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Eine europäische Flücht­lings­po­litik

Dokumentation

aus: vorgänge Nr. 91 (Heft 1/1988), S. 124-128

Einführung

Die europäischen Regierungen haben in den letzten Jahren damit begonnen, in verschiedenen Gesprächskreisen zusammenzuarbeiten, um Methoden zur Beschränkung der Zahl der Asylbewerber zu entwickeln. Dies ist hauptsächlich eine Reaktion auf die jüngsten Erhöhungen der Antragszahlen von Asylsuchenden aus der Dritten Welt. Die Ergebnisse dieser Diskussionen und Verhandlungen werden — das ist zu erwarten — letztlich dazu führen, daß ab 1992 sowohl Politik als auch Praxis der Europäischen Gemeinschaft in bezug auf Asylbewerber vereinheitlicht werden. Dies wiederum wird nicht ohne Auswirkungen für andere europäische Staaten bleiben.

Die Hilfsorganisationen in Europa, die sich mit der Flüchtlingshilfe befassen, sind über die Entwicklung dieser Regierungsdiskussionen zunehmend beunruhigt. Diese scheinen nämlich von der Absicht getragen zu sein, den Zugang zum Asylverfahren in den europäischen Ländern einzuschränken. Manche Zusammenkünfte finden im Geheimen statt, und die dort entwickelten politischen Grundsätze sind nicht das Ergebnis offener Beratungen aller an der Frage interessierten Kreise. Die parlamentarische Begleitung und Überwachung dieser Entwicklung war minimal. Erwägungen in bezug auf die Bedürfnisse des einzelnen Flüchtlings und in bezug auf die Notwendigkeit einer umfassenden, weltweiten Flüchtlingspolitik scheinen nicht in Betracht gezogen worden zu sein. Die freien Wohlfahrtsverbände und Hilfswerke glauben, daß das Flüchtlingsproblem in Europa nicht nur als eine Frage der Einwanderungskontrolle betrachtet werden kann. Mit diesem Dokument soll den europäischen Regierungen eine umfassende und praktisch umsetzbare Flüchtlingspolitik vorgeschlagen werden. Die freien Verbände hoffen, daß das Dokument eine Basis bildet für vertiefte Gespräche zwischen Regierungsstellen einerseits und den zwischenstaatlichen und nicht-staatlichen Organisationen andererseits.

Ziel der europä­i­schen Flücht­lings­po­litik

Das Ziel der Politik ist es, eine Situation zu erreichen, in welcher Europa die Prinzipien des Asylrechts wahrt, seine Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951, dem Protokoll von 1967 und anderen damit verbundenen Vereinbarungen erfüllt sowie einen angemessenen Beitrag zur Lösung des Weltflüchtlingsproblems leistet.

Notwen­dig­keit der europä­i­schen Flücht­lings­po­litik

Obwohl sämtliche europäischen Länder die Meinung vertreten, sie erfüllten ihre Verpflichtungen aus der Konvention von 1951 und dem Protokoll von 1967 gegenüber Personen, die internationalen Schutz suchen, ist offensichtlich, daß gegenwärtig kaum ein europäisches Land alle genannten Zielsetzungen voll erfüllt. In vielen Ländern ist das Recht auf Asyl durch Maßnahmen bedroht, welche sowohl von der Absicht geleitet sind, Asylsuchenden den Zugang zum Asylverfahren zu verweigern als auch restriktiven Auslegungen von Konvention und Protokoll Vorschub zu leisten.

Den freien Verbänden sind die Ansichten und Absichten der europäischen Regierungen durchaus bekannt. Sie anerkennen auch die Notwendigkeit, praktische Vorschläge zur Lösung der gegenwärtigen Flüchtlingsprobleme vorzulegen, welche zugleich den allgemeinen politischen Zielvorgaben entsprechen. Die freien Verbände glauben, daß die unten dargelegten Vorschläge diesem Bedürfnis entgegenkommen. Zusammengenommen beinhalten sie ein Paket von Maßnahmen, welches eine gerechte und vernünftige Politik sicherstellt, wobei sowohl das Recht auf Asyl gewährleistet ist als auch die Fragen aufgegriffen werden, welche die Anreise von Asylbewerbern aus anderen Kontinenten in Europa aufwerfen.

Wesentliche Bestand­teile der Flücht­lings­po­litik

Eine umfassende Flüchtlingspolitik erfordert notwendigerweise eine Reihe von gleichzeitig vorzunehmenden Maßnahmen. Keine der unten ausgeführten Einzelmaßnahmen würde das Problem lösen. Nur in ihrer Gesamtheit werden sie ihre volle Wirkung entfalten.

Verantwortung zur Prüfung von Asylgesuchen

Die europäischen Regierungen haben es trotz ihrer eingehenden Diskussionen während der letzten Jahre nicht vermocht, eine Vereinbarung zu treffen, welche den Begriff »country of first asylum« (Land der ersten Aufnahme bzw. Schutz/Sicherheit vor Verfolgung) umschreibt, also jenes Land, welches in erster Linie zur Prüfung eines Asylgesuches verpflichtet ist.

Eine solche Vereinbarung wäre von entscheidender Bedeutung, sollen in Europa die Asylanträge gerecht und ordnungsgemäß, also im Einklang mit Artikel 31 behandelt und Asylsuchende nicht endlos von einem Land zum andern hin- und hergeschoben werden. Dem Vernehmen nach befaßt sich das Ad-hoc-Expertenkomitee des Europarates für rechtliche Aspekte des Territorialasyls für Flüchtlinge und Staatenlose (CAHAR) erneut damit, eine Vereinbarung über diesen Fragenkomplex herbeizuführen. Die Prognosen von Experten, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Regierungen, sind allerdings noch pessimistisch, was die Wahrscheinlichkeit einer Einigung der europäischen Regierungen auf einen schriftlichen Text betrifft. Um diese Frage zu prüfen und um Vorschläge für die öffentliche Diskussion zu erarbeiten, hat die ECRE ihrerseits eine Expertengruppe eingesetzt.

Geographische Beschränkung der Konvention 1951 und des Protokolls 1967

Die Aufhebung der von Italien und der Türkei noch beibehaltenen geographischen Beschränkung (Artikel 1B (l) (a) der Konvention wäre ein wichtiges Element zur wirkungsvollen Harmonisierung einer europäischen Flüchtlingspolitik. Es ist aber unwahrscheinlich, daß diese Länder einer Aufhebung zustimmen, wenn sie nicht davon überzeugt werden, daß sie nicht mit einer unverhältnismäßig großen Zahl von außereuropäischen Flüchtlingen allein gelassen werden.

Maßnahmen zur Verbesserung des Angebots von dauerhaften Lösungen für Asylsuchende

Die Tatsache, daß einzelne Flüchtlinge ohne entsprechende Papiere Europa zu erreichen vermö gen, während andere in prekären Lebensverhältnissen verbleiben müssen, ohne die Möglichkeit zu haben, zu befriedigenden und dauerhaften Lösungen zu gelangen, verursacht eine offensichtlich ungerechte Situation. Vorgeschlagen wird deshalb, daß ein genau geregeltes Umsiedlungsverfahren überall dort geschaffen wird, wo Flüchtlinge in großer Zahl von einem Erstankunftsland nach Europa zu kommen versuchen. Dieses bedingt allerdings, daß einige Voraussetzungen, die — wie unten ausgeführt  — im Erstankunftsland erfüllt sein müssen. Wo diese Voraussetzungen gegeben sind, könnte dann denjenigen Flüchtlingen, die spontan nach Europa gekommen sind, zugemutet werden, in das Erstankunftsland zurückzukehren und sich in das Umsiedlungsverfahren einzugliedern.

3.1 Voraussetzungen, unter denen ein Asylbewerber in ein Erstankunftsland zurückgeschickt werden kann

Folgende Bedingungen müssen in einem Land vorhanden sein, in welches ein Asylbewerber zurückgebracht werden kann:

a) Schutz vor Verfolgung (einschließlich des Schutzes vor Abschiebung, non-refoulement) sowie Hilfsmaßnahmen während der Wartezeit. Diese minimalen Bedingungen hat das Exekutiv-Komitee des Hohen Flüchtlingskommissars in seiner Entschließung Nr. 22 (XXXII) Sektion II im einzelnen dargelegt.

b) Tatsächlicher Zugang zu einem örtlichen Verfahren zur Ermittlung der Flüchtlingseigenschaft (nach Möglichkeit sollten diese Länder Vertragspartner der Genfer Konvention sein).

c) Tatsächlicher Zugang zu einem raschen und angemessenen Umsiedlungsverfahren.

d) Einrichtungen für einstweilige örtliche Unterbringung, welche auf die Lebensbedingungen der ortsansässigen Bevölkerung Rücksicht nimmt.

e) Möglichkeiten für eine freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland, soweit dies möglich ist und vom Asylsuchenden ausdrücklich gewünscht wird.

Diese Voraussetzungen im Erstankunftsland sollen Flüchtlingen das Vertrauen geben, daß ihnen echte Möglichkeiten offenstehen, einschließlich der Möglichkeit, eine Umsiedlung in ein europäisches Land zu beantragen. Wo diese Voraussetzungen erfüllt werden und wo dessenungeachtet Flüchtlinge das Verfahren zu umgehen und direkt nach Europa zu reisen versuchen, sollen die Regierungen berechtigt sein, diese zur Rückkehr in das Erstankunftsland aufzufordern, vorausgesetzt, dieses Land ist bereit, sie ohne Bestrafung wiederaufzunehmen und ihnen den Zugang zu den oben beschriebenen Einrichtungen zu gewähren. Falls ein Asylsuchender Furcht vor Verfolgung im Erstankunftsland geltend macht oder die Befürchtung äußert, seine körperliche Sicherheit oder Freiheit sei dort gefährdet, so sollten die Behörden des europäischen Landes das Asylgesuch wohlwollend prüfen (vgl. Beschluß 15 (XXX) des UNHCR-Exekutivkomitees, Paragraph K, XXX. Sitzung).

Soweit die oben beschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, darf ein Asylsuchender nicht in ein Erstankunftsland zurückgeschickt werden.

3.2 Die Rückweisung von anerkannten Flüchtlingen in Erstankunftsländer, in denen keine Umsiedlungsmöglichkeiten vorhanden sind

In einigen Fällen versuchen Flüchtlinge aus der Dritten Welt, welche als Konventionsflüchtlinge anerkannt worden sind oder dort weitgehend als solche behandelt wurden, als Asylsuchende nach Europa zu gelangen. Obgleich für einige dieser Personen, insbesondere in Fällen von Familienzusammenführungen, eine Umsiedlungsmöglichkeit nach Europa angezeigt wäre, halten es die meisten freien Verbände für annehmbar, diese Personen wieder in ihr Asylland zurückzubringen, vorausgesetzt, es sind dort der Schutz und die Möglichkeiten zu einer Dauerlösung wirklich vorhanden. Im Klartext: freiwillige Repatriierung, örtliche Ansiedlungsmöglichkeiten oder einstweilige örtliche Unterbringung. Eine genaue Umschreibung des-sen, was entsprechende Einrichtungen in solchen Situationen umfassen sollten, wäre durch Gespräche mit Regierungen, zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen zu erarbeiten.

3.3 Kriterien der Ansiedlung

Bei der Einrichtung von Mechanismen zur Umsiedlung von Flüchtlingen aus Erstankunftsländern sollten sich die Regierungen und UNHCR über Entscheidungskriterien und die Prioritäten einigen. Diese Kriterien werden zwar von der Situation in den jeweiligen Ländern beeinflußt, jedoch können einige allgemeine Aussagen gemacht werden.

I. Erste Priorität sollte stets Personen gewährt werden, die sich in Gefahr befinden, sowie Familienzusammenführungen.

II. Die Regierungen der Aufnahmeländer sollten jenen Personen Priorität einräumen, welche bereits persönliche Bindungen zum Aufnahmeland haben.

III. Das Kriterium der »erfolgversprechenden Eingliederungsfähigkeit« sollte keinesfalls zu Lasten von Flüchtlingen gehen, die sich in Gefahr befinden.

3.4  Schlußfolgerung

Die Vorschläge dieser ersten drei Abschnitte bilden den Kernbereich eines nach Meinung der freien Verbände allseits zufriedenstellenden Systems. Fehlt ein solches System, so stellt die gewaltsame Rückschiebung eines Asylsuchenden in ein Erstankunfts- oder Transitland regelmäßig eine Verletzung von Art. 31 der Konvention und möglicherweise auch eine Verletzung von Art. 33 dar.

4.  Die Politik gegenüber Asylbewerbern, die nach einem vollständigen und rechtmäßigen Asylverfahren nicht als Flüchtlinge des Landes anerkannt wurden, in welchem sie um Asyl nach nachgesucht haben, und denen eine Aufenthaltserlaubnis verweigert wurde

Die Zahl der in den letzten Jahren von europäischen Regierungen nach Asylantragsablehnung zwangsweise in ihre Herkunftländer verbrachten Asylbewerber ist verhältnismäßig klein. Wo es dazu kam, führten Zwangsausweisungen nicht selten zu traumatischen Situationen für die Betroffenen. Einige Asylbewerber zogen ihrer Rückkehr den Selbstmord vor. In diesem Bereich ist eine klare und humane Politik dringend erforderlich.

Eine gewaltsame Rückkehr von abgewiesenen Asylbewerbern in ihre Herkunftsländer sollte nicht in Betracht gezogen werden, ohne ihnen zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, um Aufnahme in ein anderes Land nachzusuchen, sofern dies in vertretbarer Zeit möglich ist. Die Regierungen sollten überdies ein Zeitlimit setzen, nach welchem sie in der Regel nicht auf Rückkehr bestehen werden, selbst wenn der Asylantrag abgelehnt worden sein sollte. Die Regierungen sollten dazu einheitliche Verfahrensvorschriften erlassen.

Werden abgewiesene Asylsuchende schließlich zurückgeschickt, so sollten die Regierungen folgende Vorkehrungen treffen:

I. Zugang zu Beratungsstellen nichtstaatlicher Organisationen, welche auf diesem Gebiet über Erfahrungen verfügen.

II. Berücksichtigung der Wünsche des Asylsuchenden in Bezug auf die Art und Weise seiner Rückreise.

III. Angemessene Hilfe zur Wiedereingliederung.

Visabestimmungen und Fluggesellschaften

Es gehört zu den Rechten eines jeden Staates, über den Erlaß von Visavorschriften zu entscheiden. Trotzdem widerspricht es internationalen Rechtsgrundsätzen, wenn Einreisevisa ausschließlich deshalb verlangt werden, um asylsuchende Menschen vom Verlassen ihres eigenen Landes oder des Erstankunftslandes abzuhalten. Die in den letzten Jahren von vielen europäischen Staaten veranlaßte rapide Ausdehnung der Visaforderungen hat es für Flüchtlinge aus bestimmten Ländern erheblich erschwert, in Europa Asyl zu suchen oder zu erhalten. Ab 1992 — das ist zu befürchten — werden die Staatsangehörigen sämtlicher außereuropäischer Länder der Visapflicht unterworfen sein, die in irgendein europäisches Land einreisen wollen. Zur wirksamen Durchsetzung ihrer Visavorschriften hat eine ganze Anzahl von europäischen Regierungen gesetzliche Bestimmungen eingeführt, um Fluggesellschaften mit Geldstrafen zu belegen, wenn sie Passagiere ohne gültige Reisedokumente befördern. Dem Flugpersonal werden hierdurch Pflichten auferlegt, die nicht ihrem Auftrag entsprechen oder für deren Erfüllung sie nicht qualifiziert sind. Gleichzeitig wird es echten Flüchtlingen in vielen Fällen unmöglich gemacht, ihre Länder zu verlassen. Diese Entwicklung scheint im Konzept »Festung Europa 1992« eine Begründung zu finden, welche die totale Abschirmung Europas von unerwünschter Einwanderung durch eine umfassende Visa-Politik vorsieht. Nach Meinung der freien Verbände ist diese Politik in der vorgesehenen Weise undurchführbar und nicht wünschenswert. Ihr ist in keinem der betroffenen Länder eine öffentliche Diskussion vorausgegangen.

Die freien Verbände verstehen mögliche Befürchtungen der europäischen Regierungen, daß in der Folge von Unterdrückungsmaßnahmen und Unruhen in einem nichteuropäischen Land plötzlich eine große Anzahl von Menschen aufbrechen und als Asylsuchende direkt in ein europäisches Land flüchten könnte. Nach Meinung der freien Verbände kann einer solchen Situation durch geeignete Maßnahmen und durch ein mit anderen Ländern der Region abgestimmtes Vorgehen begegnet werden. Die befürchtete Möglichkeit allein rechtfertigt aber m keiner Weise die Art der jetzt eingeleiteten restriktiven Maßnahmen.

6  Förderung der Erforschung von Fluchtursachen und Maßnahmen zur Verhinderung neuer Flüchtlingsströme

Eine umfassende Lösung des Weltflüchtlingsproblems muß sich auch den Ursachen zuwenden, die Wanderungsbewegungen von Flüchtlingen auslösen und Menschen veranlassen, ihre Herkunftsländer zu verlassen (Resolution 41/124, angenommen von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 4. Dezember 1986; »… includes the need to address the causes of movements of refugees and asYlum seekers from their countries of origin«). Die Generalversammlung hat in ihrer 41. Sitzung im Dezember 1986 zu dem die Resolution 41/70 über die internationale Zusammenarbeit zur Verhinderung der Flüchtlingsströme angenommen, welche die Empfehlungen eines Berichtes, der von einer staatlichen Expertengruppe zu diesem Thema erarbeitet wurde, unterstützt. Auch die Studie über »Human Rights and Massive Exodus«, welche Prinz Sadruddin Aga Khan auf Wunsch der Vereinten Nationen durchgeführt hat, ist ein beachtenswerter Beitrag zum allgemeinen Verständnis darüber, was eigentlich die primären Ursachen für die Flüchtlingsprobleme sind. Diese Untersuchungen geben detailliert Aufschluß über die Zusammenhänge zwischen dem weltweiten wirtschaftlichen und politischen System einerseits und der Entstehung von Flüchtlingsbewegungen andererseits.

Es besteht also ein internationaler Konsens in diesen Fragen, und wir schlagen vor, daß die europäischen Regierungen eine führende Rolle übernehmen, um die schwierigen und langwierigen internationalen Maßnahmen in die Wege zu leiten, welche erforderlich sind, um neue Flüchtlingsströme zu verhindern.

Wege, wie Europa einen Beitrag zur Sicherstellung des Schutzes und der Hilfe fürFlüchtlinge außerhalb Europas leisten könnte, und wie Situatio nen gefördert werden können, welche eine Flucht nicht erforderlich machen, und wie jenen, die geflüchtet sind, die Rückkehr ermöglicht werden kann.

Nicht nur innerhalb Europas sollten der Rechtsschutz und die Hilfsmaßnahmen für Flüchtlinge harmonisiert werden, eine klare Politik müßte auch bezüglich der Flüchtlinge außerhalb Europas entwickelt werden. Eine Pflicht zur Hilfeleistung gegenüber Ländern, die große Zahlen von Flüchtlingen beherbergen, ist eindeutig ausgesprochen in der Entschließung 15 des UNHCR-Exekutivkomitees. Viele Länder können heute ungestraft ihre internationale Verantwortlichkeit, Flüchtlinge aus benachbarten Ländern zu schützen und zu unterstützen, verletzen, weil sie sich darauf berufen können, die von der internationalen Völkergemeinschaft zugesagte Hilfe sei ausgeblieben. In solchen Fällen kommt es nicht selten zu einer direkten Umleitung des Flüchtlingsstroms m Richtung Europa. Die europäischen Regierungen haben deshalb sowohl ein pohtisches Interesse als auch eine humanitäre Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß alle Länder, mit denen politische, diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen gepflegt werden, auch in der Lage sind, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, wenn diese sich einer großen Zahl von neuangekommenen Flüchtlingen gegenübergestellt sehen.

Die Verpflichtung der europäischen Regierungen, die Rechte der Flüchtlinge außerhalb Europas sicherstellen zu helfen, erstreckt sich auch auf die Verhinderung der Vertreibung von eigenen Staatsangehörigen sowie auf die Erleichterung der freiwilligen Repatriierung. In den letzten Jahren war es mehreren Staaten möglich, sowohl Gruppen ihren eigenen Staatsangehörigen zu vertreiben und ihnen die Heimkehr zu verweigern als auch den in diesen Ländern weilenden Flüchtlingen die freiwillige Rückkehr zu verweigern, ohne daß sie durch die internationale Völkergemeinschaft verurteilt worden wären oder Sanktionen auf sich gezogen hätten. Die europäischen Regierungen sollten sich vermehrt des Gesamtzusammenhangs des Weltflüchtlingsproblems bewußt werden. Unterlassen sie es, auf die strenge Einhaltung der internationalen Vereinbarungen zu bestehen, oder verweigern sie den armen Ländern die nötigen Hilfen zu einer regionalen Lösung des Flüchtlingsproblems, so kann dies direkte oder indirekte Rückwirkungen auf Europa selbst haben.

8  Positives Image für Flüchtlinge

Es kommt heute immer wieder vor, daß Regierungsstellen und Politiker in der Öffentlichkeit negative Bilder von Flüchtlingen und Asylsuchenden zeichnen. Häufig erwecken sie auch den Eindruck, die Zahl der asylsuchenden Menschen in Europa oder die der potentiellen Asylsuchenden sei weit höher als sie tatsächlich ist. Anzuregen sind daher Maßnahmen, welche geeignet sind, in der Öffentlichkeit ein positiveres und wahrheitsgetreueres Bild von Flüchtlingen und Asylsuchenden izu zeichnen.

a) Wörter wie »Zustrom«, »Wellen«, »Überschwemmung«, »Asylant«, »Asyltouristen«, »Wirtschaftsflüchtling«, »unecht«, »falsch«, »mißbräuchlich« etc. sollten vermieden werden.

b) Die Informationsdienste der Regierungen eines jeden europäischen Landes sollten eine Broschüre herausgeben, welche die Lage der Flüchtlinge und die Flüchtlingspolitik der Regierung beschreibt sowie aktuelle statistische Zahlen enthält. Diese Broschüre könnte in Zusammenarbeit mit den nicht-staatlichen Organisationen erarbeitet werden.

c) Es sollten spezielle Programme mit guten Ideen angeregt und eingeführt werden, wie etwa:

  • nationale Flüchtlingsdokumentationszentren
  • besondere Veranstaltungen, wie z.B. ein Tag des Flüchtlings, oder eine Woche der Freundschaft mit Flüchtlingen,
  • Schulungskurse für Richter, Beamte und andere Asylpraktiker,
  • Studium der Flüchtlingsfrage in den Lehrplänen der Schulen, der Fachhochschulen und der Universitäten, insbesondere in den Vorlesungen über Rechtswissenschaft, neuere Geschichte, Sozialkunde und internationale Beziehungen,
  • Vermittlung kultureller, historischer und politischer Informationen über die Herkunftsländer.

d) Die Regierungen sollten Weisungen und Richtlinien für die mit Asylbewerbern sich befassenden Regierungsbeamte veröffentlichen.

e) Die Regierungen sollten mit den nichtstaatlichen Organisationen zusammenarbeiten, um ein positives Image für Flüchtlinge zu fördern.

f) Gemeinsam mit den nichtstaatlichen Organisationen sollten die Regierungen in den Medien für mehr Verständnis für Flüchtlingsfragen eintreten.

g) Regierungen und nichtstaatliche Organisationen sollten Untersuchungen unterstützen, welche die Haltung der Öffentlichkeit gegenüber Flüchtlingen sowie die Ursachen dieser Haltung erforschen. Diese Untersuchungen sollten aufzeigen, inwieweit die öffentliche Meinung von der Wirklichkeit abweicht und inwieweit die Regierungspolitik von der öffentlichen Meinung über Flüchtlinge und Asylsuchende geformt wird und inwieweit von der aktuellen Situation.

Schlußfolgerung der euorpäischen Staaten in Bezug zur Harmonisierung des Asylrechts und der Hilfsam,ßnahmen unter den europäischen Staaten

In verschiedenen europäischen Gremien auf Regierungsebene werden gegenwärtig Schritte zur Harmonisierung der Asylpolitik unternommen. Nach einer Pressemeldung vom 13. Februar 1987 suchen die europäischen Regierungen nach Lösungen, welche mit den in diesem Dokument erwähnten Vorschlägen teilweise übereinstimmen. Allerdings ist es ECRE bisher nicht bekannt gworden, daß irgendwelche besonderen Maßnahmen eingeleitet worden sind mit dem Ziel, Schutz, Hilfsmaßnahmen, Integration und Hilfen auf Flüchtlinge außerhalb Europas zu koordinieren. Parlamentarische Gremien des Europarates und das Europäische Parlament haben zwar eine Reihe von positiven Vorschlägen vorgelegt, um auch in der Asylpolitik der europäischen Staaten jene Grundsätze durchzusetzen, welche in der Genfer Konvention von 1951 und in der europäischen Menschenrechtskonvention enthalten sind. Gleichzeitig arrangieren Minister und Beamte der Innen- und Justizressorts mehrere Ad-hoc-Treffen, um Maßnahmen auszuarbeiten, die ausschließlich darauf ausgerichtet sind, Ausländer ohne Personaldokumente fernzuhalten, einschließlich jener, die Asyl beantragen wollen. Auf der Tagesordnung dieser geheimgehaltenen Gespräche finden sich die Punkte Terrorismus und Drogenhandel. Es ist nicht ausgeschlossen, daß solche Diskussionen die Menschenrechtsgrundsätze bedrohen, wie sie der Europarat auf parlamentarische Art und Weise festgelegt hat. Um eine korrekte Behandlung dieser Fragen von erheblicher öffentlicher Bedeutsamkeit sicherzustellen, appellieren die freien Verbände an den Europarat sowie an die nationalen Parlamente. Sie möchten die Garantie, daß alle durch Erfahrung und Sachkunde befähigten Personen und Institutionen zuammenwirken zur Ausarbeitung einer abgestimmten Gesamtpolitik.

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