Bayern - Bericht von der Landesversammlung und weitere Neuigkeiten
In: Mitteilungen 244 (01/2021), S. 21 – 24
Bericht von der Landesversammlung
Am 30. Juni 2021 fand die außerordentliche Landesversammlung mit Nachwahlen statt. Gewählt wurden Dr. Christa Scholtissek, Henning Hintze und Dr. Hans-Joachim Schemel. Ein erster Schritt zu einem arbeitsfähigen Vorstand ist damit getan, jetzt gilt es, die beschlossenen Anträge (und auch neue Ideen) umzusetzen.
Wegen der Corona-Maßnahmen haben wir uns vor der Landesversammlung nur in kleiner Runde getroffen. Als Aktivitäten seit November sind zu nennen
– Grußwort von Dr. Hans-Joachim Schemel auf der Online-Veranstaltung des Bundes für Geistesfreiheit München am 7. Januar 2021 (mit Konstantin Wecker, HG Butzko, Andreas Rebers und Gerhard Haderer) zum sechsten Jahrestag des Attentats auf Charlie Hebdo
– Mitarbeit in der AG „Corona-Krise und Grundrechte“
– Diskussion von aktuellen Themen
– Kontakt mit anderen Organisationen.
Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) zur Einschränkung der Meinungsfreiheit/Versammlungsfreiheit in München durch den Beschluss des Münchner Stadtrates liegt vor. Der ehemalige Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH), Peter Vonnahme, dazu: „Das Urteil des VGH vom 17. 11. 2020 … ist ein Meilenstein im Kampf für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Der VGH hat mit großer Klarheit ausgesprochen, dass der Kläger einen Rechtsanspruch auf Überlassung eines städtischen Veranstaltungssaales („öffentliche Einrichtung“ im Sinne des Art. 21 Absatz 1 Satz 1 GO) hat“ (siehe https://www.heise.de/tp/features/Ein-Meilenstein-fuer-die-Meinungsfreiheit-4967833.html ). Leider kündigte der Münchner Oberbürgermeister sofort, ohne die Urteilsgründe im Detail zu überprüfen, die Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht an. Damit wird eine rechtskonforme Praxis der Raumvergabe in München noch weitere Jahre auf sich warten lassen.
Der Münchner Stadtratsbeschluss beruft sich bei der Definition des Begriffs Antisemitismus auf die erweiterte Arbeitsdefinition der IHRA (das gilt auch für die Beschlüsse anderer Städte und für den Beschluss des Deutschen Bundestages, Ds. 19/10191). Die IHRA-Arbeitsdefinition ist jedoch kein wirksames Instrument gegen Antisemitismus (unverbindlich, vage), wird aber häufig instrumentalisiert, um legitime Kritik an der Besatzungspolitik der israelischen Regierung und ihren Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen zu unterbinden bzw. als antisemitisch oder antiisraelisch zu diffamieren. Am 26. März veröffentlichten mehr als 200 renommierte Holocaustforscher/innen sowie Wissenschaftler/innen aus dem Bereich der Antisemitismusforschung, Judaistik und Nahoststudien aus Israel, den USA und Europa die „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ (https://jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deutsch_final.pdf). Die Erklärung wäre eine Alternative zur IHRA-Arbeitsdefinition und ein brauchbares Instrument zur Bekämpfung jeder Form vom Judenfeindlichkeit wie auch zur notwendigen Unterscheidung zwischen Antisemitismus und legitimer Kritik an israelischer Regierungspolitik.
Leider fand die „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ bisher nur eine geringe öffentliche Resonanz. Wir meinen eine intensive Befassung wäre überfällig, gerade vor dem aktuellen Konflikt in Israel und Palästina.
Zur IHRA- Arbeitsdefinition noch eine Nachbemerkung. Das Auswärtige Amt verweigert die Beantwortung von Anfragen zum Beschluss der Arbeitsdefinition in der IHRA-Konferenz 2016 in Bukarest. Dass AA begründet die Ablehnung u.a. mit
– den nachteiligen Auswirkungen auf Internationale Beziehungen, § 3 Nr. 1 a IFG und
– dem Schutz personenbezogener Dritter, § 5 Nr. 1 IFG. Damit befördert das AA geradezu Spekulationen, die die „Legitimation“ des IHRA-Beschlusses anzweifeln, anstatt sie auszuräumen.
Initiative „Giesing Denk(t)mal“
Die Initiative „Giesing Denk(t)mal“ in München (vom Unterzeichner initiiert) stößt mit ihrem Vorschlag, aus dem Kriegerdenkmal ein Friedensmal zu machen, auf Ablehnung bzw. die konkrete Befassung wird auf ‚die lange Bank‘ geschoben, Anträge werden erst nach Monaten bearbeitet und abgelehnt usw. (siehe Süddeutsche: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/obergiesing-das-kreuz-mit-der-kunst-1.5236923). Deshalb haben wir Anfang Juni in einer öffentlichen Kunstaktion das kriegsverherrlichende Monstrum verhüllt. Süddeutsche u.a. berichteten.
Reiner Bernstein gestorben
Kurz nach Veröffentlichung seines letzten Buches „Allen Anfeindungen zum Trotz“ starb Reiner Bernstein. Reiner Bernstein war Träger unseres Preises „Aufrechter Gang“ (zusammen mit seiner Frau Judith Bernstein) und Mitglied der Humanistischen Union. Micha Brumlik schreibt in der FR in seinem Nachruf : „Unermüdliche Vernunft“ u.a.: „… – ein Zeitgenosse, der sich wie kein anderer stets und vor allem für eine vernünftige, friedliche Lösung des Israel/Palästinakonflikts eingesetzt hat.“ (siehe: https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/nachruf-unermuedliche-vernunft-90212866.html). Brumlik erwähnt auch die Genfer Initiative und seinen Einsatz für die Verlegung von Stolpersteinen in München.
Hohe Wertschätzung für Reiner (und Judith) Bernstein zeigte auch der Bundespräsident: „Seine Urteilskraft, aber auch seine Warmherzigkeit und sein „aufrechter Gang“ werden all denen fehlen, die Ihren Mann kannten. Mit seiner Haltung hat Reiner Bernstein zur demokratischen und politischen Kultur in unserem Land beigetragen. Dafür werde ich ihm persönlich dankbar sein.“ Das klingt doch deutlich wertschätzender, als verschiedene Beiträge in unserer Diskussion: „Zum Antisemitismus, Antisemitismusvorwurf und die Grenzen der Meinungsfreiheit“ bei unserer Mitgliederversammlung 2018 mit Volker Beck in Berlin!?
Fritz Bauer
Ohne jedes Zutun der HU schlug der ehem. bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle Fritz Bauer für die Walhalla („marmorne Schädelstätte“ so Heinriche Heine) vor. War es ein „göttlicher Ratschlag“ (s. Ludwig Thoma), auf den die bayerische Staatsregierung so lange wartete oder war es einfach die Einsicht, dass es viel schlauer ist, Inhalte und Personen zu vereinnahmen und für seine eigenen politischen Zwecke zu instrumentalisieren?
Bei Interesse senden wir Ihnen gerne weitere Informationen zu den angeschnittenen Themen in unserem Bericht, auch über Rückmeldungen würden wir uns freuen.
Wolfgang Stöger, München