4-24.

Anmerkungen

iIch habe zu den Ursachen des Nationalsozialismus zwar keine eigenen Forschungen angestellt, aber mich intensiv mit den autoritären und faschistischen Bewegungen in Osteuropa in der Zwischenkriegszeit beschäftigt (vgl. Segert 2002; 2018). In jüngster Zeit wurde in der Geschichtswissenschaft über den Sinn historischer Vergleiche anhand der Bestimmung des russischen autoritären Regimes als faschistisch diskutiert (vgl. Segert 2024).

iiIn einer Rede vor der Führung der General Electric in New York 1931 erklärte von Carl-Friedrich von Siemens, dass Unternehmer und Bürgertum zwar den Methoden Hitlers ablehnend gegenüberstehen, aber sie würden doch „das Hitlertum als das kleinere Übel gegenüber dem Kommunismus“ betrachten (vgl. Zilkenat 2012: 15).

iiiFrühere westdeutsche Diskussionen zum Verhältnis von Teilen der kapitalistischen Unternehmerklasse Deutschlands und der NSDAP wurden durch Saage (1975) kritisch aufgearbeitet.

ivVgl. den Bericht der Präsidentin des Deutschen Bundestages vom 1. Juli 2024, https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/parteienfinanzierung/fundstellen50000/2024/2024-inhalt-984862 (aufgerufen am 09.11.24).

vVgl. den Bericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft über eine Unternehmensbefragung im Frühjahr 2024, https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/knut-bergmann-matthias-diermeier-auch-ostdeutsche-firmen-sehen-die-afd-skeptisch.html (aufgerufen am 09.11.24).

viDamit keine Missverständnisse über meine Position aufkommen: Die AfD ist kein rein ostdeutsches Problem, sie ist von westdeutschen Intellektuellen und Politiker*innen gegründet worden, und sie verfügt über eine starke Verankerung in der Mitte und im Süden Westdeutschlands. Die ostdeutschen Wahlergebnisse sind zudem zumindest teilweise durch die akute Regierungskrise bedingt.

viiAlle Umfrageergebnisse aus Nachwahlbefragungen stammen aus Veröffentlichungen der Tagesschau zu den Wahlergebnisse der AfD. Links: zu Thüringen – https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-TH/umfrage-afd.shtml ; zu Sachsen – https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-01-LT-DE-SN/umfrage-werwas.shtml; zu Brandenburg – https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2024-09-22-LT-DE-BB/index.shtml (jeweils abgerufen am 04.11.24).

viiiDas formuliere ich in Auseinandersetzung mit Äußerungen, wie der des ostdeutschen Historikers Ilko-Sascha Kowalczuk in einem Interview mit der taz über die Wählerschaft der AfD: „Wer Nazis wählt, ist ein Nazi“ (Joswig/Kowalczuk 2023).

ixDazu zählt außer der AfD auch das BSW.

xVgl. dazu meinen Text zu den Definitionen des Populismus in Osteuropa, wobei ich unter anderem auf Anton Pelinkas (2005: 90) Feststellung verweise, dass Populismus eine Variation legitimer Auffassungen von Demokratie sein kann (Segert 2021: 74-77).

xiDie Daten sind im neuen Sozialbericht 2024 enthalten (Bundeszentrale für politische Bildung 2024; vgl. auch Spiegel Online 2024).

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