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Am Rechtsstaat sparen: Die neusten Straf­pro­ze­ßent­würfe

vorgängevorgänge 62-6306/1983Seite 118-123

aus: vorgänge Nr. 62/63 (Heft 2-3/1983), S. 118-123

»Dem Bundesamt liegt ein umfangreiches Gutachten des Max-Planck-Institutes vor, das u.a. auch eine synoptische Gegenüberstellung des türkischen Militärverfahrensrechts mit der deutschen Strafprozeßordnung enthält. Dieser Vergleich zeigt eine weitgehende Übereinstimmung, teilweise sogar eine liberalere Ausgestaltung des türkischen Militärverfahrensrechts…«
(Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in einer gutachtlichen Stellungnahme lt. Frankfurter Rundschau vom 9. 12. 1982)

»Denn der fundamentale Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einem Machtstaat offenbart sich… nicht zuletzt darin, wie ein Staat mit einem Beschuldigten umgeht, wie er die Rechte dessen ausgestaltet, demgegenüber er von seiner Strafbefugnis Gebrauch macht«.
(Bundesjustizminister Vogel 1974 vor dem Bundestag) [1]

Nach der Hektik, mit der in den 70er Jahren die Strafprozeßordnung bisweilen mehrmals in einem Jahr geändert worden war [2], ist es still um das Strafverfahren geworden; das letzte strafprozeßändernde Gesetz war am 1. Januar 1979 inkraft getreten. Bei näherem Hinsehen erweist sich die inzwischen eingekehrte Ruhe jedoch als trügerisch. Nachdem die 52. Justizministerkonferenz im Oktober 1981 beschlossen hatte, »alle irgend vertretbaren Möglichkeiten (auszuschöpfen), um das gerichtliche Verfahren zu vereinfachen und zu kürzen«, setzte bei den zuständigen Referenten der Justizministerien eine fieberhafte Aktivität ein, deren Ergebnis ein über 300 Seiten starkes Konvolut von »Verbesserungsvorschlägen« die 53. Justizministerkonferenz 1982 in Hamburg zustimmend zur Kenntnis nahm. Die Ministerrunde bat den Bundesjustizminister »im Rahmen der in Vorbereitung befindlichen Novelle zur Strafprozeßordnung auf der Grundlage dieser (auf 25 Thesen komprimierten) Vorschläge die notwendigen gesetzgeberischen Entlastungsmaßnahmen einzuleiten« [3].

Im Gegensatz zu den Strafprozeßgesetzen der 70er Jahre, die die Grenze zwischen staatlichen Machtbefugnissen und dem Noli-me-tangere-Anspruch des strafverfolgten Individuums aus der angeblichen Notwendigkeit einer »effektiveren Verbrechensverfolgung« immer weiter zugunsten der staatlichen Gewalt verschoben hätten und deren politischer Gehalt mit Händen zu greifen war, geben sich die neuen Gesetzesvorschläge betont unpolitisch.

Die Begründungen der Vorschläge sind rational, nüchtern und unpathetisch. Emphatische Bekenntnisse zu den vorgeblich hinter dem Strafprozeßrecht stehenden Werten »Wahrheit«, »materielle Gerechtigkeit«, »Subjektqualität des Beschuldigten« oder »Freiheit der Advokatur«, von denen die Begründungen der vorangegangenen Reformgesetze voll waren, fehlen völlig. Die neuen Werte heißen Ökonomie, Praxisgerechtigkeit, Schnelligkeit, Reibungslosigkeit und Sachgerechtigkeit. Das Strafprozeßrecht, das »symptomatische Bedeutung für den Geist einer Rechtsordnung« haben, ja sogar den »fundamentalen Unterschied zwischen einem Rechtsstaat und einem Machtstaat« offenbaren soll, wird in den neuen Entwürfen aller politischen Bezüge entkleidet. Die Justizbürokraten und ihre Minister propagieren ihre Vorschläge gerade so, als ginge es darum, eine neue Methode der Gebäudereinigung einzuführen und nicht um Kulturfragen ersten Ranges. Die Nonchalance, mit der staatsanwaltlichen Vernehmungen die Qualität richterlicher zugesprochen, eine Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler für »unnötig« erklärt, Unterscheidungen zwischen Oberlandesgericht und Bundesgerichtshof als »sachlich nicht gerechtfertigt«, Einflußnahmen der Verteidigung auf das Gerichtsprotokoll als »empfindliche Störung des Verfahrens« bezeichnet, die Verlesung beweiserheblicher Urkunden im Prozeß »unnötig« genannt und für förmliche Zustellung eines Urteils »kein Bedürfnis« gesehen wird, zeigt die Indifferenz der deutschen Justizminister gegenüber dem formalen Detail, daß die Justizförmigkeit eines Verfahrens ausmacht.

Gänzlich anders läuft dieses Mal auch das Verfahren der politischen Durchsetzung. Nicht mehr mit Fanfarenstößen und Pressekampagnen gegen die »Anwälte des Terrors«, sondern auf leisen Sohlen kommen die neuen Gesetze. Der politische Konsens wurde bereits im Vorfeld der Referentenentwürfe mit der Absichtserklärung der Justizminister hergestellt. Bei der Referentenarbeit waren die zuständigen Beamten des Bundesjustizministerium und der Länderministerien beteiligt. Konfrontationen zwischen Sozial- und Christdemokraten, zwischen Bund und Ländern werden vermieden. Bevor auch nur ein Referentenentwurf erstellt wird, ist allseitiger Konsens bereits hergestellt. Die Bundestagsmehrheit ist auf die Gesetze eingeschworen, der Bundesrat hat ihnen bereits zugestimmt. Das Gesetzgebungsverfahren ist nicht mehr als reine Formsache, rechtspolitischen Auseinandersetzungen wird so geschickt aus dem Wege gegangen.

Dabei liegen die 25 Vorschläge zur Entlastung der Gerichte exakt der Linie der vorangegangenen 7 strafprozeßändernden Gesetze, die sämtlich die Rechte des Angeklagten bzw. seines Verteidigers schmälerten und die Einflußbefugnisse der Staatsanwaltschaft ausweiteten. Zwar zielen nur zwei der Vorschläge direkt auf den Strafverteidiger. Konnten ihm bisher schon, wenn er schuldhaft die Aussetzung des Verfahrens verursacht hatte, die Kosten für den geplatzten Prozeß auferlegt werden, so sollen ihm in Zukunft auch diejenigen Kosten, die durch eine bloße Unterbrechung der Verhandlung entstehen, auferlegt werden. Würde mit einer solchen Regelung die ohnehin schon große Abhängigkeit des Verteidigers vom Gericht noch verstärkt, so würde ihn der Vorschlag Nr. 10 gänzlich unter die Aufsicht des Gerichts stellen: der Vorsitzende soll ihm das Wort zur Begründung von Anträgen entziehen können, »wenn die Begründung in keinem sachlichen Zusammenhang zum Verfahren steht oder zu einer sachlich nicht gebotenen Verzögerung der Hauptverhandlung führt«. Unter denselben Voraussetzungen soll ihm das Recht, Fragen an Sachverständige und Zeugen zu richten und das, Erklärungen abzugeben, »ganz oder teilweise« entzogen werden können. Damit hätte das Gericht es in der Hand, den Verteidiger gänzlich mundtot zu machen, ohne daß — wie bisher — der Wortentzug als Verfahrensfehler gerügt werden und zur Aufhebung des Urteils führen könnte.

In Wirklichkeit rütteln aber gerade diejenigen Vorschläge, in denen der Verteidiger nicht erwähnt wird, an den Grundfesten der Strafverteidigung. Macht man sich klar, daß die Schwerpunkte der Verteidigung bei der Beweisaufnahme und der Beachtung der formalen Prinzipien der Hauptverhandlung liegen und ihre einzigen Waffen das Wort und die

— stets unausgesprochen im Raum stehende — Drohung mit der Revision sind, so erkennt man, daß die Vorschläge auf eine völlige Ausschaltung des Strafverteidigers aus dem Prozeß hinauslaufen, wobei sie sich in ihrer Wirkung multiplizieren oder gar potenzieren:

In rund 95% aller Fälle soll es ein Verfahren geben, in dem

— der Beschuldigte kein Recht mehr hat, die Beweiserhebung zu beeinflussen (Vorschlag 11);

— polizeiliche Vernehmungsprotokolle als vollgültige Beweismittel gelten (Vorschlag 13 b);

— von der Verlesung aller schriftlichen Beweisstücke abgesehen wird (Vorschlag 12);

— dem Verteidiger jede Äußerung außer dem Schlußplädoyer untersagt werden kann (Vorschlag 10);

— ein befangener Richter nur unter wesentlich erschwerten Bedingungen abgelehnt werden kann (Vorschlag 1);

— der Beschuldigte auf den Inhalt des Protokolls, des einzigen gültigen Beweismittels zur Dokumentation der Hauptverhandlung, keinen Einfluß mehr hat (Vorschlag 15); Daß die Möglichkeit, ein solches Verfahren auf Verfahrensfehler überprüfen zu lassen, entfällt (Vorschlag 18), ist nur folgerichtig, wenn die Regeln, deren Einhaltung überprüft werden könnte, abgeschafft werden. Bei einem Spiel, in dem alles erlaubt ist, ist der Schiedsrichter überflüssig.

Gegen ein auf diese Weise gewonnenes Urteil gibt es nur das Rechtsmittel der Berufung, wobei die Berufungsverhandlung noch einmal von etlichen Förmlichkeiten befreit wird:

— staatsanwaltliche Protokolle können, wie bislang nur richterliche, verwertet werden (Vorschlag 13 a);

— das Urteil kann auf den Anklagesatz Bezug nehmen und braucht nicht mehr alle Vorwürfe detailliert aufzuführen (Vorschlag 14);

— dem Verteidiger kann auch hier jede Äußerung untersagt werden (Vorschlag 10);

— Schriftliches kann auch hier verwertet werden, ohne daß Verteidiger und Beschuldigter es kennen (Vorschlag 12);

— vor allem aber ist das Gericht vom Druck einer möglichen Revision befreit (Vorschlag 19). Die »Zulassungsrevision« wird, wie die Autoren richtig sehen, kaum eine quantifizierbare Entlastung der Revisionsinstanz, »wohl aber eine spürbare Entlastung der Berufungsinstanz bewirken«.

Die Verständnislosigkeit der Strafprozeßreferenten für rechtsstaatliche Mechanismen wird am deutlichsten in ihrer Einstellung zur Revision in Strafsachen, von der sie meinen, sie diene in erster Linie »der Einzelfallgerechtigkeit«4. Betrachtet man sie unter diesem Blickwinkel, so muß einem in der Tat das aufwendige Verfahren mit seiner Urteilsaufhebung und Zurückverweisung unverständlich bleiben. Daß gerade, weil es die Revision gibt, alle Gerichte gezwungen sind, justizförmig zu verfahren, d.h. peinlich genau die Gesetze einzuhalten, erscheint den Strafprozeßreferenten mehr als unangenehme und unerwünschte Nebenfolge. Dementsprechend zielt die geplante Reform weniger auf die minimale Ersparnis, die dadurch möglich wäre, daß einige der ohnehin sehr seltenen Revisionsverhandlungen unterblieben, als vielmehr auf eine Befreiung der Gerichte erster Instanz von dem Zwang, rechtsförmig zu verfahren: »Die Möglichkeit der unmittelbaren Revisibilität bewirkt einen größeren Zwang für den Tatrichter, die Verfahrensvorschriften anzuwenden. Umgekehrt wird faktisch jede Verringerung der Revisibilität von Verfahrensstößen den Tatrichter in die Lage versetzen, … etwas freier und dem Einzelfall angepaßter zu verhandeln, als es bei revisionssicherer Verhandlungsweise möglich ist«.

Die Entlastung der Justiz soll daher in erster Linie auf der Amtsgerichtsebene erreicht werden, wo über 90% aller Strafsachen verhandelt werden; das Verfahren soll dort weitgehend von aller Justizförmigkeit befreit und entformalisiert werden. Dabei war, als man die Revision in Strafsachen vor rund einhundert Jahren einführte, ihr gerade die Funktion zugedacht, sozusagen generalpräventiv die Einhaltung der Justizform zu erzwingen. Max Alsberg beschrieb daher die Revision als »ein Rechtsmittel, das weniger durch seine Anwendung im Einzelfall wirkt, als durch die Tatsache, daß es überhaupt existiert«6. Gerade dieser Effekt ist den neuen Reformern ein Dorn im Auge. Die Entformalisierung des erstinstanzlichen Regelverfahrens, die mit einer Vielzahl der oben dargestellten Maßnahmen erreicht wird, soll dadurch abgesichert werden, daß den Obergerichten die Möglichkeit genommen wird, neue Regeln, die ein Mindestmaß an Justizförmigkeit verbürgen, aufzustellen.

Schon in der Einleitung zu ihren Uberlegungen bekennen die Referenten, daß ihre Vorschläge »nicht durch Originalität glänzen« sollen. Ganz offen und ohne jede Scheu führen sie etwa bei dem Plan, das Beweisantragsrecht beim Amtsgericht abzuschaffen, aus, damit werde »an den Rechtszustand angeknüpft, der.., bis 1950 galt« [7]. Vergegenwärtigt man sich, daß 1950 bewußt auf jede Reform verzichtet wurde und lediglich das »typisch nationalsozialistische« Recht aus der StPO entfernt werden sollte, zudem noch, daß der Bundestag 1950 nicht gerade entnazifierungsfreudig war, so gewinnt dieser Bezug auf früher geltende Vorschriften erst recht seine Bedeutung. Die Mehrzahl der Vorschläge hat eine lange Geschichte. Ordnungsmaßnahmen gegen Verteidiger sind auf Intervention des Bundesrats 1876 [8] in die StPO aufgenommen (und 1925 von der Reichstagsmehrheit aus ihr entfernt [9]) worden. Das freie Beweisverfahren ist — immer wenn die Justizbürokratie via Notverordnungsrecht oder Verwaltungsgesetz Herrin über den Inhalt des »Reichsgesetzblattes« war, immer wieder in den Strafprozeß eingeführt worden [10]. Die Rechtsmittel sind bei denselben Anlässen stets verkürzt worden.

»Typisch nationalsozialistisch« ist dabei weniger jede einzelne Maßnahme als vielmehr die hinter ihr stehende Verfahrensauffassung, die. »überspannte Bindungen und Schranken« als »Hemmnisse« auf dem Weg zu »materieller Gerechtigkeit im Einzelfall« [11] ansah und als alleiniges Ziel des Strafprozesses akzeptierte, »zum Zwecke der Aburteilung einer Straftat möglichst gründlich, möglichst schnell und mit geringstem Kostenaufwand« [12] zu produzieren. Die »Tendenz zur Auflockerung des Strafverfahrens« [13], die seine Anpassungsfähigkeit erhöhte, hat — wenn auch die Nationalsozialisten kein Urheberrecht für derlei Vorstellungen beanspruchen können — in der Zeit von 1933 bis 1945 zur Beseitigung sämtlicher individueller Rechte geführt, bis schließlich als Konsequenz der Entformalisierung die »Strafrechtspflege« für ganze Bevölkerungsgruppen der Polizei übertragen wurde. [14]

Auch wenn die Diktion der Referentenvorschläge die der Haushaltsexperten ist, darf die technokratische Bestimmtheit, mit der die Ersparnisvorschläge dargelegt und begründet werden, nicht darüber hinwegtäuschen, daß die tatsächliche Ersparnis — im fiskalischen Sinne — mehr als ungewiß ist (»zu einer exakten Quantifizierung von Be- und Entlastungswirkungen sieht sich die Arbeitsgruppe jedoch nicht in der Lage« [15]). Als vor 50 Jahren teilweise dieselben Vorschläge mit der »Diktatur der Armut« begründet wurden, haben profilierte Juristen schon darauf hingewiesen, daß viele dieser Vorschläge das Verfahren vermutlich nicht verbilligen, sondern eher verteuern werden. Die Ersparnis liegt wesentlich darin, daß der Staat ohne große Mühe mit dem angeklagten Bürger verfahren kann. Für diese Erwägung spricht immerhin, daß dieselben Vorschläge, die 1924 mit der Notwendigkeit des Staates, mit seinen Feinden schneller fertig zu werden (Staatsnotstand), 1931/32 mit der »Diktatur der Armut«, 1933 ff mit »Führerprinzip« und »völkischem Rechtsdenken« und 1975 ff mit der Effektivierung des Strafrechtsschutzes legitimiert wurden, heute mit der Fiskalkrise begründet werden. Die Justizministerbeschlüsse verfolgen, auch wenn sie sich in ihrer scheinbaren Sachlichkeit
und technischen Rationalität von den polemischen Gesetzesvorschlägen der 70er Jahre abheben, exakt deren Linie: zurück, möglichst weit, möglichst hinter 1877.

Die heute so offensiv propagierte geistig-moralische Wende hat in der Strafrechtspolitik schon vor einem Jahrzehnt begonnen.

Verweise

1 Dieser Beitrag ist die — leider notwendige — Fortführung des Aufsatzes »Beschleunigtes Verfahren oder kurzer Prozeß?« (vorgänge 4/1978, S. 14 fE). Das damals kritisierte Gesetz ist als StVÄG 1979 am 1. 1. 1979 (BGBI 1978 1, 1645) in Kraft getreten.
2 Zur Erinnerung  — Das Abhörgesetz vom 8.9. ]97] (BGBl 1, 1513) schuf die Voraussetzungen für die »Überwachung des Fernmeldeverkehrs« ( § 100a u. a StPO).
— Das Gesetz zur Änderung der StPO vom 7.8. 1972 (BGBI 1, 1361) erweiterte die Möglichkeit, Untersuchungshaft ohne speziellen Haftgrund zu verhängen ( § 112 a StPO).
— Mit dem 1. Strafverfahrensreformgesetz vom 9. 12. 1974 wurde das Recht der Verteidigung, Erklärungen abzugeben, beschränkt ( § 257 Abs. 2 StPO), der Beschuldigte verpflichtet, vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen — er kann mit Zwangsmitteln dazu gezwungen werden ( § 163 a StPO), auch Zeugen und Sachverständige können von der StA zur Aussage gezwungen werden (§261 a) — die Staatsanwaltschaft darf seither Papier durchsehen, Zeugen und Sachverständige auswählen und »leiten«, und schließlich gewisse Vermögensstraftaten selbständig ahnden.
— Nach dem Ergänzungsgesetz zum 1. StVRG vom 20. 12. 1975 ist die Zahl der Wahlverteidiger auf 3 beschränkt ( § 137 StPO), die gemeinschaftliche Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen Verteidiger verboten ( § 146), eine Verhandlung ohne den Angeklagten möglich ( § § 231 a u. b StPO) und der Ausschluß des Strafverteidigers aus dem Prozeß möglich ( § § 138 a ff. StPO).
— Das »Anti-Terror-Gesetz« vom 18.8. 1976 (BGBI 1, 2181) ließ bei Verdacht eines Vergehens nach § 129 a StGB die Überwachung des Schriftverkehrs zwischen Verteidiger und inhaftiertem Beschuldigten zu, führte die automatische Untersuchungshaft bei einem solchen Verdacht ein, erweiterte die Wirkungen des erst kurz zuvor eingeführten Verteidigerausschlusses und verschärfte das anwaltliche Ehrengerichtsverfahren. — Das Kontaktsperre-Gesetz vom 30.9. 1977 (BGBI 1, 1877) ermöglichte, bei einem Verdacht nach § 129 a StGB jeden Kontakt eines Untersuchungshäftlings zur Außenwelt — auch zu seinem Verteidiger — zu unterbinden.
— Mit dem »Razzien-Gesetz« vom 14.4. 1978 (BGBI 1, 497) wurde ein Stück Polizeirecht in die Strafprozeßordnung übernommen. Ohne daß ein konkreter Verdacht gegen jemanden vorliegt, sondern wenn nur der Verdacht besteht, eine Straftat könne begangen worden sein, kann die Polizei Kontrollstellen errichten, bei denen sie Personen festhalten und — ebenfalls ohne daß ein Verdacht gegen sie vorliegt — erkennungsdienstlich behandeln ( § 111 StPO). Das Gesetz erweiterte die Durchsuchungsbefugnisse der Polizei in erheblichem Umfang ( § § 103, 105, 108 StPO). Darüber hinaus erweiterte das Gesetz erneut die Möglichkeiten des Verteidigerausschlusses und führte bei Gesprächen zwischen Verteidiger und dem inhaftierten Beschuldigten der Verdacht einer Straftat nach § 129a StPO vorliegt.
— Das StVAG 1979 (vom 5 10. 1978, RGBI I, 1645) erschwerte die Ablehnung eines befangenen Richters ( § 29 StPO), schloß die Revision gegen falsche Gerichtsbesetzung aus, indem es dem Verteidiger auferlegte, vor Beginn der Verhandlung die Besetzung zu prüfen ( § § 222 a u. b), schaffte das Beweisrecht der Verteidigung, d.h. das Recht, durch Vorlage eines Beweismittels eine Verwertung zu erzwingen, ab ( § 245 StPO) und beschleunigte das Ehrengerichtsverfahren gegen Rechtsanwälte.
3  53. Konferenz der Justizminister und -senatoren vom 28. – 30. September 1982 in Hamburg. Punkt 6 der Tagesordnung: Maßnahmen der Gerichte und Staatsanwaltschaften auf dem Gebiet der Strafrechtspflege. Zwar hat der — ehemalige — Justizminister Schmude postwendend am 30. September 1982 einen Referentenentwurf vorgelegt, der die wesentlichen Entrechtungen der Justizminister nicht enthielt und punktuell die StPO sogar liberalisieren wollte. Es handelte sich freilich eher um einen symbolischen Akt in den letzten Stunden seiner Amtszeit.
5  5.21 der Referentenvorschläge
6  35. Deutscher Juristentag (1928) Bd. I  S.478
7 S.28 der Referentenvorschlage
8 vgl. I. Müller, Rechtsstaat und Strafverfahren (1980) 5.64 f.            9 Ges. vom 13.2.1926 (RGBl  I,99)                                                                                                    10 So bei der »Emmeringer-NotVOa vom 4.1.1924 (RGBI 1, 15) der NotVO vom 14.6. 1932 (RGBI 1, 285) und anläßlich der StPO-Novelle vom 26.6. 1935 (RGBI 1, 844)
11 Henkel, Das deutsche Strafverfahren (1943) S.227
12 Schwarz, Der Nationalsozialistische Strafprozeß, in: H. Frank (Hrsg.) Nationalsozialistisches Handbuch für Recht und Gesetzgebung, 2. Autl. 1937, 9.1470
13 Schäfer, Deutsches Strafrecht 1935, 5.247 f.
14 vgl. G 1 der 13. VO zum Staatsbürgergesetz
15 S.12 der Referenienvorschläge
16 vgl. Hellwig, Juristische Wochenschrift 1932, 5.2672

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