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Inhalt und Schranken der Demon­s­tra­ti­ons­frei­heit des Grund­ge­setzes

aus: vorgänge Nr. 62-63 (Heft 2-3/1983), S. 67-84

I. Historische Voraus­set­zungen und politische Funktion der Versamm­lungs­frei­heit

Die Verfassungsgarantie der Versammlungsfreiheit, nimmt man sie beim Wort, enthält nichts anderes als eine pure Selbstverständlichkeit: Daß die Menschen sich friedlich und ohne Waffen versammeln, also in kleineren oder größeren Gruppen aus beliebigen Motiven, Absichten und Interessen treffen, mutet geradezu als eine banale Trivialität an, als Beschreibung einer allgemeinen gattungsspezifischen Verhaltensweise.

1. Die souve­rä­ni­täts­kon­sti­tu­tive Funktion der Versamm­lungs­frei­heit

Das Recht, sich zu versammeln, erhält seinen spezifischen Sinn erst in einer Gesellschaft, in der die Isolierung der Individuen voneinander im Prozeß der individuellen Reproduktion zum sozialtypischen Regelfall geworden ist mit der Folge, daß die Erledigung der gemeinsamen Geschäfte der Gesellschaft die Ausdifferenzierung einer staatlichen Zentralinstanz erfordert [2]. Die in diesem gegenüber der Gesellschaft verselbständigten Machtzentrum monopolisierte Befugnis der Rechtsetzung bedarf der institutionell garantierten Rückkopplung an die Funktionsmechanismen der ökonomischen wie kulturell-sozialen gesellschaftlichen Reproduktion. Diese wird in den frühbürgerlichen, liberal-domokratischen Gesellschatstheorien durch die Versammlung der stimmfähigen, dh regelmäßig der männlichen Besitzbürger garantiert, die sowohl die ursprüngliche Verfassung (contrat social) beschließt als auch in Wahlen und Abstimmungen über ihre politische Repräsentanten sowie die personelle Besetzung der staatlichen Organe entscheidet [3]. Die Garantie der Versammlungsfreiheit aller Bürger ist folglich die Garantie einer kollektiven, öffenlichen Organisationsform, die allein erst ermöglicht, daß die von- und gegeneinander isolierten Individuen sich als politisches Subjekt, als Souverän konstitutieren können.

2. Versamm­lungs­frei­heit, staatliches Gewalt­mo­nopol und Wider­stands­recht

Die Versammlungsfreiheit umfaßt stets nur das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, das Recht zu bewaffneten Zusammenkünften wird — wenn überhaupt — nur implizit im Rahmen des Widerstandsrechts gewährleistet. Voraussetzung der Formulierung eines solchen generellen Friedfertigkeits- und Waffenlosigkeitsgebots ist die Brechung und Liquidierung der Herrschaft einer feudalen Klasse, deren politisch-soziale Macht sich wesentlich auf dem Privileg des Waffenbesitzes und damit der Fähigkeit zur Ausübung physischer Gewalt gründet. Das Recht zur friedlichen, waffenlosen Versammlung korreliert insoweit der Errichtung des staatlichen Monopols auf die Ausübung körperlichen Zwangs und setzt damit die Entwaffnung der Gesellschaft, ihre Pazifizierung in Form gesicherter, im Zweifel staatlicherseits durchsetzbarer Rechtsbeziehungen voraus [4]. Originäre Zwangsbefugnisse stehen dem Staat in seiner bürgerlich-rechtsstaatlichen Gestalt nicht zu, vielmehr bedarf er für ihren Einsatz jeweils der Ermächtigung, sei es in Form des allgemeinen Gesetzes oder in Form der Proklamation des Ausnahme- und Kriegszustandes. In dieser rechtsstaatlich-demokratisch rationalisierten Konstruktion der Staatsgewalt, derzufolge die Gewißheit gesetzlicher Freiheit an die Stelle persönlicher Gewaltunterworfenheit getreten ist, gründet das staatliche Gewaltmonopol auf gesellschaftlicher Delegation. Seine Mobilisierung unterliegt daher einer strikten rechtlichen Kontrolle.
Überschreitet oder mißbraucht die Exekutive ihre Eingriffsbefugnisse im Einzelfall, so kann hiergegen die Hilfe der Gerichte angerufen werden [5]. Verweigern diese offensichtlich jeglichen Rechtsschutz oder sprengen Teile des Staatsapparates eigenmächtig die konstitutionellen Fesseln ihres Gewaltpotentials, so fällt das Recht zur Ausübung physischer Gewalt wieder an die Gesellschaft, und d.h. an die einzelnen oder zu beliebigen Teilen versammelten Bürger zurück: In Form des Widerstandsrechts nimmt die demokratische Fundamentalnorm, derzufolge alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, materielle Gewalt an [6]. In Abgrenzung zu diesem Recht bzw dieser Pflicht zur unfriedlichen Versammlung zwecks Verteidigung der Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaates bezieht sich die Garantie der Versammlungsfreiheit auf den verfassungsmäßigen »Normalzustand« der Staatsgewalt; insofern ist sie die friedliche Variante des Widerstandsrechts unter konstitutionellen Bedingungen

3. Der plesbi­zi­täre Charakter der Demon­s­tra­ti­ons­frei­heit im Spannungs­ver­hältnis zu den Mechanismen parla­men­ta­ri­scher Reprä­sen­ta­tion

Die Freiheit, in aller Öffentlichkeit für oder gegen etwas zu demonstrieren, ist bezogen auf die Integrationsmechanismen politischer Herrschaft eine ambivalente Verfassungsgarantie. Demonstrationen fallen aus dem Rahmen des parteimäßig aggregierten und parlamentarisch kanalisierten Opponierens und manifestieren den regellosen plebiszitären »Druck der Straße« gegen das repräsentative System. In diesem Sinne fungiert die Demonstrationsfreiheit zugleich als notwendige Bedingung eines politischen Frühwarnsystems, das — in der Sprache der Systemtheorie — Störpotentiale anzeigt, Integrationsdefizite sichtbar und damit auch Kurskorrekturen der offiziellen Politik möglich macht, zumindest aber den Unzufriedenen gestattet, Unmut und Kritik öffentlich zu ventilieren und abzuarbeiten. Trotz solcher möglicherweise systemstabilisierenden Leistungen bleibt die Demonstrationsfreiheit ein Stachel im Parlamentarismus: der Schritt von der individuellen, den Instanzenweg einhaltenden Kritik zur demonstrativen kollektiven Aktion, von der institutionell vermittelten und staatlich kontrollierten Opposition zum unmittelbaren öffentlichen Protest macht den politischen Gewalten den Alleinvertretungsanspruch zur Wahrnehmung der gemeinsamen Geschäfte der Gesellschaft streitig, widerspricht der »Geschäftsführung« punktuell oder systematisch. Entsprechend prekär sind daher immer auch die staatlichen Reaktionen auf demonstrativ propagierte Forderungen. Konzessionen an Demonstranten laufen Gefahr, vom Publikum der nicht-demonstrierenden Staatsbürger als das Eingeständnis politischer Versäumnisse, als Prämie auf den außerparlamentarischen Weg der Interessenverfolgung oder aber als Ausdruck mangelnder »Wehrhaftigkeit« der staatlichen Ordnung interpretiert zu werden. Repressive Maßnahmen hingegen sind unter Umständen geeignet, unerwünschte Solidarisierungseffekte zu erzeugen und einen Mangel an Gelassenheit zur Schau zu stellen, der die Frage nahelegt, ob nicht das Anliegen der Demonstranten am Ende doch berechtigt ist.

Das Spannungsverhältnis zwischen den durch die klassischen politischen Freiheitsrechte der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verbürgten plebiszitären Formen der politischen Willensbildung und -artikulation des Volkes und der durch periodische Wahlen von Repräsentanten legitimierten, autonomen Willensbildung des Staates findet regelmäßig in den bürgerlich-demokratischen Verfassungen seinen Ausdruck darin, daß diese Rechte nicht schrankenlos garantiert sind.

In der revolutionären Entstehungsphase der bürgerlichen Gesellschaft jedenfalls in Frankreich war dagegen das Vertrauen in die »Vernunft« des Volkes, die normative Kraft und Richtigkeit der politischen Selbstaufklärung der mündigen Bürger noch derart fundamental, ja selbstverständliche Gewißheit, daß der Verfassungsgesetzgeber der Französischen Republik vom 24. Juni 1793 seiner Scheu sichtbaren Ausdruck gab, derartige demokratische Selbstverständlichkeiten überhaupt in den Katalog der Menschen-und Bürgerrechte aufzunehmen. So heißt es in der »Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers«:

»7. Das Recht, seine Gedanken und Meinungen mitzuteilen, sei es durch die Presse oder auf jede andere Weise, das Recht, sich friedlich zu versammeln … können nicht verwehrt werden«. Sodann folgt der Entscheidende Zusatz: »Die Notwendigkeit, diese Rechte zu verkünden, besteht beim Vorhandensein oder der frischen Erinnerung des Despotismus« [7].

Im Bewußtsein der Französischen Revolution sind Meinungs- und Versammlungsfreiheit derart mit dem demokratischen Prozeß identisch, daß ihre Statuierung als Menschen- und Bürgerrecht allein in polemischer Abgrenzung gegenüber der Despotie des Absolutismus erforderlich erscheint. Diese radikal-demokratische Emphase der Verfassung von 1793, die insbesondere auch die Bestimmungen über die Souveränität und das Widerstandsrecht charakterisiert, dauerte jedoch nur kurz: Bereits die Verfassung der Französischen Republik vom 22.8.1795 [8] enthält keinerlei Hinweise mehr auf den Schutz der Versammlungsfreiheit, die Freiheit kollektiver Willensäußerung oder ein Widerstandsrecht, sondern begrenzt abstrakt allgemein die Freiheit eines jeden durch die Rechte der anderen (Ziff. 2). Die Verfassung der restaurierten Monarchie vom 4. Juni 1814 [9] schließlich stellt selbst die Freiheit der Meinungsäußerung unter den Vorbehalt des Gesetzes, »welche die Mißbräuche dieser Freiheiten unterbinden sollen« (Ziff. 8).

Spätere bürgerlich-demokratische Verfassungen gingen mit den konstitutionellen demokratischen Freiheitsrechten weniger selbstsicher um als die Französische Verfassung von 1793, enthalten meist die ausdrückliche Garantie der Versammlungsfreiheit. Sie werden mit anderen Worten in der Weise selbstreflexiv, daß auch die politisch-sozialen Voraussetzungen der demokratischen Organisation der Staatsgewalt in den Rang einer verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsposition erhoben und als solche fixiert werden.

Uneingeschränkte Geltung wird der Versammlungsfreiheit selten eingeräumt; insbesondere für Versammlungen unter freiem Himmel findet sich häufig die Einschränkung, daß sie »gänzlich den Polizeigesetzen unterworfen bleiben« (Art. 19 der Staatsverfassung Belgiens vom 7.2.1831) [10], die »Rechte oder die Freiheit des anderen und die öffentliche Sicherheit als Grenzen« haben (Art. 8 der Verfassung der Französischen Republik vom 4.11.1848) [11] »bei dringender Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit verboten werden können« (Art. 161 Paulskirchenverfassung vom 28.3.1849) [12], durch Gesetz »anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden« können (Art. 123 der Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919) [13] oder generell wie nach Art. 8 Abs. 2 des Grundgesetzes durch Gesetz beschränkt werden können.

Diese zum Teil sehr weitreichenden Ermächtigungen zur Beschränkung der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit belegen, daß durchweg auch in bürgerlich-parlamentarischen Regierungssystemen die Verfassungsgarantie der Demonstrationsfreiheit als ein riskantes Freiheitsversprechen angesehen wird, daß die demokratische Idee der ldentität von Herrschenden und Beherrschten unter Bedingungen der Ausdifferenzierung und weitgehenden Verselbständigung einer politischen Herrschafts- und Entscheidungsinstanz, des Staates, Fiktion ist und bleiben muß — auch dann, wenn die Ausübung der Staatsgewalt konstitutionell gebunden ist und ihre Legitimität formal demokratisch an den Prozeß der politischen Willensbildung des Volkes rückgebunden ist. Die insbesondere durch die Demonstrationsfreiheit verbürgte Möglichkeit, dem Widerspruch zwischen der demokratischen Idee der Freiheit von Fremdbestimmung und politischen Realität sinnlich erfahrbare Gestalt zu verleihen, kann je nach Verfassungskonstruktion mehr oder minder stark eingeschränkt werden; doch dadurch wird die Existenz dieses Widerspruchs und die Schärfe, die er in einer jeweiligen politisch-sozialen Konstellation einer Gesellschaft angenommen hat, bloß negiert, seine Ausdrucksmöglichkeit staatautoritär unterdrückt.

Die aktuell wachsende Bereitschaft zu demonstriereren, verweist auf eine abnehmende Bereitschaft, die Entscheidungen der gewählten politischen Organe als Ergebnis angemessener Interessenrepräsentation hinzunehmen. Die staatlichen Institutionen neigen in Phasen der Infragestellung, der Legitimität ihrer Herrschaftsausübung, wie die skizzierte Entwicklung der Rechtsprechung und Gesetzgebung in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren deutlich gemacht hat, gleichsam aus einem verselbständigten, »naturwüchsigen« Interesse der Erhaltung und Stabilisierung der Funktionsmechanismen des politisch-administrativen Systems dazu, den legalen Handlungs- und Artikulationsspielraum des verfassungsrechtlich legitimierten kollektiv-öffentlichen Protests »von unten« einzuschränken.

Daß dies den Beifall der konservativen Staats- und Verfassungstheorie findet, die seit eh und je das Erfordernis demokratischer Legitimation der Staatsgewalt als einen nicht hinzunehmenden Verlust an substantieller Autonomie staatlicher Souveränität‘ beklagt hat, verwundert nicht. Die Wiederaufnahme der autoritären, frühabsolutistischen Staatslehre von Thomas Hobbes in Zusammenhang mit den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Demonstrationsfreiheit entspricht diesem misanthropischen, vernunftskeptischen Zivilisationsverständnis, welches allemal mehr ehrfürchtiges Vertrauen in die — wie auch immer legitimierte — Staatsgewalt als in die Volksgewalt besaß und die Rechtsordnung (welches auch immer die Qualität dieses Rechtes sei) in erster Linie als Zwangsordnung zur Sicherung des Landfriedens, als Friedensordnung begreift [14].

Bemerkenswert — und weniger leicht in ihren antidemokratischen Implikationen identifizierbar — ist jedoch, daß der Prozeß der Einschränkung basisdemokratischer politischer Freiheitsrechte zunehmend aus den Spielregeln des demokratischen Prozesses selbst legitimiert wird [15]. Darin wird das parlamentarische Repräsentationsprinzip und die durch Parteien sowie öffentliche und private Massenmedien dominierte Öffentlichkeit zur allein legitimierten Veranstaltung des demokratischen Prozesses erhoben, welche unmittelbar plebiszitäre Ausdrucksformen des Volkes als unangemessene Einmischung einer ihrerseits nicht demokratisch legitimierten Minderheit begreift und aus dem universalistischen Geltungsanspruch demokratischer Verkehrsformen ausgrenzt. Diese staatsabsolutistische Fassung des parlamentarisch-repräsentativen Mehrheitsprinzips verengt den Demokratiebegriff auf seine Funktion, legitime staatliche Herrschaft zu küren und verdrängt dabei, daß auch diese nur Herrschaft in einer demokratischen Gesellschaft ist und sein kann: Staatlicher Autorität ist es unter diesen konstitutionellen Bedingungen prinzipiell verwehrt, sich vom demokratischen Prozeß und der unbedingten Respektierung der politischen Freiheitsrechte — und sei es auch nur auf Zeit, bis zum nächsten Wahltermin —, zu dispensieren; sie steht im Gegenteil unter dem verfassungsrechtlichen Gebot, die (gewiß prinzipiell nicht aufhebbare) Kluft zwischen politischer Fremdbestimmung und demokratischer ldee der autonomen Selbstbestimmung aller jedenfalls nicht weiter zu vertiefen.

Wird demokratisch entliehene Herrschaft durch Regierungen eben hierzu benutzt — und dies in fundamentalen Fragen gesellschaftlicher Reproduktions- und Überlebensperspektiven — so tritt die Logik der innenpolitischen Konfrontation, der Freund-Feind-Bestimmung an die Stelle demokratischer Identität des Gemeinwesens. Diese zu verteidigen wird dann zur Kernfunktion der basisdemokratischen Freiheitsrechte. So gesehen verteidigt deren systematische Beschneidung nicht die politische Demokratie, sondern deren Einengung in Namen eines formalisierten Mehrheitsprinzips.

II. Der verfas­sungs­recht­liche Geltungs­an­spruch des Art. 8 Abs. 1 GG: Versamm­lungs­frei­heit als Verbürgung politischer Autonomie und demokra­ti­scher Opposition

Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit entfaltet in verschiedenen Dimensionen freiheitsverbürgende Wirkungen, deren korrellierende Schutzzonen sich wie folgt ausdifferenzieren lassen:

  • Die Versammlungsfreiheit enthält primär ein    Stück allgemeiner menschlicher Handlungsfreiheit.
  • Sie stellt mehr noch als bloß symbolische Kommunikation wegen der physischen Präsenz der Akteure »die unmittelbarste Ausdrucksform der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft, eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt dar [16]« (wie das BVerfG in bezug auf die Meinungsfreiheit mit einem gewissen Pathos festgestellt hat).
  • Sie enthält das Versprechen, frei von Angst vor staatlicher Sanktion oder Benachteiligung sich am Prozeß öffentlicher Meinungs- und Willensbildung beteiligen zu können.
  • Sie gestattet, sich zu diesem Zweck freizügig in der Bundesrepublik zu bewegen.
  • Sie schließt das Recht zur Kollektivhandlung ein und gestattet die situationsbezogene Gruppenbildung zur Verfolgung beliebiger Interessen.
  • Sie enthält das Recht, gesellschaftlichen Entwicklungen wie auch staatlichen Entscheidungen zu widersprechen, für Alternativen zu werben und zu mobilisieren und enthält damit einen Rest ungebrochener Souveränität des Volkes gegenüber seinen Repräsentanten.
  • Sie konstituiert im logischen, wie im historischen Sinn überhaupt erst die gattungsspezifische Möglichkeit, sich politisch zu organisieren und ist damit die fundamentale Voraussetzung jedes demokratischen Gemeinwesens, wie dies noch im Begriff der verfassungsgebenden Nationalversammlung aufscheint.

In seiner Ensemblewirkung stellt die Garantie dieses Freiheitsrechts klar, daß die Etablierung der Volksherrschaft im Modell der repräsentativen Demokratie den permanenten Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes voraussetzt, um politische Souveränität zu konstituieren und vermittels der Bildung einer staatsunabhängigen öffentlichen Meinung auf die Entscheidungen der Staatsorgane Einfluß nehmen zu können. Mit der Garantie der politischen Aktivrechte ist in der Tradition liberal-demokratischer Verfassungen die Ausübung einer legitimen, gegen den Staat gerichteten politischen Gegengewalt verfassungskräftig legalisiert.

Die einer kritischen Öffentlichkeit zugewiesene Funktion, das politische System als Ganzes zu reproduzieren und zugleich die demokratische Identitätsbildung zu optimieren, gründet in dem der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie eigenen Dilemma, daß die Herrschaft des Volkes gebrochen (mediatisiert) ist und der Staat gleichwohl im Interesse eines kontinuierlichen Funktionsablaufs auf eine dauerhafte demokratische Legitimationsbasis angewiesen ist.

Die systemnotwendige Rückkopplung von Staat und Gesellschaft im Medium der Öffentlichkeit enthält die Chance, das stets prekäre Verhältnis von gesetztem Recht und politischer Moral öffentlich zu thematisieren, d.h. die Frage nach der Vernünftigkeit von Gesetzen zu stellen und damit die Legitimität und Rationalität staatlicher Entscheidungen radikal in Zweifel zu ziehen und womöglich mit alternativen Lösungsstrategien zu konfrontieren.

In dem Maße, wie staatliche Entscheidungen, wie etwa im Bereich der Großtechnologie. Sachverhalte schaffen, die nicht oder nur schwer revidierbar sind, entfällt freilich die Geschäftsgrundlage dafür, daß eine Opposition als künftige Regierung die Verhältnisse in ihrem Sinn gestalten kann [17]. Damit geht die demokratische Logik der öffentlichen Freiheits- und Kommunikationsrechte ins Leere, Opposition wird wegen der Unabänderlichkeit staatlicher Entscheidungen in die Rolle einer Fundamentalopposition gedrängt. Es erscheint daher verfassungsrechtlich zwingend geboten, Entscheidungen von solcher Qualität (unbeachtet aller Abgrenzungsschwierigkeiten im Einzelfall) unter erhöhte demokratische Legitimationsanforderungen zu stellen — etwa durch das Quorum einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit oder in Form von Plebisziten bzw. der Zustimmungsbedürftigkeit der betroffenen Gebietskörperschaften.

Nach der konkreten politisch-sozialen Funktion, die der Demonstrationsfreiheit einen spezifischen Stellenwert im Kontext der notwendigen verfassungstheoretischen Verortung politischer Gestaltungsrechte zuweist, ist der Wesensgehalt des Art. 8 Abs. 1 GG im Sinne des Art. 19 Abs. 2 GG wie folgt zu bestimmen:

1. Demonstrativen Kundgebungen eignet Unmittelbarkeit der politischen Artikulation, in der die physische Präsenz der Bürger selbst ein Stück Gegengewalt manifestiert, und zwar nicht in der verbalsprachlich durch Medien institutionalisierten und monopolisierten Kommunikation, sondern als der Form nach nonverbale öffentliche Massenkommunikation, in der der Einsatz des Körpers das Medium ist, um die Verbreitung einer bestimmten Meinung quer zur kanalisierten Meinungsbildung praktisch zu ermöglichen.

2. Komplementär zur Meinungsfreiheit des Art. 5 GG, die nach h.M. nur auf einen geistigen Wirkungsbereich abstellt [18], gestattet die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Abs. 1 GG durch die Sinnfälligkeit des kollektiven Protestes und der Opposition auf öffentlichen Straßen, Plätzen und Parks Aufmerksamkeit zu erregen, um so in einer für die Öffentlichkeit merkfähigen Weise die vielfältigen selbstverständlichen und selbstgefälligen Demonstrationen staatlicher Macht augenfällig zu konterkarieren. Die gezielte Demonstration alternativer Zielsetzung erhält nur dann einen Sinn, wenn es gelingt, die Interessenfilterung der Massenmedien zu durchbrechen und damit den Markt konkurrierender Meinungen überhaupt erst wieder zu eröffnen. Von daher ergibt sich die Notwendigkeit, die Wahrnehmung dieses politischen Freiheitsrechtes speziell wegen seiner herrschaftskritischen Funktion zu privilegieren.

In seiner früheren, noch liberal geprägten Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht ein solchermaßen begründetes Schutzinteresse jedenfalls für die Meinungsfreiheit prinzipiell anerkannt: »Die Aufmerksamkeit und das Verantwortungsbewußtsein des Staatsbürgers, der Mißstände nicht nur zur Kenntnis nimmt, sondern sich auch für deren Abstellung einsetzt, ist eine wesentliche Voraussetzung für den Bestand der freiheitlichen demokratischen Ordnung. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung verdient, wenn es diesem Ziel dient, besonderen Schutz« [19.] Die Meinungsfreiheit hat das BVerfG in einem inzwischen klassisch geworden Zitat »als schlechthin konstituierend« [20] für den demokratischen Prozeß bezeichnet und hieraus »ein grundsätzliches Recht der freien politischen Betätigung« [21] abgeleitet, wobei es der Versammlungsfreiheit gleichermaßen wie der Meinungsfreiheit, der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit und dem Petitionsrecht die Funktion; zugewiesen hat, »die Freiheit der Meinungs- und Willensbildung des Volkes« zu sichern [22]. Es ist deshalb gerechtfertigt, unter Rückgriff auf diese frühere Rechtsprechungstradition die sich freilich inzwischen höchst widerspruchsvoll fortentwickelt hat [23], die für die Meinungsfreiheit aufgestellten Verfassungspostulate wegen der gleichrangigen verfassungsstrukturellen Bedeutung der Versammlungsfreiheit als demokratisches Basisgrundrecht auch für diese gelten zu lassen [24].

In der aktuellen Auseinandersetzung um die Demonstrationsfreiheit ist demgegenüber das Bemühen unverkennbar, den grundrechtlich geschützten Aktionsspielraum immer schärferen Beschränkungen zu unterwerfen. Die umstandslose Gleichsetzung von Demonstration und Gewalt korrespondiert mit der Forderung nach Entsinnlichung und Vergeistigung des demonstrativen Protestes [25], geht einher mit einer Vorabillegalisierung und führt zur Effektuierung des polizeilichen Einsatzes gegenüber Demonstrationen. Sie impliziert die Begründung einer kollektiven Gefährdungshaft für die Ausübung dieses Grundrechts und mündet schließlich ein in eine weitreichende Kriminalisierung dieser spezifischen Ausdrucksform politischer Opposition.

Dabei hat speziell die Rechtsprechung die Aufgabe übernommen, durch die Uminterpretation des strafrechtlichen Gewaltbegriffes gezielt auch gewaltfreie Aktionen (wie Sitzstreiks o.ä.) unter Rekurs auf ein absolut gesetztes demokratisches Mehrheitsprinzip das Stigma des Terrors der Straße [26] zu verleihen. In die gleiche Richtung, auch rein passivem Verhalten den Stempel der kriminellen Aktivität aufzudrücken, zielt die gesetzliche Ausweitung des Waffenbegriffs bis zur geplanten Qualifizierung der Passivbewaffnung als strafwürdiges Vergehen [27].

III. Verfas­sungs­recht­liche Schranken der Versamm­lungs­frei­heit

Demgegenüber ist daran zu erinnern, daß es in der Organisationsform dieser Art politischer Manifestationen liegt, daß »ein erhebliches Maß an Belästigung, ja Zwangswirkung und damit jedenfalls bei Straßendemonstrationen, notwendig verbunden und, den Demonstranten von Anfang an bewußt« [28] ist. Die Legalisierung des »Drucks der Straße« ist demgemäß der verfassungsrechtliche Sinn dieses Grundrechts. Für die Abgrenzung des Schutzbereichs der Versammlungsfreiheit kann es dementsprechend nicht von entscheidender Bedeutung sein, ob die Demonstranten einen »Nötigungseffekt« als Nebenwirkung in Kauf nehmen oder als Demonstrationsziel anstreben. Demonstrationsmittel, die auf Zwangswirkungen, etwa befristete Verkehrsbehinderungen oder ähnliches zielen, fallen deshalb nicht per se aus dem Schutzbereich des Art. 8 GG.

Ob Demonstrationen verfassungsmäßig sind, ist im Einzelfall davon abhängig, ob sie sich im Rahmen der Versammlungsfreiheit bewegen, deren Schutzbereich einerseits durch die Formel »Friedlich und ohne Waffen« (Art. 8 Abs. 1) und andererseits den Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 abgesteckt ist.

1. Friedlich

Das Gebot der »Friedfertigkeit« i. S. des Art. 8 Abs. 1 GG wird nur dann verletzt, wenn eine Demonstration gewalttätig verläuft [29]. Der Begriff der Gewalttätigkeit, der enger ist als der strafrechtliche Begriff der Gewalt, i. S. des Nötigungsparagraphen § 240 StGB [30], bedeutet in Anlehnung an die zu diesem Tatbestandsmerkmal ergangene einschlägige Rechtsprechung zu § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) »die Entfaltung physischer Kraft unmittelbar gegen Personen« (oder Sachen), »z.B. durch Schüsse, Steinwürfe, Zufahren mit dem Auto u.ä.« [31] setzt also Tätigkeiten voraus, so daß entgegen der vom Bundesgerichtshof im Läpple-Urteil [32] vorgenommenen Bewertung Nötigung und Gewalttätigkeit nicht gleichzusetzen sind und dementsprechend die bloße Präsenz von Demonstranten, sei es sitzend (Sitzstreik), verschleiert, behelmt oder maskiert (Vermummung als sogenannte passive Bewaffnung), sei es stehend vor dem Parlament (Verletzung des Bannkreises, § 16 VersG, beziehungsweise Parlamentsnötigung, § 105 StGB), keine Verletzung der verfassungsrechtlichen Friedenspflicht des Bürgers ist.

Demgegenüber hat die neuere Rechtsprechung bei der Anwendung der Versammlungsstrafrechtsnorm des Landfriedensbruchs ( § §125, 125a StGB) die Tatbestandsmerkmale der »Gewalttätigkeit« und »öffentlichen Sicherheit« zunehmend extensiv interpretiert, so daß von einer Eskalation des strafrechtlichen Gewaltbegriffs gesprochen werden muß. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat Gewaltanwendung auch dann bejaht, wenn eine Tathandlung für sich genommen zwar nicht gewalttätig sei, aber im Gesamtzusammenhang einer gewalttätiger Demonstration die Demonstranten »sich auch nur eine der Ausschreitungen der unbekannt gebliebenen Täter …. als Mittäter zurechnen lassen müßten oder ihr Tatbeitrag als Beihilfe zu auch nur einer der Gewalttätigkeiten eines andren anzusehen wäre, da Täter des Landfriedensbruchs auch der Teilnehmer an den Gewalttätigkeiten sein« könne [28a]. Im Schubart-Urteil des Frankfurter Oberlandesgerichts v. 19.1.1983 wird die Grenzlinie noch weiter zu Lasten der Versammlungsfreiheit verschoben. Der Strafsenat sieht in Aktionen des gewaltfreien Widerstandes begrifflich Unmögliches: »Ein solcher aktiver Widerstand gegen aktives Tun eines Dritten kann nicht gewaltfrei sein, weil Widerstand begrifflich bedeutet, daß dieses Verhalten verhindert, wenigstens aber doch behindert werden soll, folglich ein Zwang ausgeübt wird, der den Dritten außerstande setzt, sein Vorhaben auszuführen. Ein >aktiver, gewaltfreier

Weil Art. 8 GG primär ein individuelles Grundrecht ist, freilich gerichtet auf kollektives Handeln, wird die Grundrechtsprivilegierung nicht dadurch für den friedlich Demonstrierenden verbraucht, daß einzelne Demonstranten »umzufunktionieren« versuchen, solange nicht — so der Wortlaut des § 5 Nr. 3 VersG – »Tatsachen festgestellt sind, aus denen sich ergibt, daß der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung anstreben» oder — wie es im § 13 Abs. 1 Nr. heißt – »die Versammlung einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf
nimmt« [33]. Umgekehrt wird die Gewalttätigkeit einzelner Personen, sofern sie straf- relevant ist, nicht durch die Versammlungsfreiheit legitimiert. Die Versammlungsbezogenheit einer Tathandlung kann freilich nicht zum Anknüpfungspunkt bzw. zur Verschärfung der Strafdrohung gemacht werden.

2. »Ohne Waffen«

Bedenken sind gegen die Ausweitung des Waffenbegriffes in der Neufassung des § 2 Abs. 3 Vers.G von 1978 zu erheben. Nach dieser Bestimmung werden »Waffen nunmehr als Gegenstände umschrieben, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet und bestimmt sind«, so daß auch Tomaten, Butterbrote zur Waffe werden können, weil sich damit Sachbeschädigungen oder Körperverletzungen begehen lassen. Daß im nächsten Schritt sogar bloße Selbstschutzvorkehrungen als »passive Bewaffnung» qualifiziert und geahndet werden sollen, so daß der Begriff der Waffe jegliche Tatbestandsbestimmtheit verliert, ist Programm von CDU und CSU. Demgegenüber wird man als Bewaffnung i. S. des Art. 8 Abs. 1 GG nur diejenigen Gegenstände ansehen können, die den technischen Waffen (wie Schuß-, Stoß- , Hieb- , Stich- , Wurf- und Sprengwaffen) vergleichbar Körperverletzungen verursachen können (wie dies für abgebrochene Stuhlbeine angenommen wird), so daß Farbbeutel, Früchte, Eier etc keine Waffen im Sinne dieser Verfassungsbestimmung sind [34].

3. Der Geset­zes­vor­be­halt des Art. 8 Abs. 2 GG

Schließlich wird der Gesetzesvorbehalt in Art. 8 Abs. 2 GG, der seine Schranke erst in der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG findet, als gesetzestechnisches Einfallstor benutzt, um dadurch weitgehende Beschneidungen der Demonstrationsfreiheit zu transportieren. Hierauf gestützt grenzt das Versammlungsgesetz die Versammlungsfreiheit über die Verwirkungsvorschrift des Art. 18 GG und die partei- und vereinsrechtlichen Verbotsvorschriften des Art. 21 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 2 GG hinaus vielfach ein. Nach unserem Verständnis der Freiheit politischer Kommunikation, mithin auch der Demonstrationsfreiheit als verfassungsrechtliche Verbürgung und Ermöglichung politischer Selbsttätigkeit der souveränen Bürger und als Schutz politischer Minderheiten als Garantie des Gegengewichts der Volksversammlung im genauen verfassungstheoretischen Sinn gegenüber dem in Form der Staatsgewalt institutionalisierten und arbeitsteilig organisierten Prozeß, darf die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von alternativen Formen demokratischer Willensbildung und über die Chancen von Minderheiten, ihre Interessen zu artikulieren, zu organisieren und gegenüber den staatlichen Instanzen anzumelden, nicht zur Disposition jeweiliger parlamentarischer Mehrheiten stehen. Die grundgesetzlich gesicherte Möglichkeit, die nicht parlamentarisch repräsentativ vermittelte politische Aktivität der Bürger offenzuhalten, ist die logische Konsequenz demokratisch souveräner Selbstregierung [35]. Deshalb ist die in der staatsrechtlichen Literatur dem Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG zugeschriebene Funktion, daß »gerade in Interesse der Allgemeinheit der Staatsbürger … sich die Staatsgewalt vorbehalten (muß), die Kontrolle über gewünschte (!) Versammlungen auszuüben« [36], schon vom Ansatz her verfehlt.

Die der Meinungsfreiheit vergleichbare verfassungsrechtliche Relevanz der Versammlungsfreiheit gibt einen Orientierungsmaßstab für die Ausfüllung des nach dem Wort-laut des Art. 8 Abs. 2 GG unbegrenzten Gesetzesvorbehalts. Entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht zur Einschränkbarkeit der Meinungsfreiheit entwickelten »Schaukeltheorie« [37] sind nur solche gesetzlichen Beschränkungen der Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel zugelassen, die im Hinblick auf verfassungsrechtlich höher- oder zumindest gleichrangige Rechtsgüter unbedingt gefordert sind und die dem besonderen Wert, den das Grundgesetz der Versammlungsfreiheit aus Gründen der Persönlichkeitsverwirklichung und wegen seiner Bedeutung für die demokratische Meinungs- und Willensbildung beimißt, Rechnung tragen.

Diesen verfassungsrechtlichen Maßstab negiert das Bundesverfassungsgericht freilich offenkundig, wenn es bereits den ohne Gesetzesvorbehalt formulierten Art. 8 Abs. 1 GG mit Hilfe immanenter Grundrechtsschranken wie folgt limitiert: »Der Einzelne muß sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein Zumutbaren zieht, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt« [38]. Der Sache nach wird hier gegen den eindeutigen Wortlaut des Art. 8 Abs. 1 GG ein allgemeiner Gesetzesvorbehalt in Form einer verfassungsrechtlich unspezifizierten Gemeinwohlklausel postuliert und damit die verfassungsgesetzliche Systematik unterschiedlicher Einschränkbarkeit von Grundrechten aufgehoben.

Aus den zitierten Passagen des Bundesverfassungsgerichtes zieht ein GG-Kommentator für die Konkretisierungsmöglichkeit des Gesetzesvorbehalts die Konsequenz einer faktisch beliebigen Einschränkbarkeit der Demonstrationsfreiheit gemäß Art. 8 Abs. 2 GG. Für Herzog, gegenwärtig Baden-Württembergischer Innenminister und Kandidat für das Amt des Präsidenten beim Bundesverfassungsgericht, läßt der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG für Versammlungen unter freiem Himmel »grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich der allgemeinen Eingriffsschranken des Übermaßverbotes, des Art. 19 II, des Menschenrechtskerns usw jedeEinschränkung des Rechts auf Abhaltung derartiger Versammlungen durch Gesetz bzw. aufgrund Gesetzes zu… Beschränkt werden kann dementsprechend … nicht nur die Teilnahme an Versammlungen unter freiem Himmel, sondern auch ihre Einberufung, Durchführung und Leitung. Die Beschränkung kann in der Einführung eines besonderen Anmeldungs- bzw Erlaubniszwangs bestehen, zum anderen aber auch im Erlaß von Ordnungsvorschriften, im Verbot von Versammlungen, in der Ermächtigung der Exekutive zum Verbot und zur Auflösung einzelner Versammlungen, schließlich in der Ermächtigung zur Beaufsichtigung und Beobachtung bestimmter Versammlungen durch Verwältungsbehörden, wobei allerdings … u.U. andere Grundrechte dem staatlichen Eingriff einen Riegel vorschieben« [39].

In Abgrenzung zu dieser Position, die den demokratischen Konstitutionsprozeß auf den Kopf stellt, in dem sie politische Freiheitsrechte zu staatlichen Konzessionen mit Widerrufsvorbehalt umdefiniert, soll im folgenden auf der Grundlage der Konstruktion einer notwendigen Güterabwägung, die dem hohen Rang der Demonstrationsfreiheit Rechnung trägt, zu einigen besonders bedeutsamen Abgrenzungsproblemen Stellung bezogen werden.

a) Versamm­lungs­frei­heit und Gefährdung der öffent­li­chen Sicherheit und Ordnung

Im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 2 GG, der die Begrenzung der Meinungsfreiheit durch die Vorschriften der allgemeinen Gesetze, die gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und durch das Recht der persönlichen Ehre gestattet, ist der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG spezifischer formuliert. Einschränkende Maßnahmen der Verwaltungsbehörden in bezug auf die Versammlungsfreiheit unter freiem Himmel dürfen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorgenommen werden, deren Regelungsgegenstand sich auf Versammlungen bezieht, wie dies beim Versammlungsgesetz und dem § 43 Bundesseuchengesetz (Verbot von Ansammlungen beim Auftreten bestimmter Krankheiten in epidemischer Form) der Fall ist. Die Versammlungsfreiheit ist demnach in dem Sinn als »polizeifest« anzusehen, daß Einschränkungen der Versammlungsfreiheit gestützt auf die polizeiliche Generalklausel zur allgemeinen Gefahrenabwehr unstatthaft sind, so daß die Ausübung der Versammlungsfreiheit nicht in das Ermessen der Polizei gestellt ist [40].

Das die Versammlungsfreiheit regulierende Versammlungsgesetz ist als abschließende Regelung für die Organisation und Durchführung von Versammlungen zu betrachten, so daß eventuelle Eingriffsbefugnisse der Polizei gegenüber Demonstranten allein auf die hierfür maßgeblichen Bestimmungen des Versammlungsgesetzes gestützt werden können, die freilich einer verfassungsrechtlichen Überprüfung im Lichte des der Versammlungsfreiheit beizumessenden Bedeutungsgehalts standhalten müssen.

Die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Eingrenzung ergibt sich aus der Fassung des § 15 VersG. Diese Bestimmung gestattet die Erteilung von Auflagen oder Auflösungen von Versammlungen, »wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist«, und § 18 Abs. 3 VersG läßt den Ausschluß von Teilnehmern einer Versammlung zu, »welche die Ordnung gröblich stören«. Als vom unbestimmten Rechtsbegriff der »öffentlichen Sicherheit« geschütztes Rechtsgut wird i.S. der durch die Rechtsprechung und Literatur vorgenommene Konkretisierung die »Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Ehre, Freiheit und Vermögen der Bürger sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der Einrichtung des Staates verstanden, wobei in der Regel bei strafbaren Handlungen gegen eines dieser Schutzgüter eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit angenommen wird“. Sowohl hinsichtlich der individualbezogenen als auch der gemeinschafts- bzw. staatsbezogenen Schutzinteressen wird auf die Voraussetzung einer strafbaren Handlung abzustellen sein, wobei zusätzlich im Rahmen einer Abwägung zwischen dem hohen Stellenwert der Versammlungsfreiheit und dem geschützten privaten oder öffentlichen Interesse nicht etwa jede Rechtsverletzung (wie z.B. Formalbeleidigung, fahrlässige Körperverletzung, geringfügige Sachbeschädigung) durch Versammlungsteilnehmer die Grundlage für ein Versammlungsverbot abgeben kann. Erscheint es mithin möglich, dem Gebot verfassungskonformer Anwendung einfachen Gesetzesrechts im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal »öffentliche Sicherheit« zu entsprechen, so entzieht der Begriff der        »öffentlichen Ordnung« oder »Ordnung« sich einem verfassungsadäquaten Gebrauch. Nach heute herrschender Meinung wird »öffentliche Ordnung« im Sinne der vom Preuß. OVG entwickelten Inhaltsbestimmung als »die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Auffassungen als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben der Menschen angesehen« [42], so daß öffentliche Ordnung umfassender ist als die Summe des positivierten Rechts [43]. Daß mit Hilfe dieser gleichsam metajuristischen Kategorie das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Gutdünken entsprechend den moralisch und sittlichen Wertvorstellungen der Exekutive ausgehebelt werden kann, ist evident. Der Bayrische VGH hat in einer Entscheidung vom 16.02.1979 [44] hieraus folgende Konsequenz gezogen: »Auch wenn zum Schutz der öffentlichen Ordnung der Schutz von Anschauungen, Vorstellungen und Empfindungen, wie etwa der Schutz der religiösen, sittlichen oder vaterländischen Empfindungen zu rechnen sein kann, so können Gesichtspunkte dieser Art im Hinblick auf die Bedeutung des Grundrechts der Meinungs- und Versammlungsfreiheit grundsätzlich ein Versammlungsverbot nicht rechtfertigen, solange nicht zugleich eine strafbare Handlung gegeben ist [45]«. Dieses eher zurückhaltende Judiz ist dahingehend zu prinzipialisieren, daß bei Vorliegen einer strafbaren Handlung die Prüfung der Möglichkeit eines Eingriffs in die Versammlungsfreiheit bereits im Rahmen des Begriffs »Öffentliche Sicherheit« zu erfolgen hat. Der Begriff der öffentlichen Ordnung, gegen den wegen Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes ganz allgemein verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden sind [46], widerspricht mithin der Ratio der Verfassungsgarantie der Versammlungsfreiheit, öffentliche Ordnung zu stören, fundamental.

Der Begriff der »Ordnung« in § 18 Abs. § VersG ist weiter als der der öffentlichen Ordnung. Soweit durch ihn der Begriff der öffentlichen Ordnung abgedeckt wird, scheidet er aus den genannten Gründen als Ermächtigungsgrundlage für polizeiliches Handeln aus; soweit er sich zusätzlich auf Störungen bezieht, die den ordnungsgemäßen Ablauf und die Durchführung einer Demonstration in Frage stellen, Schutzgut mithin das Recht der Demonstranten auf ungestörte Ausübung der Demonstrationsfreiheit ist, wird ein eventuelles Eingreifen der Polizei nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter dem Aspekt einer Garantenstellung des Staates für die Wahrnehmung politischer Freiheitsrechte statthaft sein.

b) Versamm­lungs­frei­heit und Straßen­ver­kehrs­recht

Als neuralgischer Punkt bei der Durchführung von Demonstrationen erweist sich regelmäßig das hohe Maß an Belästigung und Behinderung, das die übrigen Verkehrsteilnehmer in Kauf nehmen müssen. Auch wenn jene ihrerseits sich auf Verfassungspositionen berufen können, nämlich auf die grundgesetzlich durch Art. 2 Abs. 2 S. 2 geschützte körperliche Bewegungsfreiheit, müssen sie die durch die Wahrnehmung des Grundrechts der Demonstrationsfreiheit begründeten Verkehrsbehinderungen als notwendige soziale Kosten der politischen Demokratie hinnehmen, zumal auch die Demonstranten sich im Rahmen einer gemeingebräuchlichen Benutzung der Straße bewegen [47]. Dem Staat, speziell der Polizei obliegt daher eine generelle, gesetzlich nicht konkretisierte Schutzpflicht, die Durchführung geplanter Demonstrationen zu ermöglichen.

Selbst eine beabsichtigte punktuelle und zeitlich begrenzte Verkehrsbehinderung (Sitzstreik, Sit-in) verdient wegen der demokratiekonstitutiven Bedeutung der Demonstrationsfreiheit den Vorrang gegenüber dem Privatinteresse dadurch beeinträchtigter Dritter [48]. Die. gezielte, mehr oder weniger symbolische Regelverletzung etwa durch kurzfristige Gleisbesetzungen stellt nämlich häufig die einzige Möglichkeit dar, um eine dem Anliegen der Demonstranten angemessene Gegenöffentlichkeit zu erzielen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit müssen deshalb Verkehrsteilnehmer Beschränkungen ihrer Freizügigkeit — nicht anders wie bei sportlichen, künstlerischen Großveranstaltungen, Volksfesten, Streiks, Manövern, Unwetterkatastrophen, Unfällen etc. — hinnehmen.

c) Anmel­de­pflicht und Erfordernis eines Versamm­lungs­lei­ters

Aufgrund der gewandelten Demonstrationspraxis in den letzten Jahren kommt der Frage erhebliche Bedeutung zu, ob das Versammlungsgesetz eine bestimmte Ordnungs- und Organisationsform von öffentlichen Versammlungen zu Recht zwingend vorgeben darf. Dies erscheint dann verfassungsrechtlich unproblematisch, wenn man beispielsweise die Pflicht zur Anmeldung 48 Stunden vor Bekanntgabe ( § 14 Abs. 1) und zur Bestellung eines Leiters ( § 14 Abs. 2) als »eine notwendige Voraussetzung zur geregelten Ausübung der Versammlungsfreiheit [49]« und damit als grundrechts-irrelevante Ordnungsvorschriften ansieht. Sowohl von der Anmeldung als auch von der Leitung durch eine Person kann die Praktizierung des Grundrechts abhängig gemacht werden, so daß das Insistieren auf Einhaltung der Ordnungsvorschriften bei bestimmten Demonstrationsarten konstitutiv für die Ausübung der Versammlungsfreiheit werden kann. Insofern stellen — entgegen der zitierten Auffassung — die versammlungsrechtlichen Ordnungsvorschriften sehr wohl Einschränkungen dieses Freiheitsrechts dar [50].

Auch Spontanversammlungen und Großdemonstrationen neuen Typs sind von der Versammlungsfreiheit des Art. 8 GG geschützt. Es widerspräche dem verfassungsrechtlichen Schutzanspruch des Art. 8 GG, demzufolge das Versammlungsgesetz nicht nehmen kann, was die Versammlungsfreiheit in ihrem Wesensgehalt (Art. 19 Abs. 2 GG) verspricht, wenn Versammlungen an organisatorische Voraussetzungen gebunden würden, die ihnen ihre spezifische, auch in der Form von Versammlungen sich ausdrückende demokratische Aussagekraft raubt.

Da Spontanversammlungen die Reaktionsbildung auf unvorhergesehene Ereignisse sind, würden sie ihren Sinn verlieren, wenn sie vorher angemeldet werden müßten. Sie haben infolge des unvorbereiteten Zusammenschlusses der Protestierenden in der Regel keinen Leiter. Der in der Anmeldepflicht begründete ordnungspolitische Zweck, den vorgesehenen Ablauf einer Versammlung im Interesse der Demonstranten und der Allgemeinheit durch entsprechende administrative Schutzmaßnahmen vorausplanend sicherzustellen, muß daher nach ganz herrschender Ansicht gegenüber der kollektiven,
öffentlichen Kommunikationsfreiheit der Bürger aus Art. 8 Abs. 1 GG zurücktreten [51]. Ein auf die Nichtanmeldung oder das Nichtvorhandensein eines Leiters gestütztes Versammlungsverbot ist deshalb verfassungswidrig [52].

Nichts anderes hat für Großdemonstrationen neuen Typs zu gelten. Die Funktionen der Anmeldung wird dadurch erreicht, daß die Demonstration lange vor der förmlichen Anmeldung der Öffentlichkeit und damit den zuständigen Behörden bekannt ist. »Da zum Begriff der Versammlung weder eine förmliche Eröffnung noch eine förmliche Leitung« gehört, wie das OLG Hamburg zutreffend festgestellt hat [53], kann die Durchführung einer Großdemonstration weder von ihrer förmlichen Anmeldung noch von der Benennung eines Leiters abhängig gemacht werden. Anderenfalls spräche man extralegal eine kollektive Verwirkung von Grundrechten aus [54]. Spontan- und Großdemonstrationen sind deshalb versammlungsrechtlich wie angemeldete Versammlungen zu behandeln, deren Auflösung gegen den Wortlaut des § 15 Abs. 2 VersG nur zulässig ist, wenn nach den erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit unmittelbar gefährdet ist ( § 15 Abs. 2 VersG). Mangels eines Leiters entfällt die Strafbarkeit nach § 26 Abs. 1 Nr. 2 VersG [55].

d) Limitierung des Demon­s­tra­ti­onss­traf­rechts durch die Versamm­lungs­frei­heit

Günter Frankenberg hat bei der Formulierung von »minima legalia« der Demonstrationsfreiheit [56] daran erinnert, daß sich vom Geltungsgrund der Demonstrationsfreiheit her, »öffentliche, kollektive außerinstitutionelle und dramatisierte, also nicht notwendigerweise verbale Artikulationen« zu ermöglichen, für den parlamentarischen Gesetzgeber speziell im Bereich des Strafrechts Beschränkungen ergeben. Es ist ihm verwehrt durch demonstrations-strategische Tatbestände die offene und angstfreie Manifestation des Volkswillens auf der Straße zu kriminalisieren, so daß etwa Straftatbestände, »die um der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, um des öffentlichen Friedens oder um der Bürgerruhe willen — darauf abzielen, öffenlichen Protest als Friedensbruch, kollektive politische Aktionen als (abstrakte) Gefahr für die Rechtssicherheit, staatlich nicht kontrollierte Opposition als Bedrohung der Rechtsordnung und nicht maßvoll geäußerte Kritik an der Staatsgewalt als »Verunglimpfung« zu illegalisieren [57]« vom Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG nicht gedeckt sind und deshalb verfassungswidrig sind. Dies gilt für den Landfriedenstatbestand alter und möglicherweise zukünftiger Fassung, der bereits den Anschluß an eine Menge, die bloße Teilnahme an einer »Zusammenrottung« unabhängig von der friedlichen Absicht des konkreten Verhaltens pönalisiert ebenso wie für die Konstruktion einer »psychischen Mittäterschaft« friedlicher Demonstranten an vereinzelten Ausschreitungen im Schubart-Urteil [58].

Verweise

1 In der Erklärung der »Grundrechte von Virginia« vom 12.6.1776 wird dieses Recht implizit vorausgesetzt und in der Einleitungsformel ausdrücklich reklamiert: »Eine Erklärung der Rechte, von den Vertretern der guten Bevölkerung von Virginia, in vollständiger und freier Versammlung zusammengetreten …«. Im ersten 1791 in Kraft getretenen Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung vom 17.9.1787, die keine Grundrechtsverbürgungen enthielt, wird die Versammlungsfreiheit ohne Einschränkungsmöglichkeit verbrieft: »Der Kongreß soll kein Gesetz erlassen, das … Rede- und Pressefreiheit oder das Recht des Volkes, sich friedlich zu versammeln und an die Regierung eine Petition zur Abstellung von Mißständen zu richten, verkürzt«.
In der Französischen Verfassung vom 3.9.1791 wird in Titel 1 Nr. 3 als natürliches und bürgerliches Recht verbürgt: »Die Freiheit der Bürger, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln in Übereinstimmung mit den Polizeigesetzen«.
2 Vgl. hierzu näher die Ausführungen von J. Brink, R. Keller, Politische Freiheit und strafrechtlicher Gewaltbegriff in: Kritische Justiz (KJ), S. 107 ff.
3 Vgl. z.B. J.J. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag oder die Grundlagen des Staatsrechts, der 1762 erstmals erschienen ist.
4 Vgl Holzhauer, Stichwort »Landfrieden und Landfriedensbruch« (Landfrieden II), in: Handwörterbuch der deutschen Rech[sgeschichte, Bd. II, 1978, Sp. 1465 ff., sowie J. Brink, R. Keller, a.a.O., S. 108 ff.
Noch in der Bill of Rights von 1689 wird den protestantischen Untertanen gestattet, Waffen zu führen, wie es ihrem Stande gemäß ist und durch das Gesetz erlaubt ist.
5 Dies ist der Sinn der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG.
6 Zur Problematik des nunmehr in Art. 20 Abs. 4 GG normierten Widerstandsrechtes vgl. O.E. Kempen, Widerstandsrecht, in: D. Sterzel, Hrsg.,
Kritik der Notstandsgesetze, Frankfurt/M., 1968, S. 65 ff. 7 Abgedruckt in: F. Hartung, Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte von 1776 — 1946, Berlin 1948, S. 32.
8 a.a.O., S. 38 ff.
9 a.a.O., S. 42 ff.
10 a.a.O., S. 44/45
11 a.a.O., S. 48/49
12 a.a.O., 5.54 13 a.a.O., S. 68 14 R. Scholz, Rechtsfrieden im Rechtsstaat, NJW 1983, S. 705 ff
15 Beispielhaft für dieses Argumentationsmuster steht bereits die Formulierung des BGH im Läpple-Urteil: »Die Anerkennung eines Demonstrationsrechts in dem von der StrK angenommenen Ausmaß liefe auf die Legalisierung eines von militanten Minderheiten geübten Terrors hinaus, welcher mit der auf dem Mehrheitsprinzip fußenden demokratischen Verfassung, letzlich aber auch als Verstoß gegen das Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung schlechthin unverträglich ist«. BGHSt 23, 46 ff. (56 ff.)
16 BVerfGE 7, 198 ff. (208)
17 Franz Gesehgeln
18 Herzog in Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz (Stand 1978) Art. 8 Rdnr. 86
19 BVerfGE 28, 191 (202) 20 BVerfGE 5, S. 85 ff., (205); BVerfGE 7, S. 198 ff. (5.208)
21 BVerfGE 5, S. 85 ff. (S. 134 f.), bestätigt in BVerfGE 20, s. 56 ff. (S. 98)
22 BVerfGE 20, S. 56 ff. (S. 98)                                                          23 Z.B. nimmt das BVerfG sein Verständnis von der demokratischen Elementarbedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung im Radikalenbeschluß (E 39, S. 334 ff.) im Hinblick auf Beamte und Angestellte im öffenlichen Dienst praktisch wieder zurück.
24 Dies wird hinsichtlich der Anwendung der sogenannten »Schaukeltheorie«, die das BVerfGE für die Meinungsfreiheit entwickelt hat und wo-nach im Einzelfall eine Güterabwägung vorzunehmen ist, die der besonderen Bedeutung desGrundrechts im politischen Prozeß Rechnung trägt, auch auf die Versammlungsfreiheit grundsätzlich anerkannt, vgl. Herzog in: Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, a.a.O., Art. 8 Rdnr. 80.
25 Auf dieser Linie liegt die in der Literatur nahezu einhellig vertretene Auffassung, daß die Demonstrationsfreiheit »stets eine besondere Form der geistigen Auseinandersetzung zu bleiben hat», (Hervorhebung im Original) Herzog, a.a.O., Art. 8 Rdnr. 86
26 Vgl. BGH. St. 23, 46 ff. (56)
27 So in den Gesetzesentwürfen der CDU/CSU–Bundestagsfraktion v. 30.6.1981 (BTD rs.9/628) 6 (17a VersG) sowie des Bundesrates vom 11.2.1982 (BT 9/1258) 17 a VersG)
28 Vgl. W. Mallmann, Vereins- und Versammlungsfreiheit, in: Staatslexikon, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 6. Aufl., 1963, Sp. 562 ff. (571)
29 Da der das Versammlungsgesetz von 1953 beratende Bundestagsausschuß den Begriff der Friedlichkeit bzw. der Unfriedlichkeit wegen der Gefahr einer zu weiten Auslegung für ungeeignet für die polizeiliche Praxis hielt, ersetzte er ihn/durch die Formulierung »gewalttätig oder aufrührerisch«. Inhaltlich sollten sich die beiden Bezeichnungen »gewalttätig« und »aufrührerisch nach der in den Beratungen zum Ausdruck gekommenen Absicht mit dem im Grundgesetz verwandten Begriff »friedlich« voll decken. Es ist daher gerechtfertigt, von einer »Legaldefinition« zu sprechen; vgl. hierzu v. Mangoldt-Klein, Grundgesetz, 1957, Bd. 1, Art. 8 Anm. 4a
30 Vgl. H.P. Schneider, Inhalt und Grenzen der Demonstrationsfreiheit, in: Die Realisierung eines Grundrechts. Zur Diskussion über das Demonstrations- und Versammlungsrecht. Loccumer Protokolle 23/1981, hrsg. v. J. Calließ, S. 132 ff. S. 137
31 BGH 23, S. 52; BVerfGE 37, S. 310; Koblenz DAR 73, S. 219; vgl. hierzu auch Dreher, Tröndle, Strafgesetzbuch, 40. Aufl. 1981, § 113 Rdnr. 29
32 BGHSt 23, S. 46 ff.
33 Wie hier H.P. Schneider, a.a.O.
34 Tiedemann, JZ 1969, S: 717 ff., S. 722; ebenso für eine Eingrenzung des Waffenbegriffs Hans J. Wolff, O. Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl., 1978, § 131 II a, Rdnr. 11
35a, Günter Frankenberg, Demonstrationsfreiheit — eine, verfassungsrechtliche Skizze, Kritische Justiz 1981, S. 370 ff., S. 378
36 K. Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsvergleichung und des Völkerrechts, 1976, S. 304
37 Begründet im »Lüth-Urteil», BVerfGE 5, S. 85 ff., S. 208; ständige Rechtsprechung
38 BVerfGE 39, S. 334 ff., S. 367 (Radikalenbeschluß)
39 Herzog in Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, a.a.O., Art. 8 Rdnrn. 76, 78
40 Deshalb ist es konsequent, wenn das neue seit dem 1.7.1982 in Kraft befindliche Nieders. Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) v. 17.11.1981 (GVbI. S. 347) anders als das zuvor in Kraft befindliche Polizeigesetz (Nds. SOG v. 21.3.1951) im Katalog der einschränkbaren Grundrechte (üIO) die Versammlungsfreiheit nicht aufführt. Das Nds. SOG stützt sich auf den Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, der am 11.6.1976 von der Konferenz der Innenminister und -senatoren beschlossen und nach einer weiteren »Harmonisierung«
G seine endgültige Fassung durch Beschluß v. 25.11.1977 erhielt, vgl. Heise, Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl., 1978. (Wie hier v. Münch, Grundgesetz, Kommentar, 1974, Art. 8 Rdnr. 29, 34, H.P. Schneider, Inhalt und Grenzen der Demonstrationsfreiheit — Unter Berücksichtigung polizeilicher Praxixprobleme, in: Die Realisierung eines Grundrechts. Zur Diskussion über das Demonstrationsund Versammlungsrecht, Loccumer Protokolle 23/1981, S. 132 ff., S 136; a.A. Herzog in: Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, a.a.0., Art. 8, Rdnr. 104)
41 Vgl. G. Pü[tner, Besonderes Verwaltungsrecht, Düsseldorf, 1979, S. 42; Hans J. Wolff, O. Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl., 1978, München, § 125 Rdnr. 11
42 So die Begründung zum Musterentwurf der Ständigen Konferenz der Innenminister für ein einheitliches Polizeigesetz vom 25.11.1977
43 Wie hier G. Püttner, a.a.0., S.44
44 DÖV 1979, S. 569
45 a.a.0., S. 569; vgl. Dietel-Gintzel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, 5. Aufl., 1977, § 15 Rdnr. 60
46 Bedenken in dieser Hinsicht melden an: Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1978, S. 44 ff.; Achterberg in: Festschrift f. Scupin, 5. 9 ff. Dagegen halten Drews, Wacke, Martens, Allgemeines Polizeirecht, Aufl., S. 131 f., und Hans J. Wolff, O. Bachof, a.a.O., Rdnr. 12, 13 den Begriff der »öffentlichen Ordnung« für verfassungsgemäß. •
In Bremen wurde im neuen Polizeigesetz (GVBI.) abweichend von den Regelungen aller übrigen Bundesländer der Polizei die Aufgabe zugewiesen, »Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren« (ü) und nicht mehr, wie es andere Polizeigesetze vorschreiben, für die 47 Vgl. v. Münch, a.a.O., Art. 8 Rdnr. 35; a.A. K. Döhring, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt/M., 1976, S. 307. Hans J. Wolff, O. Bachof, Verwaltungsrecht III, § 131 Rdnr. 14, halten die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei einer Kollision von Versammlungs- mit dem Verkehrs- und Straßenrecht für geboten.
48 Ebenso S. Ott, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, 4. Aufl., 1983, § 15 Rdnr. 9 mit weiteren Nachweisen.
Wie hier H.P. Schneider, a.a.o., S. 138 f.
Dagegen hält Herzog, a.a.0., Art. 8 Rdnc 62, die Frage der Lahmlegung des öffentlichen Verkehrs durch Sitzstreik mehr für ein Problem »strafrechtlicher als verfassungsrechtlicher Art«.                49 R.W. Füßlein: Vereins- und Versammlungsfreiheit, in Neumann-Nipperdey-Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, Berlin 1954, S. 425 ff., S. 451
50 § 20 VersG stellt dieses klar. Dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG Rechnung tragend, heißt es: »Das Grundrecht des Artikels 8 des Grundgesetzes wird durch die Bestimmungen dieses Abschnitts eingeschränkt»».
51 Ebenso K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl., 1975, S. 167, und R. Geulen, Versammlungsfreiheit und Großdemonstrationen, KJ 11.2.1983, S. 189 ff.; vgl. Herzog, a.a.0., Art. 8 Rdnr. 95 mit weiteren Nachweisen.
52 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Anmeldung im »Regelfall« BVerwGE 26, 135, 136 f.
53 MDR 1965, S. 320                                                                        54 Die individuelle Verwirkung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit regelt Art. 18 GG, sie ist an den Spruch des Bundesverfassungsgerichts gebunden.
55 Die Frage der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit bzw. der verfassungskonformen Anwendung der einschlägigen Ordnungsvorschriften des Versammlungsgesetzes (Anmeldepflicht, Leiter) wurde im Strafverfahren gegen den Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Joe Leinen wegen Verdachts eines Vergehens nach § 26 Abs. 1 VersG als »Organisator« der großen Brokdorf-Demonstration am 28.2.1981 vom Landgericht Itzehoe in seinem freisprechenden Urteil vom 22.12.1982 – Az. 8 Kls 2/82 II nicht gestellt.
In Fällen fehlender Anmeldung zeigten sich in der Rechtsprechung Tendenzen, den Veranstalterbegriff extensiv auszulegen, um auf diese Weise zur Strafbarkeit auch der bloßen Teilnahme zu gelangen; bgl. LG München, Urteil vom 12.2.1982 – Az. 13 113 Js 4813/81 -, zu Recht aufgehoben durch BayObLG, Urteil vom 27.9.1983 – Az. 4 St. 95/82 betr. dieVerurteilung der Teilnehmer an einer Ankettungsaktion von ca. 30 – 40 Personen gemäß § § 14, 26 Nr. 2 VersG; vgl, hierzu auch OHG, a.a.0., § 26 Rdnr. 3
56 G. Frankenberg, Demonstrationsfreiheit – eine verfassungsrechtliche Skizze, KJ 1981, S. 370 ff., S. 379 ff.              57 a.a.O., S. 382
58 OLG Frankfurt/M., Urteil vR 19.1.83 (unveröffentlicht) (Schubart-Urteil) s.o. S. 31 ff.

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