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Böcke als Gärtner

vorgängevorgänge 2601/1977Seite 16-19

Zu einem „Weißbuch zur Rettung der Sprache”.

aus: vorgänge Nr.26 (Heft 2/1977), S.16-19

Man muß Sprache nicht schon zum Fetisch oder Sakralgegenstand erheben, um ihre Gefährdung, ihren möglichen Verfall als Unglück aller Unglücke zu fürchten. Gerade wer in ihr das Selbstverständliche sieht, in dem Menschen sich und ihre Wirklichkeit artikulieren und so erst eigentlich konstituieren, hat allen Anlaß, sich um sie und ihren unbeschädigten Bestand zu sorgen. Kein Zweifel auch, daß heute solche Sorge, aus vielerlei Gründen, besondere Berechtigung hat. So darf ein publizistisches Unternehmen, das nichts weniger als die „Rettung der Sprache” zu seinem Ziel erklärt, zweifellos gespannter Aufmerksamkeit sicher sein. Dies umso mehr, wenn sich als Mentoren Deutscher Autorenrat und Freier Deutscher Autorenverband dazu bekennen und mit dem ambitiösen Titel „Weißbuch” der respektgebietende Anspruch dokumentarischer Gültigkeit erhoben wird. [Weißbuch zur Rettung der Sprache. Herausgegeben im Auftrag des Deutschen Autorenrates und des Freien Deutschen Autorenverbandes. Langen Müller Verlag, München/Wien 1976, 221 Seiten, DM 19,80]
„Rettung” – das setzt unmittelbar bevorstehenden Untergang voraus, der vielleicht gerade noch abzuwenden ist. Woran ist er zu erkennen, welches sind seine Zeichen? „Mißbrauch und Verbildung der Sprache in Schule, Medien und Politik” nennt summarisch der Rückseitentext – konkret führen die elf Beiträge des Bandes die folgenden „Symptome” an: „Überfremdung”, d.h. allzu reichliche Verwendung von Fremdwörtern – Sprach-verderbnis durch die Werbung – Kult mit „Modewörtern” – „Umfunktionierungen” im Wortschatz, „Aushöhlung der Begriffe” – „künstliche Kultivierung” von Fach- und Spezialsprachen -„Abkehr von der gewachsenen Sprache“ zugunsten experimenteller Artistik bei vielen zeitgenössischen Autoren, die Neigung anderer zum „Jargon der Straße”, zur „niedrigsten Umgangssprache„ – last not least: die neue Lesebuchgestaltung seit Mitte der sechziger Jahre.
Ein seltsames Gemisch von „Befunden”, das skeptisch stimmt. Sehen wir zu. Daß mit Fremdwörtern gegenwärtig besonders viel Unfug, smart oder nicht, getrieben wird, wer wollte es bestreiten? Da wird „gejettet”, „gepusht” und „gecheckt”, daß es (k)eine Art hat. Sicher sind auch „Feeling”, „Out”- oder „In“-Sein durchaus entbehrlich. Doch: „Job”, „Prestige”, „Law and Order” (vom „Weißbuch” bemängelt) – da stock ich schon. „Beruf”, „Ehre”, „Recht und Ordnung” – das hat nicht nur anderen Klang, das meint auch anderes. Viele, möglicherweise die meisten, zumal unserer neuen Fremdwörter dürfen nicht fehlen, da uns mit ihnen auch die je besondere Sache abginge, für die ein genau angemessenes deutsches Wort – bislang – nicht zur Verfügung steht. Das kann nur rabiaten Puristen als revolutionäre Erkenntnis gelten. Blindlings „Überfremdung” fürchtet ohne dies nur, wer nicht weiß, daß die lebendigsten, produktivsten Sprachen weniger in berührungsängstlicher Reinhaltung als kräftiger Vermischung erzielt wurden. Dennoch – der Fremdwort-Hinweis verdient Beachtung, auch wenn hier gewiß kein totaler Sprachuntergang abzuwenden ist.  Gleichermaßen ernstzunehmen sind ohne Zweifel die beträchtlichen Schädigungen durch das „Werbedeutsch”, dem Hansjörg Maus einen weithin solide analysierenden Beitrag widmet (den wohl besten, weil sachkundigsten des Bandes). Womöglich wäre angesichts der in diesem Jargon schlechte Gewohnheit gewordenen Simplifizierungen, Inf antilisierungen, Brutalisierungen am ehesten von akutem Sprachverfall zu reden, den „schöpferische Neuprägungen„ a la „frischwärts”, „Bahnland” und „Kurlaub” in der Tat nur noch beschleunigen können. Die den „Weißbuch“-Autoren nächststehende Branche, die der Verlage, blieb merkwürdigerweise ausgespart. Ihr wären nicht minder eindrucksvolle Exempel zu entnehmen gewesen – sind doch seit Jahren alle neu- und wiedererscheinenden Romane ausnahmslos „groß”, wird uns vom jeweiligen Autor ausschließlich „Bestes” und „Schönstes” sowie unermüdlich „Liebenswürdiges” zum pausenlosen „Lesevergnügen” angeboten, von den Jahrhundertwerken „wie ein Faustschlag”, „wie ein Stein”, „ein Orkan”, „eine Blume” und dergleichen zu schweigen. Maus plädiert – sehr ehrenwert – für einen „vernünftigen Umfang” der Werbung, dafür, daß sie über ihr „Verhältnis zur Sprache” nachdenkt -, er übersieht den prinzipiell „unvernünftigen” Charakter der Werbung unter heutigen Bedingungen: Nicht oder jedenfalls nicht allein mit den Mitteln rational überzeugender Argumentation, sondern nur durch eine Worte und Werte zynisch nivellierend in bedenkenloser Beliebigkeit einsetzende Reiz- und Suggestivpropaganda lassen sich dem Markt maximale Anteile entreißen.
„Weißbuch“ – Klagepunkt Nummer drei verdient wiederum grundsätzlichen Beifall: „Modewörter”, wer stimmte nicht zu, sind eine Plage und jedem Sprachempfindlichen ein Graus. Auch hier allerdings ist sehr die Frage, ob das ewige „ehrlich”, „echt” und „schick”, ob auch „frustrieren” und „verunsichern” unvermeidlich bereits den allfälligen Untergang „der Muttersprache” anzeigen. Schließlich gab es zu allen Zeiten „Mode-wörter”, darunter sehr gehaltvolle von erlauchter Herkunft und epochalem Klang – man denke an Rousseaus „Natur”, Byrons „Weltschmerz”, Nietzsches und seiner Nachfahren „Leben” samt Komposita. Wenn das nicht „in Mode” war (und bis heute – immer mal wieder – ist) ! Es kommt auf die Substanz, die geschichtlich wirksame und regenerierbare Kraft eines „Modewortes” an. Was sagt es gegen „Entfremdung”, „Emanzipation”, „Demokratisierung”, wenn Seminaristen und Versammlungsredner sie verschleißen, solange diese Wörter – besser als andere – Fakten und Forderungen bezeichnen, deren realer Sinn unverkümmert blieb? Das gilt in gleicher Weise durchaus für sehr andersartige einstige „Modewörter”, wie „Volk”, „Nation” oder Herders und Hegels ehrwürdigen, dem „Weißbuch” unverdächtigen „Volksgeist”, der auch einmal sehr gefragt war. Es mag sogar für etliche Schlüsselbegriffe des unseligen „Jargons der Eigentlichkeit” gelten, an dessen Spätfolgen wir heute noch laborieren.
Übrigens: Weder dieses für das Adenauer-Jahrzehnt so charakteristische Gewächs noch die gegegenwärtig heftigst strapazierte „Tendenzwenden“-Phraseologie finden im „Weißbuch” die verdiente kritische Erwähnung. Selbst die gute, alte, immer noch nicht totgerittene „Nostalgie” – nun wirklich das Modewort der Modewörter! – kommt nicht vor. Sollte sie den „Weißbuch“ – Autoren weniger bedenklich erschienen sein als die „Emanzipation” oder der – zugegeben etwas ramponierte – „Fortschritt„? Spätestens hier, an derart willkürlicher Selektion, erkennt auch der ahnungslose Leser parteiische Einseitigkeit, die nicht Zufall ist. Absichtlichkeit wird vollends deutlich, wo es um die sogenannten „Umfunktionierungen” des Wortschatzes geht, stillschweigendes Unter-schieben sinnverkehrender oder auch nur -modifizierender Bedeutung. Auch hier möchte man spontan zustimmen: Wer könnte das gefährliche Ausmaß der Sprachmanipulation und ihre verheerenden Folgen ignorieren – einer Manipulation, die vorzugsweise das nichtssagend-verharmlosende oder beschönigende Wort für eine üble, mindestens frag-würdige Sache setzt oder umgekehrt eine andere, vielleicht diskutable von vornherein durch wohlkalkuliertes Negativ-Vokabular „erledigt”? So erwartete man im Interesse eines Pluralismus, der allein überzeugende „Objektivität” verbürgt, Hinweise auf die Zu-mutungen einer technokratischen Verwaltungssprache, die absichtsvoll ein „Neuwort” von so teuflischer Allgemeinheit wie „Entsorgung” erfand, wo tödliche Strahlungsgefahren ein rundes Jahrtausend hindurch zu „besorgen” sind; die im Medienbereich euphemistisch „Ausgewogenheit” fordert, wo die politischen Macht-Gewichte im Gegenteil nachdrücklich zu eigenen Gunsten verschoben werden sollen – auch auf eine gewisse Publizistik, die verfassungsrechtlich garantierte Demonstrationen p r i n z i p i e l l „Krawalle” nennt, die angesichts einer Million Erwerbsloser von „freigesetzten Arbeitskräften” und „Entspannungen auf dem Arbeitsmarkt” redet. Geben unsere Sprach-„Retter“ auch solche Hinweise? Sie geben sie nicht, sie finden „Tatsachenvernebelung” und verbale Stimmungsmache allein bei „linken” Demagogen. Was für eine „Ausgewogenheit” dieses „Weißbuchs”, das ganz offensichtlich ein hochwichtiges „berechtigtes Anliegen” – Bewahrung einer intakten, mit sich selbst identischen Sprache – zu eindeutig polemischen Zwecken mißbraucht! Das „Rettet die Sprache!” erweist sich als böses Täuschungsmanöver: Nicht so sehr um „die Sprache” ist es den zur „Rettung” Angetretenen zu tun – mit sorgsam auswählender, gezielter „Sprachkritik” soll vielmehr die S a c h e jener „ganzen Richtung” getroffen werden, die einem „nicht paßt”. Der Trick: Man denunziert den Gegner als Sprachfeind schlechthin, erklärt ihn ideologischer Zersetzungsarbeit für schuldig, steht aber mitnichten auf einer höheren Warte als der einer eigenen (Gegen-)Ideologie.
Wie sehr die vorgebliche Mission dieses Unternehmens Sprachrettung anderen, weiter-gesteckten Zielen dient, daran läßt selbst der eher gemäßigte Alt-Konservative Hubertus Prinz zu Löwenstein keinen Zweifel, wenn er die „Verflochtenheit„ von „Niedergang des Gemeinwesens” und „Verfall der Sprache” betont: „So setzt”, fährt er fort, „die staatliche, die politische Wiederbelebung eine solche der Sprache voraus, und diese wiederum ist nur möglich in einer staatlichen Ordnung, die zumindest den Willen hat, den sittlichen, geschichtlichen und politischen Niedergang zu überwinden” (S 15). Was heißt hier „Niedergang”, was ist das für eine „Wiederbelebung”, was für eine „staatliche Ordnung” ist gemeint?
Richard W. Eicherl – bekannt vor allem als nimmermüder Streiter wider eine nach wie vor „entartete” Kunst – zitiert gar Nietzsches Wort, wonach „in Zukunft der Kampf um die Macht„ (!) „in erster Linie ein Kampf um die Machtübernahme im Reiche der Sprache sein” werde. Das mag stimmen – es stimmte auch 1933 -, aber wir sollten sehen, daß diese Sprach-Macht – die nicht das Ergebnis von Vergewaltigung sein kann – in Händen der Demokraten bleibt. Wer Sprache im übrigen per se nur als Mittel zur Erringung von Macht sieht, erweckt den Eindruck, es gehe ihm vordringlich um diese, nicht um Sprache. Keineswegs um Sprache allein jedenfalls geht es Karl Götz („Träger des volksdeutschen Volkstumspreises”) und Hans-Jürgen Schmelzer in ihren Auslassungen zum deutschen Lesebuch und zum Deutschunterricht, einer wütenden General-Invektive gegen die Reformbestrebungen des letzten Jahrzehnts, die kurzerhand mit einigen unglücklichen Übertreibungen in ihrer Experimentierphase identifiziert werden. Da wandert pauschal alles, was über den Stand von 1960 hinausführte, in den Eintopf radikaler Gesellschaftsveränderung. Schon wer in den Lesebüchern, womöglich Billinger, Ina Seidel und Waggerl schädigend, die Akzente zugunsten der „von gewissen progressiven Literatur-diktatoren hochgelobten” (65) Thomas Mann, Kafka, Brecht, Döblin, Heinrich Mann, Camus, Sartre oder Hemingway (!!!) oder gar Böll und Enzensberger verlagerte; wer der Versuchung nicht widerstand, Alltags- und Umgangssprache (,‚die Straße”) gelegentlich ungeschminkt einzubeziehen; wer Dada und „konkrete Lyrik” für diskussionsfähig hielt und das Verständnis der schändlich überschätzten Handke, Krolow, Grass und Piontek zu intensiv zu fördern suchte -, ist linker Wühlarbeit dringend verdächtig.
Wer wissen will, wie weit bornierte Reaktion in Fragen des Faches Deutsch Anno 1977 wieder gehen kann oder möchte, nehme diese wüste Diffamierorgie sehr genau zur Kenntnis. Begreiflich, daß man nicht mag, wozu einem humorvoller, spielerischer Sinn oder Gespür für neue Sprachmöglichkeiten fehlen – läßt man sich aber schon deshalb dazu hinreißen, kaum verhüllt nach Säuberung und (Selbst-)Zensur zu rufen? Wie glaubhaft ist, so muß man fragen, unter solchen Umständen die eingangs vom Herausgeber beteuerte Selbstverpflichtung auf „Geistesfreiheit” und Toleranz“, die ja schließlich auch der Name des beauftragenden Verbandes nahelegt?
Die Abneigung gegen alles, was seit einem halben Jahrhundert an rechtens so zu nennender moderner Literatur geschrieben wurde, treibt in diesem „Weißbuch” die sonder-barsten, gleichwohl mickrigsten Blüten: Herr Georg Schwarz aus Nürtingen, laut Herausgeber „ein Mann vom Schlage eines Möricke (sic!),,, beklagt die „Einebnung der Lyrik”, ist gegen das Pseudo-, das „Skelettgedicht” und für das „echte”, das „Beschwörung” und „archaischen Ursprungs” sei. Eine beigefügte Arbeitsprobe läßt eher auf fünffach ver-dünnten Weinheberschen Ursprung schließen. Götz zuvor suchte den in Schwaben relativ wenig bekannten (!) Bobrowski, Lorca, Prevert, „Stanislaus Jerzy” (= Stanislaw Jerzy Lec) und „Rozwics” die wackeren Klein-Talente Ehrler und Watzlik, Griese und Dörfler entgegenzustellen. „Rotwelsche”, „Polit-Chinesen”, „New-Cowboys” und „Neo-Kosaken”, kurz „Landfremde” können diese freilich nicht genannt werden.
Wieweit man sich ferner auch außerliterarisch den simpelsten Vorurteilen überläßt, zeigen die plumpen Anwürfe gegen Spezialsprachen mißliebiger Wissenschaften, etwa von Psychologie, Soziologie, Politologie, die allesamt als „professorale Geheimsprachen” heruntergeputzt werden. Nun gibt es ohne Zweifel wirklich so etwas wie maniriert-snobistischen Mißbrauch von Fachterminologien‚ zum Zwecke persönlicher Aufwertung, was jedoch prinzipiell nichts über die Notwendigkeit solcher Terminologie sagt. Deren zunehmende Unanschaulichkeit und damit erschwertes Verständnis aber sind nun einmal Kennzeichen einer all-gemein unvermeidlichen modernen Entwicklung. Hier zurückschalten zu wollen, hieße auf wichtige Erkenntnisfortschritte und ihre Anwendung wider bessere Einsicht verzichten. Eben das scheint das Ziel der „Geheimsprachen“-Kritiker zu sein: die heile Welt einer längst verlorenen schlichten Unmittelbarkeit soll gewaltsam rekonstruiert werden. Hinter allen – auch berechtigten – Vorbehalten der Verwissenschaft-lichung der Sprache gegenüber macht sich indessen primitives Ressentiment gegen das „Intellektuelle” überhaupt bemerkbar – das „Akademische”, Ingeniöse, dem braven Gemüt nicht Zugängliche ist es, auf das untergründiger Haß sich richtet. „Je gelehrter, desto verkehrter”, wird der Volksmund mit Genuß zitiert. Seltsam bedrückend, Karl Steinbuch in dieser nicht sowohl „hinterweltlerischen” als „hinterwäldlerischen” Gesellschaft zu erblicken!
Zum schlimmen Ende muß es gestattet sein, Leute, die auszogen, die Sprache zu „retten”, beim Wort, bei ihrem eigenen, zu nehmen: Was ist das für eine Sprache, die sie selber sprechen, wie sie ja wohl das Muster des zu „Rettenden” darstellen soll? Da finden sich Wendungen und Floskeln wie die folgenden: „im Hausgärtlein der Worte und Begriffe”, „unverlierbare Menschheitswerte”, „das Sein schlechthin”, „das Innerste des Menschseins”, „Stunden des Schweigens, der Einkehr”, „in wahrhaft menschlicher Verantwortung, aus der Tiefe ihrer Seele”, „die hohen Sphären des Menschlichen und Göttlichen”, „Treibsand der Geschichte”, „der Sprache würdig begegnen”, also klapperndes, vernutztes Klischee von gestern bis vorgestern, wie es deprimierender nicht zu denken ist. (Bezeichnend genug, daß das Problem der hochtönenden gängigen Phrase, des überlieferten, doch entleerten Schlag„wortgutes” den „Weißbuch“-Schreibern nie in den Blick geriet!) Und weiterhin „will es mich dünken”, da „weiß” man „um”, geht es um „Be-lange” (oh seliger Grimm, dein Modewort!), „waltet der Geist der Jahrtausende”, gibt es aber auch „unerschrockene Kämpfer” und „Vorkämpfer”.
Den Vogel schießt Herausgeber Zierer persönlich ab, wenn er in seiner Durchlauf-Kolumne klassische Sätze wie diese erzeugt: „Der Kristall unseres Themas hat sich mit all seinen verschiedenen Facetten an uns vorübergedreht, und jeder einzelne Sektor …, jeder der vielen Aspekte des Verfalls und der inneren Auflösung hat seine Fixierung erfahren.” (245) „Das deutsche Volk – angesiedelt im Zentrum des historischen Zyklons und aus den Höllenzonen des Hitler-Reiches herauf-steigend …” (135) Chef-„Retter” Zierer warnt aber auch – und da hört der schadenfrohe Spaß auf – vor einer „Generation blutarmer, intellek-tueller (!) Geistespygmäen” (140), hier sprachlich selbst in die „Höllenzonen des Hitler-Reiches” eher wieder hinabsteigend!
Hätte – so in solchen Fällen die übliche Frage – nicht „wenigstens” ein verantwortungs-voller Lektor, Schlimmstes zu verhüten, mit beherztem Eingriff die „Retter” vor sich selber retten können? Zumal sich auch sachlich, d h literarisch, manches Fehlerhafte findet: Mörike heißt nicht „Möricke”, Timmermans nicht „Timmermanns”, Robert Prutz, wenn auch aufmüpfiger 48er, nicht „Putz”. Gerhard Mauz vom Spiegel ist mit Maunz, Theodor, ehemaliger Kultusminister, nicht zu verwechseln, und Gert „Dalow” wird im Kürschner nicht geführt. Keineswegs auch „quält sich” „in unserer Zeit” Hugo Ball kulturbolschewistisches Dada-„Gestammel“ „ab”, schwerlich darf Stefan George, da  44 Jahre tot, als großer Sprachschöpfer „unserer Tage” gerühmt werden. Aber was soll’s – auch beharrlichste lektorale Kleinarbeit hätte hier das Ganze kaum zu „retten” vermocht. Scheint sich das pompöse Rettungswerk dem Leser doch immer mehr auf den ver-ständlichen, aber vergeblichen Versuch reduzieren zu wollen, durch schrilles allgemeines Katastrophengeschmetter den eigenen dürftigen Sprach-Klang überhören zu machen. Selten wöhl trat so klägliche Insuffizienz mit absurderem Anspruch auf.

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