Beitragsbild Partizipation von Eltern in der Schule ihrer Kinder - Anspruch und Wirklichkeit
Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 247/248: Zukunft der Bildung

Parti­zi­pa­tion von Eltern in der Schule ihrer Kinder - Anspruch und Wirklich­keit

Bei der Partizipation von Eltern in den Schulen ihrer Kinder geht es nicht nur um die Wahrnehmung eines Mitbestimmungsrechtes, sondern auch um die Förderung der Kinder und Jugendlichen. In Deutschland mangelt es aber an demokratischer Mitbestimmung von Eltern in der Schule. In seinem Beitrag analysiert Werner Sacher, wie es formal um Eltern- und Schülervertretungen in den Bundesländern bestellt ist, aber zeigt auch die Schwächen in der Wirklichkeit auf. Er kommt zum Schluss, dass die Verbesserung der Elternpartizipation sich nicht durch bloße Änderungen der gesetzlichen Grundlagen erreichen lässt. Es bedarf vielmehr, so Sacher, eines Bündels an Maßnahmen, wie Elternbildungs-, Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote für Elternvertreter*innen.

1. Einleitung

Einflüsse der Familie wirken sich doppelt so stark auf die Leistungen von Schüler*innen aus wie die Summe der Einflüsse von Schule, Unterricht und Lehrkräften. Die Partizipation von Eltern in der Schule ihrer Kinder ist zwar nur ein Element der Familieneinflüsse. Aber auch sie kann beträchtlich zum Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen beitragen – unter anderem mehr als die Evaluation von Unterricht und Schule oder der Einsatz spezieller Lehr- und Lernmaterialien, wie moderner Medien.

2. Der Auftrag des Grund­ge­setzes

Aus dem Grundgesetz abgelei­teter Koope­ra­ti­ons­auf­trag

Art. 6 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland lautet: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Und Art. 7 Abs. 1 GG verfügt: „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“ Dass damit sowohl ein Erziehungsrecht der Eltern als auch ein solches des Staates begründet wird, zieht die Frage nach sich, welche Instanz im Zweifelsfall die letzte Entscheidungsgewalt hat. Das Bundesverfassungsgericht schuf diesbezügliche Klarheit in einem Urteil vom 6. Dezember 1972 (BVerfGE 34, 165-200):

„Der staatliche Erziehungsauftrag der Schule, von dem Artikel 7,1 GG ausgeht, ist in seinem Bereich dem elterlichen Erziehungsrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet. Diese gemeinsame Erziehungsaufgabe von Eltern und Schule, welche die Bildung der einen Persönlichkeit des Kindes zum Ziel hat, lässt sich nicht in einzelne Komponenten zerlegen. Sie ist in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen.“

„Zusam­men­wirken“ im Sinne des Verfas­sungs­ge­richtes

Es bedarf einiger Erläuterungen, was das vom Verfassungsgericht verordnete „Zusammenwirken“ beinhaltet. Zunächst ist es die Zurückweisung einer Arbeitsteilung, in welcher die Erziehung der Kinder dem Elternhaus und ihre Bildung der Schule obliegt. Sodann ist zu beachten, dass das geforderte „Zusammenwirken“ sowohl auf die häusliche als auch auf die schulische Erziehung und Bildung ausgerichtet sein kann. Indem das Verfassungsgericht den Bezug auf die „eine Persönlichkeit des Kindes“ betont, macht es deutlich, dass es ein „Zusammenwirken“ über beide Bereiche hinweg intendiert.

Es ist naheliegend, die Partizipation von Eltern in der Schule ihrer Kinder auf ihre Beteiligung an den dortigen pädagogischen Bemühungen auszurichten. Das staatliche Wächteramt über die Bildung und Erziehung in den Familien obliegt nicht primär der Schule, sondern anderen Institutionen – vor allem den Einrichtungen der Jugendfürsorge und der Jugendhilfe –, und mit diesen haben Eltern gegebenenfalls auch hinsichtlich ihrer eigenen Erziehungspraxis zusammenzuwirken. Gleichwohl ist es für den Erfolg der Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Schule unverzichtbar, dass diese über die Erziehung in den Familien und ihre Rahmenbedingungen zumindest informiert ist. Darüber hinaus werden alle Bildungs- und Erziehungsbemühungen erfolgreicher sein, wenn die Schule den privilegierten Zugang nutzt, den sie während der Pflichtschulzeit zu allen Kindern und ihren Familien hat, um durch pädagogische Elternberatung und Elternbildung die Erziehungskompetenz von Eltern zu stärken.

Die auf die Schule ausgerichtete Mitwirkung der Eltern kann zum einen aus Hilfe und Mitarbeit in der Schule bestehen, sei es im Unterricht oder in Bereichen des Schullebens oder bei organisatorischen Maßnahmen. Sie kann und muss zum andern auch zuhause in den Familien stattfinden – durch angemessene Unterstützung der Kinder bei der Bewältigung schulischer Lernaufgaben (Hausaufgaben, Vorbereitung von Prüfungen etc.), durch eine günstige Erziehungspraxis und durch Organisieren einer fördernden Umgebung für die Kinder. Elternvertreter*innen kommt dabei eine Mediatorrolle zwischen der Schule und den mandatslosen Eltern zu. Das heißt, Elternvertreter*innen und Elterngremien haben darauf hinzuwirken, dass Schule und Eltern die von Vorstellungen, Erwartungen und Wünschen der jeweils anderen Seite Kenntnis erhalten und sie berücksichtigen. Dabei nehmen sie als Repräsentant*innen der Eltern auch deren Rechtsansprüche wahr.

3. Eltern­mit­wir­kung in den Verfas­sungen und Schul­ge­setzen der Bundes­länder

Eltern­rechte in den Länder­ver­fas­sungen

Die Länderverfassungen übernehmen die rechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes, indem sie das Recht der Eltern auf die Erziehung ihrer Kinder bestätigen und die Schulen der Aufsicht des Staates unterstellen. Sie gewähren Eltern das Recht, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder (mit) zu bestimmen und geeignete Schulen für sie zu wählen, und sie fordern die Berücksichtigung des Elternrechtes bei der Gestaltung des Schulwesens. Eine unmittelbare Mitwirkung der gewählten Elternvertretungen sehen dabei aber nur die Verfassungen Baden-Württembergs, Brandenburgs, Hessens, Nordrhein-Westfalens, Sachsens und Thüringens vor. Brandenburg räumt darüber hinaus auch Elternverbänden ein solches Mitwirkungsrecht ein. Ansonsten behalten alle Länderverfassungen weitergehende Regelungen den Schulgesetzen vor.

Indivi­du­elle und kollektive Eltern­mit­wir­kung

Die Schulgesetze der Bundesländer beschreiben Elternmitwirkung hauptsächlich als kollektive Elternmitwirkung, sprich als die Tätigkeit von Klassen- und Schulelternbeiräten sowie von entsprechenden Elterngremien der Städte, Bezirke, Kreise und des Landes.

Weniger ausführlich als über die kollektive Elternmitwirkung äußern sich die Schulgesetze über individuelle Mitwirkungsmöglichkeiten und -rechte aller Schülereltern. Im Allgemeinen erschöpfen sich diese in der (eingeschränkten) Wahl der Schule und der Schulform für die Kinder sowie in der Entscheidung über die angestrebten Abschlüsse und die zu wählenden Fächer und Kurse. Aus Art. 6 Abs. 2 GG wird auch ein Informationsrecht der Eltern hinsichtlich der Inhalte und der Gestaltung des Unterrichts, der Entwicklung und der Leistungen ihrer Kinder und hinsichtlich möglicher Schullaufbahnen abgeleitet. Rheinland-Pfalz, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen räumen Eltern ferner ausdrücklich das Recht ein, im Unterricht ihrer Kinder zu hospitieren.

Aufgaben der Eltern­mit­wir­kung

Elternvertretungen sollen vor allem das Recht der Eltern auf Mitsprache und Mitbestimmung sichern und ihre Interessen auf den verschiedenen Ebenen des Schulsystems vertreten. Ferner sollen sie für die Akzeptanz und Unterstützung der schulischen Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Elternschaft sorgen und den darauf bezogenen Informationsaustausch zwischen Schule und Eltern moderieren. In einer Reihe von Bundesländern wird den Elternvertretungen auch aufgetragen, sich an der Öffentlichkeitsarbeit der Schule zu beteiligen. Anregungen, Vorschläge und Wünsche von Eltern einzuholen und an die Vertreter*innen der Schule weiterzugeben, zählen die Gesetze in der Regel nicht zu den zentralen Aufgaben der Elternvertretungen. Nur die Schulgesetze Hamburgs und Sachsens weisen ihnen auch eine besondere Rolle bei der Beilegung von Konflikten und Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern und Vertreter*innen der Schule zu.

Bereiche der Eltern­mit­wir­kung

Die Mitwirkung von Elternvertreter*innen erstreckt sich entsprechend den Schulgesetzen auf die Namensverleihung der Schulen, die Haus- und Pausenordnung, Baumaßnahmen, die Einrichtung von Wahlpflicht- und Wahlfächern, die Veränderungen von Stundentafeln, die Kooperation mit Partnerschulen, Schülerfahrten und -austausch, auf die Gestaltung von Schulprofilen und Schulentwicklungsprogrammen und dergleichen mehr – also vornehmlich auf die Organisation und Verwaltung der Schule, das Schulleben und die Schulentwicklung. Mit Personalfragen (zum Beispiel mit der Besetzung von Schulleiterstellen) sowie mit der Organisation und Gestaltung des Unterrichts sowie der Erhebung und -beurteilung von Schülerleistungen werden Elternvertretungen in der Regel nicht befasst, allenfalls mit der Festlegung von Unterrichtszeiten oder mit der Verwendung bestimmter Lehr- und Lernmittel. In Hessen allerdings haben Elternvertretungen auch Einfluss auf die Formulierung von Grunds-ätzen für Hausaufgaben und Klassenarbeiten, und sie müssen in der Schulkonferenz zur Neubesetzung einer Schulleitungsstelle gehört werden.

Vertikaler Umfang der Eltern­mit­wir­kung

Kollektive Elternpartizipation ist auf unterschiedlichen Ebenen des Schulsystems vorgesehen: auf Klassen-, Schul-, Stadt-, Bezirks-, Kreis- und Landesebene. Teilweise gibt es auch Elternvertretungen auf Jahrgangs- oder Schulstufenebene oder für mehrere Schulen desselben Schulträgers.

Diese vertikale Ausdifferenzierung der Elternpartizipation ist nicht in allen Ländern vollständig: In Bayern sind Klassenelternvertreter*innen nur für Grund- und Haupt- beziehungsweise Mittelschulen verpflichtend vorgesehen. In den übrigen Schularten ist ihre Wahl fakultativ. Bayern und Nordrhein-Westfalen haben keine Elternvertretung auf Landesebene. In diesen Ländern nehmen Elternverbände die Interessen der Eltern gegenüber den Ministerien wahr. Auch insgesamt fehlt eine durch ein Bundesgesetz oder durch Ländervereinbarungen legitimierte Elternvertretung auf Bundesebene. Der Bundeselternrat ist keine gesetzliche Einrichtung, sondern wurde infolge einer Initiative der Eltern als Arbeitsgemeinschaft gegründet.

Horizon­taler Umfang der Eltern­mit­wir­kung

Der Wirkungsradius der Elternpartizipation bemisst sich auch danach, inwieweit Elternvertreter*innen nicht nur in Elterngremien, sondern auch in weiteren Schulgremien repräsentiert sind: in Klassenkonferenzen, Lehrerkonferenzen und in Gremien der Schülermitverantwortung. Diesbezüglich sind die Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. In Brandenburg, Berlin, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland sind Eltern in Lehrerkonferenzen auf Klassen- und Schulebene vertreten, in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen nur auf Klassenebene. Bayern, Sachsen und Thüringen sehen hingegen überhaupt keine Präsenz von Elternvertreter*innen in Lehrerkonferenzen vor. In Gremien der Schülermitverantwortung sind Eltern nur in Berlin, Brandenburg und im Saarland vertreten.

Teilweise sind umgekehrt auch Lehrkräfte, seltener Schüler*innen Mitglieder in Elterngremien. Außer in Niedersachsen, Thüringen und Bremen sind auf Klassenebene auch Lehrkräfte in Elterngremien präsent. In Berlin sind darüber hinaus auf Klassen- und Schulebene sowohl Lehrkräfte als auch Schüler*innen vertreten.

In allen Ländern gibt es auf Schulebene ein Gremium (Schulforum, Schulkonferenz, Gesamtkonferenz, Schulausschuss oder Schulvorstand), das sich paritätisch oder annähernd paritätisch aus Lehrkräften, Eltern und Schüler*innen zusammensetzt. Allerdings interpretieren die einzelnen Länder Parität unterschiedlich: Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen verstehen darunter nicht eine Drittelparität zwischen Lehrkräften, Eltern und Schülern, sondern die Parität zwischen Lehrkräften einerseits und Schülern und Eltern andererseits. Entsprechend geringer dürfte in diesen Ländern das Einflusspotenzial der Elternvertreter*innen sein.

Im Großen und Ganzen lassen sich in den Schulgesetzen der Länder drei Modelle horizontaler Beteiligung erkennen:

  • Ein Partizipationsmodell (wie in Rheinland-Pfalz), das für viele oder nahezu alle Gremien (meistens mit Ausnahme von Zeugnis- und Versetzungskonferenzen) Eltern und Lehrkräfte vorsieht und offensichtlich darauf ausgerichtet ist, alle Beteiligten frühzeitig zu informieren und in Beratungen und Entscheidungen einzubinden.

  • Ein Kontrollmodell (wie in Hamburg), welches zwar Vertreter*innen der Schule in allen oder in den meisten Elterngremien vorsieht, Eltern aber aus den Gremien und Konferenzen der Lehrkräfte weitgehend heraushält. Diese Unausgewogenheit erweckt zumindest den Eindruck, es sei hauptsächlich darum zu tun, frühzeitig und umfassend Bestrebungen in der Elternschaft zu erkennen und zu steuern.

  • Ein Segregationsmodell (wie in Bayern), welches Elterngremien sowie Konferenzen und Gremien der Lehrkräfte strikt auseinanderhält und keine oder nur wenig Präsenz von Personen in Gremien und Konferenzen der jeweils anderen Seite vorsieht. Damit wird das vom Grundgesetz geforderte „Zusammenwirken“ zumindest verzögert und vermutlich oft auch erschwert.

Verbind­lich­keit der Eltern­mit­wir­kung

Auch das Ausmaß, in dem Elternvertretungen verbindlichen Einfluss auf Entscheidungen der Schule nehmen können, variiert in den einzelnen Ländern beträchtlich. Bindende Entscheidungen können Elternvertreter*innen in den meisten Bundesländern nur in den Schulforen oder Schulkonferenzen treffen und auch dort nur zusammen mit Vertreter*innen der Lehrerschaft und der Schülerschaft. Schulelternbeiräte sind fast überall bloße Foren des Informations- und Meinungsaustausches. Lediglich in Hessen, Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein werden ihnen in einigen Fragen der Schulorganisation und der Unterrichtsgestaltung Mitentscheidungsrechte eingeräumt, in Rheinland-Pfalz zum Teil auch hinsichtlich der Lehr- und Lernmittel sowie der Schulfinanzierung. Für Nichtjurist*innen sind die Formulierungen, mit welchen die Gesetze unterschiedliche Grade und Weisen der Mitwirkung beschreiben, nicht immer leicht zu entschlüsseln, zum Beispiel:

  • „Informiert werden“: Erhalten erforderlicher Informationen ohne direkte Möglichkeit, die Entscheidung zu beeinflussen.

  • „Vorschläge machen“: Einbringen von Ideen oder Anregungen, wobei aber letztlich an anderer Stelle entschieden wird.

  • „Stellung nehmen“: Möglichkeit, eine Meinung zu einem Thema zu äußern, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden soll, aber nicht zwingend die schließlich getroffene Entscheidung beeinflusst.

  • „Im Benehmen“: Erfordernis der Rücksprache mit einer anderen Partei, ohne dass die endgültige Entscheidung einvernehmlich erfolgen muss.

  • „Mitwirkung“: Einflussnahme einer Partei auf eine Entscheidung, die sie aber nicht alleine treffen darf.

  • „In Abstimmung mit“: Treffen einer Entscheidung erst nach Einigung mit einer anderen beteiligten Partei.

  • „Genehmigung“: Umsetzung einer Entscheidung erst nach formeller Zustimmung einer anderen Partei.

  • „Einwilligung“: Erfordernis ausdrücklicher vorheriger Zustimmung zu weiterem Vorgehen.

  • „Verlangen“: Recht einer Partei, ein bestimmtes Vorgehen oder eine bestimmte Entscheidung zu fordern und auf der Umsetzung dieser Forderung zu bestehen.

  • „Entscheidung“: Letzte und verbindliche Festlegung, was und auf welche Weise etwas geschehen soll.

Mitwir­kungs­rechte von Minder­heiten und Benach­tei­ligten

Um sicher zu stellen, dass auch Bedürfnisse von Minderheiten und anderen benachteiligten Gruppen der Elternschaft nicht übergangen werden, enthalten manche Schulgesetze Sonderregelungen für solche Personen. Brandenburg, Hessen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und das Saarland sichern eine ausreichende Repräsentanz von Eltern nichtdeutscher Herkunftskulturen in den Elternvertretungen gesetzlich ab. Bayern erlaubt immerhin ausdrücklich eine Kooptierung (das heißt eine Berufung ohne Stimmrecht) weiterer Eltern in den Elternbeirat. Die Schulgesetze der übrigen Bundesländer enthalten diesbezüglich keine Bestimmungen. Allein Bremen und Rheinland-Pfalz gestehen Eltern behinderter Kinder Minderheitsrechte zu und tragen damit den verbreiteten Inklusionsbestrebungen Rechnung. Insgesamt ist man jedoch in den meisten Bundesländern von ausreichen-den Mitwirkungsmöglichkeiten aller Elterngruppen weit entfernt. In diesem Zusammenhang verdiente auch Beachtung, dass häufig die Geschlechter in den Elterngremien ungleich vertreten sind. Hier sind die Schulgesetze von Brandenburg und Rheinland-Pfalz vorbildlich, welche auch gleiche Anteile von Frauen und Männern unter den Elternvertreter*innen fordern.

Quali­fi­zie­rung von Eltern­ver­tre­tungen

Die erfolgreiche Wahrnehmung eines Mandates in der Elternvertretung setzt Kompetenzen voraus, die nicht alle Erziehungsberechtigten von Haus aus mitbringen: Vertrautheit mit schulrechtlichen Grundlagen, Kenntnis der Qualitätsstandards erfolgreicher Schule-Eltern-Kooperation und darauf bezogener praktischer Gestaltungsmöglichkeiten, organisatorisches Geschick, Beherrschung von Gesprächsführungstechniken etc. Die Länder ergreifen unterschiedliche Qualifizierungsmaßnahmen, um diesem Bedarf abzuhelfen. In allen Bundesländern gibt es Handreichungen und Leitlinien für die Arbeit der Elternvertretungen, die meistens zusammen mit den Landeselternvertretungen entwickelt wurden. Darüber hinaus machen Lehrerfortbildungsinstitute, spezielle Koordinationsstellen oder besondere Projekte Fortbildungsangebote für Elternvertreter*innen. Zum Teil werden auch Fortbildungsaktivitäten von Elternverbänden unterstützt.

Bayern bildete in mehrwöchigen Kursen Lehrkräfte fort, die an allen Mittelbehörden der Schulverwaltung Elternvertretungen, Schulleitungen und Lehrkräfte in Fragen der Schule-Eltern-Kooperation beraten und auch schulhausinterne Fortbildungen in ihrem Amtsbereich durchführen. In Baden-Württemberg bietet die mit staatlichen Mitteln geförderte gemeinnützige Elternstiftung im ganzen Land Seminare für Elternvertreter*innen an, die von ehren-amtlichen Elternmentor*innen geleitet werden. Ein ähnliches flächendeckendes Fortbildungsangebot gibt es in Sachsen, wo eigens ausgebildete Elternmitwirkungsmoderator*innen an jeder staatlichen Schule auf Verlangen Veranstaltungen zur Qualifizierung von Elternvertrer*innen durchführen.

Für eine von wechselnden politischen Verhältnissen unabhängige Qualifizierung von Elternvertretungen sorgten aber nur Bremen, Sachsen und Rheinland-Pfalz, indem sie entsprechende Fortbildungsmaßnahmen auch in den Schulgesetzen verankerten.

Räume und Sachmittel für Eltern­ver­tre­tungen

Wie effektiv Elternvertretungen arbeiten können, hängt nicht zuletzt von ihrer Ausstattung mit Räumen und Büromaterialien ab. Auch sollten Reisekosten und Verdienstausfälle erstattet werden, welche durch die Teilnahme an Fortbildungen, Tagungen und überregionalen Konferenzen entstehen. Hamburg, Hessen, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und das Saarland haben entsprechende Regelungen in die Schulgesetze aufgenommen. Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben Geschäftsstellen für ihre Landeselternvertretungen eingerichtet, Berlin zusätzlich auch solche für die Kreiselternvertretungen. Ob Geschäftsstellen auch mit Bürokräften ausgestattet sind, ist in den meisten Fällen nicht ersichtlich. Lediglich die Schulgesetze Brandenburgs, Hessen und Sachsen-Anhalts sehen eigens auch solches Personal vor. Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg hingegen verzichten überhaupt auf Geschäftsstellen für Landeselternvertretungen.

4. Eltern­ver­bände und Eltern­ver­eine

Außer den gesetzlich vorgesehenen Elternvertretungen gibt es zahlreiche Elternvereine, Elternvereinigungen und Elternverbände. Manche vertreten nur die Interessen der Eltern einzelner Schulen wie der Elternverein der Regenbogenschule in Nürnberg, die Elternvereinigung der Städtischen Grundschule in Sankt Vith und die Elternvereinigung der Europäischen Schule München. In anderen haben sich Eltern einzelner Schularten, Schulstufen und Schulformen zusammengeschlossen, wie im Bundesverband der Eltern der Gymnasien in Deutschland oder im Landeselternverband Bayerischer Realschulen, im Elternverein der Kölner Montessorischulen oder in der Elternvereinigung an den Gymnasien und Realschulen der Orden und anderer freier katholischer Schulträger in Bayern. Auch Eltern von Kindern mit besonderen Eigenschaften und Problemen sind in Vereinigungen organisiert, etwa in der Elternvereinigung hörgeschädigter Kinder in Hessen und in der Elternvereinigung für hoch-begabte Kinder. Zum Teil füllen Elternvereinigungen Lücken aus, welche der Gesetzgeber ließ, indem er es versäumte, Elterngremien auf Landes- und Bundesebene einzurichten. So nehmen in Bayern und Nordrhein-Westfalen Elternverbände der Schularten die Stelle von gesetzlich legitimierten Landeselternvertretungen ein, welche in den dortigen Schulgesetzen nicht vorgesehen sind. Der Bundeselternrat wurde am 11. Mai 1952 als freiwillige Arbeitsgemeinschaft der Landeselternvertretungen gegründet.

Elternverbände und Elternvereine stehen in mehr oder weniger intensivem Austausch mit den Schulen, mit der Bildungsadministration und mit der Bildungspolitik und leisten teilweise wichtige Beiträge zur Optimierung von Schule und Unterricht. Soweit sie nur aus Mitgliedern einzelner Schulen bestehen, sind sie aber häufig auch bloße Fördervereine.

5. Die Wirklich­keit der Eltern­par­ti­zi­pa­tion in den Schulen

Dass die Elternpartizipation in den Schulen unter den dargestellten Rahmenbedingungen im Großen und Ganzen suboptimal ist, kann nicht überraschen.

Unzurei­chende Kontakte zwischen Schule und Eltern

Häufige und intensive Kontakte zwischen Schule und Eltern sind zwingende Voraussetzung jeder effektiven Kooperation. An vielen Schulen werden aber Kontaktmöglichkeiten zu wenig angeboten und genutzt. Ein nicht geringer Teil der Eltern ist zurückhaltend oder entzieht sich Kontakten völlig. In einer bayerischen Befragung von mehr als 1000 Eltern (Sacher 2004; 2005) korrelierte die Häufigkeit des Besuchs von Sprechstunden, Elternabenden und Elternsprechtagen allenfalls schwach mit dem erlebten Nutzen. Das gibt Anlass zu der Vermutung, dass Eltern Kontakte zum Teil lediglich als Rituale unterhalten oder nur pflegen, um nicht als desinteressiert am Schulerfolg ihrer Kinder zu gelten.

Ein Großteil der Lehrkräfte beschränkt sich darauf, die verpflichtenden Kontakt- und Kooperationsangebote zu machen. Nur einige tätigen darüber hinaus Telefonanrufe bei Eltern, laden sie zu Gesprächen ein und schreiben häufiger Briefe und Rundbriefe an sie. Noch weniger Lehrkräfte sprechen Eltern bei zufälligen Begegnungen an, holen Feedback von Eltern ein, organisieren Elternstammtische oder bieten Hospitation in ihrem Unterricht an.

Unter­ent­wi­ckelte Kontakte in der Eltern­schaft

Unterentwickelt sind auch die Kontakte innerhalb der Elternschaft. Meistens haben nur Schülereltern derselben Klasse und Jahrgangsstufe etwas mehr Kontakt miteinander. Darüber hinaus bestehen Kontakte hauptsächlich aufgrund von Nachbarschaft, gleicher Herkunftskultur und gleicher Religionszugehörigkeit. Häufig klagen Eltern über einen Mangel an gegen-seitiger Information und über fehlenden Zusammenhalt in der Elternschaft. Verbreitet sind stattdessen Einzelkämpfertum und ausschließliches Eintreten für die Interessen des eigenen Kindes.

Geringes und einseitiges Engagement von Eltern­ver­tre­tungen

Das unter solchen Bedingungen zustande kommende Engagement von Elternvertreter*innen ist in vielerlei Hinsicht wenig zufriedenstellend. Die meisten kennen nur einen Bruchteil der Elternschaft, deren Interessen sie zu vertreten vorgeben. Umgekehrt sind auch vielen Eltern die Elternvertreter*innen ihrer Schule nicht persönlich bekannt, häufig wissen sie nicht einmal ihre Namen. Nur extrem wenige nehmen Beratung, Unterstützung oder Vermittlung von Elternvertreter*innen in Anspruch, und viele haben den Eindruck, Schul- und Klassenelternbeiräte engagierten sich nicht für sie und ihre Kinder. Auch die Kommunikation zwischen Elternvertretungen und Lehrkräften ist vielerorts unzureichend. Während Schulelternräte zumindest in dem einen oder anderen Gremium auf Lehrkräfte treffen, fehlt meistens ein regelmäßiger Austausch zwischen Lehrkräften und Klassenelternsprechern. Regelmäßige Kontakte zwischen Eltern- und Schülervertreter*innen außerhalb des Schulforums findet man so gut wie nirgends.

Selbst untereinander halten Elternvertreter*innen oft viel zu wenig Kontakt. Bei Schulelternräten und regionalen und überregionalen Gremien sichern obligatorische regelmäßige Sitzungen ein Mindestmaß an Kontakt, Kommunikation und Kooperation. Aber Klassenelternbeiräte tauschen sich nur selten untereinander und mit Schulelternräten aus.

Die Arbeit der meisten Elternvertreter*innen ist weitaus stärker auf die Lehrerschaft und auf die Schulleitung fokussiert als auf die Elternschaft. Sie helfen bei der Organisation von Schulfesten, Schulfahrten und anderen Veranstaltungen, wirken bei der Mittags- und Nachmittagsbetreuung und bei der Schulentwicklung mit und beteiligen sich an der Sponsorensuche. Sehr viel seltener bieten sie Gesprächstermine für Eltern an oder führen Veranstaltungen für Eltern durch. Die meisten Elternvertreter*innen erbringen viel häufiger Hilfsdienste für die Schule, das Lehrerkollegium und die Schulleitung als für ihre Elternschaft, und sie leisten auch mehr Hilfe als mandatslose Eltern. Abgesehen davon, dass sie mit dieser Selbstinszenierung als „Supereltern“ ihren eigentlichen Auftrag verkennen, ist dieses Verhalten auch oft kontraproduktiv, denn in Schulen, in denen Elternvertreter*innen besonders viel helfen, erbringen mandatslose Eltern besonders wenig Unterstützungsleistungen.

Nicht­re­prä­sen­ta­tive Zusam­men­set­zung von Eltern­gre­mien

Die Zusammensetzung vieler Elterngremien ist nicht repräsentativ für die Elternschaft der Schule. Vor allem Eltern aus bildungsfernen und sozial benachteiligten Schichten sowie Eltern mit Migrationshintergrund sind viel zu selten in solchen Gremien vertreten. Es ist zu befürchten, dass deshalb auch ihre Bedürfnisse nur unzureichend wahrgenommen und berücksichtigt werden.

Ungenutzte indivi­du­elle Parti­zi­pa­ti­ons­mög­lich­keiten für Eltern

Eltern machen im Großen und Ganzen Gebrauch von den Möglichkeiten, die Bildungslaufbahn ihrer Kinder mitzubestimmen und werden dazu von den Schulen durch schriftliche Mitteilungen und Bekanntmachungen sowie in besonderen Veranstaltungen informiert und beraten. Seltener werden Fragen der Bildungslaufbahn in Gesprächen zwischen einzelnen Lehrkräften und Eltern thematisiert. Meistens geht es in solchen persönlichen Gesprächen um konkrete Fragen des Lernens, des Verhaltens und der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Schulleben, Schulentwicklung und Unterrichtsgestaltung sind kaum Gesprächsgegenstand. Diesbezügliche Meinungen und Vorschläge der Eltern werden von vielen Lehrkräften auch gar nicht erwartet und tendenziell wohl oft auch nicht gewünscht. Dabei gäbe es eine Vielzahl von Entscheidungen auf Klassen- und Schulebene, in welche Eltern mit Gewinn einbezogen werden könnten. Auch Elternvertreter*innen bemühen sich oft viel zu wenig, die Eltern, welche sie repräsentieren, an ihrer Meinungsbildung und an ihren Entscheidungen zu beteiligen, obwohl Forschungsergebnisse zeigen, dass die individuelle Elternmitwirkung weitaus größeren Einfluss auf den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen hat als die kollektive Elternmitwirkung.

6. Systemische Entwicklung der Eltern­schaft als zentrale Aufgabe

Die Eltern­schaft als Quasi-­System

Das soziale System „Schule“ besteht aus den drei Subsystemen „Elternschaft“, „Schülerschaft“ und „Lehrerschaft“ beziehungsweise „Kollegium“, die unterschiedlich ausdifferenziert sind. Die „Elternschaft“ ist das am wenigsten entwickelte Subsystem, eigentlich nur ein Quasi-System. Anders als die Mitglieder der „Schülerschaft“ und der „Lehrerschaft“ leben die Eltern komplett außerhalb der Schule. Sie treffen einander nur selten und schon gar nicht regelmäßig, kommen praktisch nie vollzählig zusammen (auch nicht bei Schulelternversammlungen, Schulfesten und Schulfeiern) und haben deshalb wenig Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und zu kommunizieren. Bedingt durch die Verweildauer der Kinder und Jugendlichen an der Schule gibt es in der „Elternschaft“ eine weitaus höhere Personalfluktuation als in der „Lehrerschaft“. All das erschwert die über die amtlich vorgesehenen Vertretungsmandate hinausgehende Ausdifferenzierung von Rollen, die Akkumulation von Erfahrungen, die Entwicklung von Routinen und Traditionen und die Ausbildung einer „Corporate Identity“. Die „Elternschaft“ befindet sich somit gegenüber den anderen Subsystemen der Schule, ins-besondere gegenüber der „Lehrerschaft“, in einem erheblichen strategischen Nachteil, durch den die Kooperation zwischen Schule und Eltern sehr erschwert und in ihrer Effektivität beeinträchtigt wird. Das Systemniveau der „Elternschaft“ weiterzuentwickeln, muss folglich mit Mittelpunkt aller Bemühungen stehen, die Elternpartizipation in Schulen zu optimieren.

Die zentrale Rolle der Eltern­ver­tre­tung

Die zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung des Systemniveaus der „Elternschaft“ kommt der Elternvertretung zu. Sie muss die einseitige Fixierung auf die Unterstützung der Schule und der Schulleitung überwinden und sich bemühen, auch in die Elternschaft hinein zu wirken, indem sie Gelegenheiten zum gegenseitigen Kennenlernen und zur Kommunikation mit Eltern und unter Eltern organisiert und Kanäle für den regelmäßigen Austausch von Informationen schafft und bedient. In der Regel sind die gewählten Mandatsträger*innen damit überfordert, wenn ihnen nicht ein Unterstützerkreis von Aktiveltern, Bildungspat*innen, Elternmentor*innen, Elternbetreuer*innen, Bildungslotsen, „Home School Workers“, „Parent Liaisons” (wie auch immer man solche Unterstützer nennen mag) zur Seite steht. Nur zusammen mit solchen zusätzlichen Unterstützenden, an die Aufgaben delegiert werden können, ist auch eine vernünftige Aufgabenteilung und Rollendifferenzierung bei der Elternpartizipation möglich. Gewöhnlich gibt es mehr Eltern, die bereit sind, begrenzte und befristete Aufgaben zu übernehmen, als solche, die willens sind, für ein Vertretungsmandat zu kandidieren. Aber auch sich für ein solches zu entschließen, fällt Eltern leichter, wenn sie davon ausgehen können, als Mandatsträger einen Unterstützerkreis an der Seite zu haben.

Dem Umstand, dass Elternvertretungen häufig nicht repräsentativ sind für die Zusammensetzung der jeweiligen Elternschaft, lässt sich durch Kooptierung in Elterngremien begegnen, das heißt durch Berufung weiterer Mitglieder mit beratender Funktion. Zumindest die Einladung von Eltern aus nicht repräsentierten Gruppen ist überall und jederzeit möglich. Auch Eltern, deren Kinder die Schule schon verließen, könnten bei Bedarf auf diese Weise weiterhin in die Gremienarbeit eingebunden werden, um für mehr Kontinuität zu sorgen.

Unter­stüt­zung durch die Schul­lei­tung

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Elternvertretungen von sich aus die Aufgabe einer systemischen Weiterentwicklung der „Elternschaft“ erkennen und in Angriff nehmen. Die traditionelle Praxis der schulischen Elternpartizipation und die rechtlichen Vorgaben sind wenig geeignet, ihre Aufmerksamkeit auf diesen zentralen Bereich ihrer Tätigkeit zu lenken. Deshalb kommt dem Subsystem „Lehrerschaft“ – insbesondere der Schulleitung – eine hohe Verantwortung zu, Elternvertretungen auf diese Aufgabe hinzuweisen und entsprechende Aktivitäten anzuregen und zu unterstützen, auch wenn es in manchen Fällen zu Lasten von Hilfeleistungen der Eltern und Elternvertreter*innen für die Schule geht. Im Idealfall wird die Entwicklung des Systems „Elternschaft“ in das Schulentwicklungsprogramm der Schule aufgenommen. Schulleitungen können ein Übriges tun, indem sie Elternvertreter*innen auch an ihren Verbindungen zu einflussreichen Personen, Organisationen und Institutionen am Ort und in der Region teilhaben lassen und damit dem Qualitätsstandard des „power sharing“ nachkommen, der im englischsprachigen Raum für Elternarbeit an Schulen allgemein anerkannt ist.

7. Zusam­men­fas­sung

Der vom Bundesverfassungsgericht in Auslegung des Grundgesetzes erhobenen Forderung eines „Zusammenwirkens“ von Schule und Eltern wird in den Schulgesetzen der Länder und in der Praxis nur unvollkommen entsprochen.

Mitwirken und mitentscheiden können Eltern überwiegend bei organisatorischen Regelungen und bei Fragen des Schullebens. Hierfür werden Hilfeleistungen von Eltern von der Schule gerne gesehen und von Eltern auch hinlänglich erbracht. Hinsichtlich des Kerngeschäftes „Unterricht“ werden Eltern aber nur Informations- und Vorschlagsrechte zugestanden. Häusliche Unterstützung des schulischen Lernens ihrer Kinder wird von den Eltern erwartet, aber nur selten durch konkrete praktische Hinweise angeleitet. Noch weniger ist die Erziehungspraxis in den Familien mit ihren Voraussetzungen Gegenstand des von den Gesetzen geforderten und in den Schulen praktizierten Zusammenwirkens von Eltern und Schule. Weder die Schule noch die Eltern sind offenbar sonderlich motiviert, in den Kernbereichen ihrer pädagogischen Aufgaben zusammenzuwirken. Teilweise erschweren datenschutzrechtliche Bestimmungen zusätzlich ein solches Zusammenwirken.

Das Zusammenwirken von Eltern und Schule ist auch insofern entwicklungsbedürftig, als individuelle Partizipationsmöglichkeiten für alle Eltern nur sehr begrenzt gewährt und genutzt werden. Das Schwergewicht der Elternpartizipation liegt sowohl in den Schulgesetzen als auch in der Praxis auf der kollektiven Partizipation der Elternvertreter*innen und Elterngremien, die häufig aber nicht repräsentativ zusammengesetzt sind, so dass fraglich bleibt, ob auf diese Weise wirklich die Interessen aller Elterngruppen ausreichend berücksichtigt wer-den.

Auch die Arbeit der Elternvertretungen ist nach dem Willen des Gesetzes und in der Praxis überwiegend auf die Unterstützung der schulischen Bildung und Erziehung ausgerichtet. Die gewählten Vertreter*innen und Gremien informieren Eltern über diese, sichern ihre Akzeptanz durch die Eltern und tragen ihre Anregungen und Vorschläge an die Schule heran, wo-bei auch hier der Bereich des Unterrichts weitgehend ausgespart bleibt. Die Unterstützung der Elternvertretungen durch die Schule geht kaum über ihre Versorgung mit Informationen und über die Ermöglichung der ordnungsgemäßen Abwickelung der entsprechenden Wahlen hinaus. Insbesondere das Hineinwirken der Elternvertretungen in die Elternschaft, das An-bahnen und die Pflege von Kontakten in dieser und die Organisation von gegenseitiger Unterstützung der Eltern bleibt weithin dem Belieben der Elternvertreter*innen überlassen. Dass diese rasch überfordert sind, wenn ihnen nicht ein breiter Unterstützerkreis aus der Elternschaft zu Seite steht, wird selten wahrgenommen, und noch seltener kommt es vor, dass die Schule hilft, solche Unterstützer zu gewinnen. Elternvertretungen werden überhaupt weitgehend mit der Aufgabe allein gelassen, sich zu einem handlungsfähigen Subsystem der Schule zu entwickeln und sich als solches zu stabilisieren.

Bei der Partizipation von Eltern in den Schulen ihrer Kinder geht es nicht bloß um die Wahrnehmung eines Mitbestimmungsrechtes, wie es Bürger*innen einer demokratischen Gesellschaft auch in anderen Institutionen und Organisationen zusteht, sondern um die bestmögliche Förderung der Kinder und Jugendlichen, die nur in einem uneingeschränkten Zusammenwirken aller Beteiligten möglich ist. Die Optimierung der Elternpartizipation lässt sich nicht durch bloße Änderungen der gesetzlichen Grundlagen und das Einräumen weitergehender Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte für Eltern und ihre Vertretungen erreichen. Es bedarf vielmehr eines ganzen Bündels weiterer Maßnahmen, darunter auch Elternbildungs- und Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote für Elternvertreter*innen und der Ausstattung von Elternvertretungen mit benötigten Ressourcen.

 

Prof. Dr. Dr. Werner Sacher war Lehrer an Hauptschulen, bevor er nach einem Zweitstudium, Promotion und Habilitation 1991 auf eine Professur an der Universität Augsburg berufen wurde und von 1996 bis 2008 den Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Universität Erlangen-Nürnberg innehatte. Er arbeitet über Schul- und Bildungsgeschichte, Medienpädagogik, Unterrichtstheorie und seit 2004 vor allem über die Kooperation zwischen Schule und Eltern. Sacher ist Wissenschaftlicher Berater des Bayerischen Elternverbands. Wichtige Veröffentlichung: Kooperation zwischen Schule und Eltern – nötig, machbar, erfolgreich! Grundlagen, Forschungsstand und praktische Gestaltung. 3. Aufl., Bad Heilbrunn.

 

Literatur

Sacher, Werner 2004: Elternarbeit in den bayerischen Schulen. Repräsentativ-Befragung zur Elternarbeit im Sommer 2004, Nürnberg.

Sacher, Werner 2005: Erfolgreiche und misslingende Elternarbeit. Ursachen und Handlungsmöglichkeiten, Nürnberg.

nach oben