Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 203: Religiöse Sonderrechte auf dem Prüfstand

Kirchen­steuer – wie lange noch?

Für eine Kirchenfinanzierung ohne staatlichen Zwangseinzug

aus: vorgänge Nr. 203 (3-2013), S. 29-41

Die Kritik an der staatlichen Mitfinanzierung der beiden christlichen Kirchen kommt nicht nur von „Außen“, sondern wird auch von Christen selbst geübt. Das betrifft sowohl die direkten Zuwendungen in Form sog. Staatsleistungen, als auch die staatliche Mithilfe bei Erhebung und Einzug der Kirchensteuern. Der Dietrich-Bonhoeffer-Verein, in dem sich engagierte Christen zusammengeschlossen haben, fordert eine Neuordnung der Kirchenfinanzierung. Über mehrere Jahre hat er ein Modell zur alternativen Kirchenfinanzierung entwickelt. Die Verwirklichung einer strikten finanziellen Trennung von Staat und Kirche erhält so eine reelle Chance.

1. Probleme der gegen­wär­tigen Situation

Die Kirche ist kein Selbstzweck. Das Festhalten an Privilegien oder die Vernachlässigung ihres Dienstes aus Besorgnis um gefährdete Eigeninteressen schadet ihrer Glaubwürdigkeit. Die Freiheit der Kirche gründet in nichts anderem als in ihrem Auftrag. So klar diese theologischen Einsichten in der Theorie sind, so unklar ist ihre Geltung in der Praxis. Schon Bonhoeffer beklagte die Sorge der Kirche um ihre Selbsterhaltung. Er sah die schädlichen Folgen für den Verkündigungsauftrag: „Unsere Kirche, die in diesen Jahren nur um ihre Selbsterhaltung gekämpft hat, als wäre sie ein Selbstzweck, ist unfähig, Träger des versöhnenden und erlösenden Wortes für die Menschen und für die Welt zu sein.“

Die Struktur unserer Kirchen, die weitgehend auf religiöse und soziale Serviceleistung abstellt, ist in der Gefahr, die Menschen als Kollektivmitglieder und Religionskonsumenten zu behandeln. Auf der rituellen Ebene kommt dies durch die Banalisierung der Kindertaufe zum Ausdruck. Auf der organisatorischen Ebene wird es an der Kirchensteuer ablesbar. Voraussetzung für die Kirchensteuer ist weder, dass man am Leben einer Gemeinde teilnimmt, noch, dass man sich als praktizierender Christ versteht. Die Tatsache, dass jemand Kirchensteuer zahlt, verweist weder auf eine besondere Glaubenseinstellung noch auf ein besonderes kirchliches oder soziales Engagement. Deutlich wird lediglich, dass der Betreffende dem Einzug der Kirchensteuer nicht widersprochen hat. Seine religiöse Sozialisation scheint „normal“ verlaufen zu sein. Seine soziale Anpassungsfähigkeit ist befriedigend ausgebildet. Und noch etwas lässt die Tatsache der Kirchensteuer vermuten: nämlich dass der Kirchensteuerzahler bestimmte Leistungserwartungen an seine Kirche hegt.

Niemand zahlt eine Steuer, der er sich auch entziehen könnte – nämlich durch Kirchenaustritt -, ohne von einer bestimmten Zahlungsmotivation bestimmt zu sein. Würde die Mehrzahl der Kirchenmitglieder ihrer Gemeinde als einer lebendigen Beziehungsgemeinschaft angehören, ließen sich die finanziellen Fragen auf der Basis eines solidarischen Gemeinschaftsgefühls regeln. Wer einer Gemeinschaft angehört und wem deswegen eine Gemeinschaft wichtig ist, der ist in aller Regel auch bereit, nach seinen Möglichkeiten einen finanziellen Beitrag zum Erhalt dieser Gemeinschaft zu leisten (Einzelne, die sich dem entziehen, bleiben verkraftbar). Da bei der Mehrzahl der Kirchensteuerzahler dieses Zugehörigkeitsgefühl jedoch nur schwach oder fast gar nicht ausgeprägt ist, muss die Zahlungsmotivation anders ausgestaltet sein. Es bietet sich als Erklärungsmuster die Tatsache an, dass mit der Kirchensteuerzahlung das Recht erworben wird, die Kirche ab und zu als Service-Dienstleister in Anspruch zu nehmen. Die kirchlichen Serviceleistungen werden durch die Kirchensteuer bereits vor ihrer konkreten Inanspruchnahme pauschal abgegolten.

Die Gefahren einer solchen Entwicklung liegen auf der Hand: Fast schleichend verliert die Kirche die für sie notwendige Freiheit. Sie gerät in Zugzwang, da sie – wie eine Versicherungsagentur – die Beiträge vor Bereitstellung der Leistungen einkassiert hat. Niemand braucht sich zu wundern, wenn in der Folge bedenkliche Ansprüche und Erwartungen an sie herangetragen werden. Zu den begehrten Serviceleistungen gehören nicht nur Kindergärten oder Diakoniestationen, Kirchenkonzerte und Telefonseelsorge. Der Servicegedanke dringt bis in die Kernbereiche des Religiösen vor. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Kasualien (Taufe, Trauung, Beerdigung). Sie verlieren ihren Charakter als Orte des Vollzugs von Gemeindeleben und degenerieren zu Servicehandlungen mit Darstellungsabsicht (vgl. das Thema Fotografieren bei Amtshandlungen!). Gelegentlich diktieren die Kirchensteuerzahler für die Ausgestaltung dieser Amtshandlungen sehr persönliche Bedingungen.

Manche Pfarrer_innen können berichten, in welche Situationen das führen kann. Die Kirche verlässt ihre Identität. Das Evangelium wird zu einer billigen Ware. Der Versuch der einzelnen Pfarrerin oder des einzelnen Pfarrers, hier entgegen zu steuern, muss wirkungslos bleiben, da es meistens Kolleginnen und Kollegen geben wird, die in die entstehende Bresche einzuspringen bereit sind. Hat sich eine Kirche erst einmal darauf eingelassen, die Zahlungsmotivation ihrer Mitglieder von dem Zugehörigkeitsgefühl abzukoppeln und mit dem Servicegedanken zu verbinden, drohen ungeahnte Konsequenzen. In der religiösen Sozialisation muss künftige Zahlungsmotivation vorbereitet werden. In der Handhabung ihrer Ordnung muss die Kirche flexibel sein, um auf Servicewünsche eingehen zu können. Die Kirche darf sich mit Meinungsäußerungen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, um nicht Kirchensteuerzahler zu verprellen. In Konflikten wird man derjenigen Partei entgegenkommen, deren Verärgerung eine stärkere finanzielle Einbuße befürchten ließe. Die Sorge um das Finanzaufkommen wird zu einem der zentralen Gesichtspunkte, unter denen Kirche sich – eher unbewusst als reflektiert – verhält und mit denen sie Entscheidungen vorbereitet und steuert. Meistens sind es erst die Konflikte, die dies bewusst machen und so die eigentlich leitenden Entscheidungskriterien zutage treten lassen.

Auch hier muss ich möglichen Missverständnissen sofort entgegentreten. Selbstverständlich hat sich eine Kirche in verantwortlicher Weise um die Finanzen zu kümmern. Haushaltsfragen, die Sicherung von kirchlichen Arbeitsplätzen und die Erfüllung eingegangener finanzieller Verpflichtungen gehören zu einer verantwortlichen Haushalterschaft. Nicht die Sorge um die finanziellen Fragen im allgemeinen ist zu beanstanden. Die Kritik richtet sich vielmehr dagegen, dass die Funktion des Geldes in der Kirche verweltlicht ist. Während die kirchlichen Einnahmen ursprünglich der Freistellung von Personal dienten, um den kostenlosen Dienst an der Gemeinschaft und an anderen Menschen zu ermöglichen, wird das bezahlte Personal jetzt damit beauftragt, so zu arbeiten, dass sich weitere Geldeinnahmen vorbereiten oder erschließen. Mit Geld soll Geld verdient werden – eine der typisch kapitalistischen Maximen. Die Kirche möchte die Frage des Geldes – insbesondere die Frage der Vermehrung von Geld durch Geld bzw. der Steuerung von Inhaltsfragen durch Einnahmestrategien – im Hintergrund halten (nach dem Motto: über Geld spricht man nicht, Geld hat man). Dies lässt die Vermutung aufkommen, dass sie sich nicht nur um ihr Image sorgt, sondern sich auch ihrer eigenen Mitglieder unsicher ist. Offensichtlich hat sie Angst davor, dass die Menschen die Zahlung der Kirchensteuer zum Gegenstand des Nachdenkens und einer Überprüfung machen könnten. Zu Recht spürt die Kirche, dass mit einer Änderung des gegenwärtigen Kirchensteuersystems zahlreiche Folgerungen verbunden wären. Nicht nur organisatorische Fragen müssten neu geregelt werden. Das Selbstverständnis der Kirche und das Selbstverständnis der einzelnen Kirchenmitglieder wären davon berührt.

Im Augenblick befinden wird uns an dieser Stelle in einer Sackgasse. Die stetigen Beteuerungen, das Kirchensteuersystem habe sich bewährt und sei das beste aller denkbaren, führen nicht weiter. Die Finanzfrage muss aus der Grauzone der verdeckt wirkenden Motive herausgeholt und in einer möglichst plausiblen, mit den heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten kompatiblen Weise geklärt werden. Die Angehörigen der beiden großen christlichen Kirchen machen einen immer kleiner werdenden Anteil an der Gesamtbevölkerung aus. Der Islam gehört vielerorts bereits zum Alltagsbild einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft. Zu den gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte gehört eine Stärkung des demokratischen, bürgerschaftlichen Selbstbewusstseins. Auf diesem Hintergrund wird der Zwangscharakter der gegenwärtigen Kirchenfinanzierung als eine Entmündigung empfunden. Die Kirche bringt damit zum Ausdruck, dass sie ihren Mitgliedern weder die Einsicht in Finanzierungsfragen noch die Motivation zu freiwilligen Beteiligungsformen zutraut. Die Glaubwürdigkeit nimmt Schaden, weil Zwangsverhältnisse sich nicht von selbst verstehen. Sie müssen künstlich eingeführt und gegen das Empfinden der Menschen immer wieder durchgesetzt werden. Die Kirche gerät bei allem, was sie sagt und tut, in den Verdacht, nicht nur der Sache bzw. den Menschen dienen zu wollen, sondern auch dem Nachweis ihrer eigenen Unentbehrlichkeit und damit dem Nachweis der Notwendigkeit, das mit Zwangsmitteln arbeitende Kirchensteuersystem fortzuführen.

Der staatliche Steuerzwang beim Einzug der Kirchensteuer verstößt sowohl gegen die biblischen Aussagen von der Freiwilligkeit des Gebens als auch speziell gegen die Bekenntnisgrundlagen der Evangelischen Kirche (vgl. die Barmer Theologische Erklärung von 1934 mit ihrer Ablehnung staatlicher bzw. verstaatlichter Kirchenstrukturen). Er sollte deswegen möglichst schnell beendet werden.

Der Einwand, bei dem gegenwärtigen Kirchensteuereinzug werde die Trennung von Staat und Kirche nicht verletzt, die Kirche eigne sich keine staatliche Art, Aufgaben und Würde an, da sie ja den Kirchensteuereinzug nicht selbst vornehme, kann nicht ernsthaft Bestand haben. Denn der gegenwärtige Kirchensteuereinzug nimmt seinen Ausgang darin, dass die Kirche den Staat mit dieser Dienstleistung beauftragt. Auftraggeber ist die Kirche. Die Kirche hat also auch die theologische Verantwortung dafür zu übernehmen. Für die ethische Beurteilung ist es gleichgültig, ob jemand eine unzulässige Tat selbst ausführt oder ob er sie in Auftrag gibt. Wenn eine Tat unzulässig wäre, wenn sie jemand selbst ausführt, dann ist dieselbe Tat ebenso unzulässig, wenn sie von demselben Jemand bei anderen in Auftrag gegeben wird.

An sich wäre es Sache des Staates gewesen – und zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen -, ein solches Ansinnen der Kirchen zurückzuweisen. Dass dies nicht geschehen ist, zeigt die bis heute fortwirkende Allianz von Thron und Altar in Deutschland. Man darf gespannt sein, wie sich diese Allianz einmal auflösen wird, auf welcher Seite sich zuerst eine deutliche Auflösungsinitiative in Richtung Beendigung des staatlichen Kirchensteuereinzugs formieren wird. Es ist denkbar, dass diese Initiative von Staat und Politik ausgehen wird. Es ist aber ebenso denkbar, dass die Kirchen tätig werden, weil sie die Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Systems erkennen und in der eigenen Initiative die beste Gewähr dafür erblicken, ihre Zukunft zu sichern und das Gesetz des Handelns in der Hand zu behalten.

2. Die Reform­dis­kus­si­onen des Dietrich-­Bon­ho­ef­fer-­Ver­eins

Die Reformüberlegungen des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins gehen davon aus, dass das Kirchensteuersystem in nicht allzu ferner Zukunft seine dominierende Rolle bei der Kirchenfinanzierung einbüßen wird. Es scheint uns nicht klug zu sein, dieser Entwicklung untätig zuzuschauen. Wir möchten dazu beitragen, dass in Kirche und Gesellschaft das Gespräch über Alternativen rechtzeitig in Gang kommt.

Die Augenblicks-Stabilität der Kirchensteuer trügt. Die sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen werden sich bald in sinkenden Einnahmen niederschlagen – sofern dies nicht schon jetzt geschieht. Die Bereitschaft der Politik, den Sonderstatus der Kirchensteuer zu verteidigen, wird nachlassen. Die kirchlichen Privilegien werden im öffentlichen Bewusstsein zunehmend an Akzeptanz und Plausibilität verlieren.

Die skeptischen Prognosen hinsichtlich ihrer Zukunftstauglichkeit sind nicht die einzigen Ursachen, warum wir uns mit der Kirchensteuer beschäftigen. Noch gewichtiger sind die Negativ-Auswirkungen, die von diesem Finanzierungssystem bereits gegenwärtig ausgehen. Die Kirchensteuer entstellt das Wesen der Kirche zu einem obrigkeitsähnlichen Amtsapparat. Sie entfremdet und anonymisiert die Beziehung zwischen der Kirche und ihren Mitgliedern. Nur wenn die Kirche ihre Selbstblockade überwindet, wird sie reform- und entwicklungsfähig bleiben und auf die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse angemessen reagieren können.
Seit 1995 befasst sich der Dietrich-Bonhoeffer-Verein (dbv) mit der Kirchensteuerfrage. 1998 wurde für diesen Themenbereich eine Arbeitsgruppe „Gemeinwohlfinanzierung“ eingerichtet, der nicht nur Mitglieder des dbv, sondern auch Vertreter von Bürgerrechtsorganisationen, politischen Parteien sowie Fachvertreter der Juristerei und des Steuerrechts angehören. Die Arbeitsgruppe nennt sich seit dem Jahr 2006 „Kirche gestalten – Ordnung und Finanzierung von Kirche“.

Die ursprüngliche Überlegung der Arbeitsgruppe war es, in Deutschland – ähnlich wie in Italien und Spanien – eine Art „Kultursteuer“ einzuführen und mit ihr die Kirchensteuer abzulösen. Die Diskussion des Kultursteuer-Modells hat seine Schwächen sichtbar werden lassen. Die Suche nach sinnvollen Reformschritten, die sowohl mit den Demokratiestandards unserer Gesellschaft als auch mit dem theologischen Selbstverständnis von Kirche kompatibel sind, musste fortgesetzt werden.

Es wurde im nächsten Schritt das Zwei-Säulen-Modell des dbv konzipiert. Dabei wurde die Idee der „Kultursteuer“ für die hiesigen gesellschaftlichen Verhältnisse modifiziert und hin zu der neuen Idee von „Bürgerguthaben“ verändert. Außerdem wurde anerkannt, dass die „Bürgerguthaben“ als Kirchenfinanzierung nicht ausreichen, sondern einer Ergänzung durch eine spezielle Mitgliederfinanzierung bedürfen – durch eine modifizierte Kirchensteuer, die nicht mehr vom Staat eingezogen wird.

Auf diese Weite entstand das Modell „Für mehr Demokratie und bürgerschaftliches Engagement – Für eine Kirchenfinanzierung ohne den staatlichen Zwangseinzug“. Die zwei Elemente des Modells waren folgende: Der staatliche Zwangseinzug der Kirchensteuer wird beendet. Die Kirchensteuer wird von den Kirchen selbst eingezogen. Der Staat entwickelt mit dem Bürgerguthaben eine neue Form der Gemeinwohlfinanzierung, die nicht nur den Kirchen, sondern allen kulturellen, sozialen und gemeinnützigen Einrichtungen in der Gesellschaft zugute kommt. Dieses Zwei-Säulen-Modell ist 2002 in dem Buch „Abschied von der Kirchensteuer“ im Publik-Forum Verlag veröffentlicht worden. Die Diskussion blieb nicht beim Zwei-Säulen-Modell stehen, sondern entwickelte sich weiter zum Drei-Säulen-Modell. Eine sehr simple Beobachtung gab den Anstoß für die Weiterentwicklung: Wir hatten vergessen, die freiwilligen Gaben wie Kollekten und Spenden in das Modell aufzunehmen. Nur die offiziellen, rechtlich verbindlichen, mit dem Staat abgesprochenen und organisierten Finanzierungswege waren bisher in unser Blickfeld gekommen. Wir merkten an uns selbst, wie die grundlegenden Finanzierungsformen in der Kirche ein Schattendasein führen und wieder neu in unser Bewusstsein und in unsere Aufmerksamkeit gebracht werden müssen. Denn die Basisfinanzierung von Kirche sollten immer die freiwilligen Gaben (Kollekten und Spenden) sein. Alle anderen Finanzierungsformen können nur eine zusätzliche Hilfe sein.

Bei der Weiterentwicklung zum Drei-Säulen-Modell trat nicht nur die erste Säule „Kollekten und Spenden (freiwillige Gaben)“ hinzu. Auch in der zweiten und dritten Säule wurden Veränderungen vorgenommen. In der zweiten Säule wurde der Begriff „Kirchensteuer“ fallengelassen. Er ist negativ belastet und hat Konnotationen, die wir nicht mehr für richtig halten. Der stattdessen gewählte Begriff „Gemeindebeitrag“ sagt besser, worum es geht und wer der ursprünglich gemeinte Empfänger des kirchlichen Mitgliedsbeitrags ist. Außerdem haben wir die „Bürgerguthaben“ in „Bürgergutscheine“ umbenannt. Während sich an dem Finanzierungsinstrument „Bürgerguthaben“ nur diejenigen beteiligen konnten, die Steuern zahlen, gehört es zum Konzept der „Bürgergutscheine“, dass alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger Empfänger und Weitergeber der Bürgergutscheine sein können. Das Reformmodell des dbv trägt nunmehr den offiziellen Titel „Das Drei-Säulen-Modell für eine Reform der Kirchenfinanzierung und eine Verbesserung der Gemeinwohlfinanzierung“ und wurde ausgearbeitet von der AG „Kirche gestalten“ des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins (dbv) unter Mitwirkung des Aktionskreises Halle (AKH).

3. Wie lange sind Reformen noch durch­setz­bar?

Das Drei-Säulen-Modell setzt ganz bewusst nicht nur auf Kollekten, Spenden und freiwillige Beiträge. Es werden im öffentlich-rechtlichen Raum neue, ergänzende Finanzierungsformen (Gemeindebeiträge und Bürgergutscheine) entwickelt. Für die kirchliche Arbeit wird der Kontext des Gemeinwohlgedankens festgehalten. Insofern ist das Reformvorhaben nicht umstürzlerisch angelegt, sondern nimmt Rücksicht auf Traditionen, Gewohnheiten und gesellschaftliche Gegebenheiten.

Trotzdem brechen bei dieser Thematik starke Ängste auf. Der Kompromisscharakter des Reformmodells kann kaum wahrgenommen werden. Die beiden großen christlichen Kirchen versperren sich bislang strikt gegen eine Kirchensteuerdiskussion. Sie sind der Meinung, dass der Stabilität und dem Fortbestand der Kirchensteuer am besten gedient ist, wenn man nicht darüber spricht und keine schlafenden Hunde weckt. Solange es Menschen gäbe, die mit dem Kirchensteuersystem einverstanden seien, „wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert, es abzuschaffen“ – so der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider.(1)

Unseres Erachtens unterliegen die Kirchenleitungen mit solchen Positionen einer Fehleinschätzung. Die Hunde sind längst geweckt. Die Menschen haben sich bereits ihr Urteil gebildet und lehnen mehrheitlich die Kirchensteuer in ihrer jetzigen Form ab. Selbst die Kirchenmitglieder gehen mehrheitlich auf Distanz. Es stellt sich die Frage: Kann die Kirche sich den Zeitpunkt aussuchen, an dem sie sich auf eine Diskussion einzulassen gedenkt, oder werden für eine solche Diskussion die Zeitfenster von der gesellschaftlichen Entwicklung und der öffentlichen Meinung definiert – wer Einfluss nehmen und eigene Vorstellungen einbringen will, muss sich an solche gesamtgesellschaftlichen Vorgaben halten, ansonsten gilt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben… (Michail Gorbatschow, 1989)?

Jedenfalls ist unstrittig: Der Anteil der Kirchenmitglieder an der Gesamtbevölkerung sinkt weiter ab. Jedes Jahr sinkt die Zahl der Kirchenmitglieder um ca. 250.000.(2)  Unter den Kirchenmitgliedern ist der Anteil derer, die Kirchensteuer zahlen, noch einmal um ca. die Hälfte niedriger.

Unsere Sorge ist, dass die Kirchen das Zeitfenster für Reformen verpassen könnten – sofern sich das Thema auf dem Wege der Verdünnung und des Austrocknens nicht vorher von selbst erledigt: Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft könnten die Zahl der Kirchenmitglieder und der Einfluss der Kirchen auf die öffentliche Meinung so gesunken sein, dass sich das gegenwärtige Kirchensteuersystem wegen seiner Nicht-Gleichzeitigkeit mit einer demokratischen, multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft nicht mehr halten lässt. Die Vereinheitlichung der europäischen Verhältnisse wird ein Übriges tun. Wenn bis dahin nicht neue Finanzierungsformen mit öffentlich-rechtlicher Einbindung entwickelt sind – und die Entwicklung einschließlich der Umsetzung solcher Reformmodelle dauert nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte -, wird die Kirche gänzlich ins Private absinken. Damit werden die letzten Wälle brechen, und diejenigen, die sich gegen eine rechtzeitige Kirchensteuerdiskussion versperrt haben, werden sich vorwerfen lassen müssen, die dann sich ergebende gänzliche Privatisierung des kirchlichen Lebens, die sie verhindern wollten, durch ihren Starrsinn befördert zu haben.

Das Drei-­Säu­len­-­Mo­dell für eine Reform der Kirchen­fi­nan­zie­rung und eine Verbes­se­rung der Gemein­wohl­fi­nan­zie­rung

Vorbemerkungen

  1. Die Kirchenfinanzierung soll ein gesundes, solides und stabiles Fundament bilden, so dass die Basis für die soziale Arbeit und personelle Ausstattung der Kirchen auch in der Zukunft gegeben ist.
  2. Wir sind uns bewusst, dass eine Neugestaltung der Kirchenfinanzierung nicht kurzfristig zu verwirklichen ist, sondern einen langen Prozess der Umstellung und des Mentalitätswandels beanspruchen wird.
  3. „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Alles Denken, Reden und Organisieren in den Dingen des Christentums muß neugeboren werden aus diesem Beten und diesem Tun“ (Dietrich Bonhoeffer in „Widerstand und Ergebung“, Dietrich Bonhoeffer Werke Band 8, Seite 435f.).

Einführung & Erläu­te­rungen

Die erste Säule (Kollekten und Spenden): Als freiwillige Gaben sind Kollekten und Spenden nicht nur die älteste Form der Finanzierung christlicher Gemeinden, sondern auch die Finanzierungsform, die dem Wesen einer freien, vom Staat unabhängigen Kirche am ehesten entspricht. Nach staatlichem Recht werden Spenden/Zuwendungen zu gemeinnützigen Zwecken steuerlich begünstigt. Das Spendengesetz(3), das zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist, erweitert den Kreis der Begünstigten, erhöht die abzugsfähigen Höchstgrenzen und erlaubt den unbegrenzten Vortrag von Großspenden auf die folgenden Jahre. Zuwendungen zu Stiftungen bis zu 1 Million € können auf bis zu 10 Jahre steuerlich vorgetragen werden.

Die Zweite Säule (Gemeindebeiträge): Unser grundsätzliches Ziel ist es, längerfristig die Kirchensteuerpflicht durch einen verpflichtenden Gemeindebeitrag zu ersetzen, der von den Gemeinden erhoben wird. Voraussetzung dafür ist, a) dass Bonhoeffers Rede von dem „Christus als Gemeinde existierend“(4) Verbreitung und Anerkennung findet und die Gemeinde als tragendes und lebendiges Grundelement des kirchlichen Lebens geachtet wird (Bonhoeffer spricht deswegen von „Gemeindekirche“; die Aufgabe der übergemeindlichen Kirche ist es, helfende und dienende Funktionen für die Gemeinden wahrzunehmen); b) dass als Folge davon die Gemeindemitgliedschaft die primäre Zugehörigkeitsform darstellt und dass es eine Kirchenmitgliedschaft nur geben kann, die von der primären Gemeindemitgliedschaft ausgeht und auf ihr aufbaut; c) dass die Taufe nicht automatisch die Mitgliedschaft in einer Gemeinde / Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit den profanrechtlichen Folgen einer Verpflichtung zur Zahlung einer Kirchensteuer durch staatlichen Zwangseinzug begründet. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Eintritt in die christliche Glaubensgemeinschaft durch die Taufe und dem Eintritt in eine Gemeinde / Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch Willenserklärung. Ebenso ist es auch beim Gemeinde- / Kirchenaustritt: Der Austritt vor staatlichen Stellen (Amtsgericht, Standesamt) ist nur ein „Körperschaftsaustritt“, der die profanrechtlichen Zahlungspflichten beendet, aber nicht automatisch auch einen „Austritt aus Gemeinde und Kirche“ im Sinne des Verlassens der christlichen Glaubensgemeinschaft beinhaltet. Die Beendigung der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft muss jeder seiner Gemeinde selbst mitteilen, dafür gibt es nicht den Umweg über staatliche Stellen.(5) Die Taufe bleibt dabei unangetastet.

Die Umstellung auf das neue System der Kirchenfinanzierung soll, um Reibungen zu vermeiden, in zwei Schritten erfolgen. Den heute Kirchensteuerpflichtigen wird in einem ersten Reformschritt zur Wahl gestellt, ob sie weiterhin nach der bisherigen Regelung Kirchensteuer bezahlen oder auf verpflichtende Gemeindebeiträge umstellen wollen. Die Wahl kann durch eine schriftliche Willenserklärung getroffen werden.(6)

Die Gemeinden führen die Listen der Gemeindemitglieder, die sich für den Gemeindebeitrag entschieden haben. Die Gemeindebeiträge werden bereits in dieser Phase von den gemeindlich beauftragten Verwaltungsstellen erhoben. Ein Teil (etwa ein Drittel) wird für allgemeine, übergemeindliche und gesamtkirchliche Aufgaben abgetreten. Es wird vorausgesetzt, dass der Gemeindebeitrag steuerlich wie ein Mitgliedsbeitrag an eine gemeinnützige kirchliche Einrichtung behandelt wird und somit wie die gezahlte Kirchensteuer vom steuerpflichtigen Einkommen abgesetzt werden kann. Die Möglichkeit, das Kirchensteuersystem zu verlassen und sich für den Gemeindebeitrag zu entscheiden, beginnt für den Einzelnen ab dem Zeitpunkt der Religionsmündigkeit (14 Jahre).

In einem zweiten Reformschritt wird die Kirchensteuer endgültig und für alle verpflichtend durch den Gemeindebeitrag ersetzt. Das Kirchensteuersystem mit dem staatlichen Inkasso wird ganz abgeschafft. Erst in dem zweiten Reformschritt hört die Taufe auf, Grundlage für eine Zahlungsverpflichtung zu sein. Zur Begründung von profanrechtlichen Mitgliedschaftspflichten tritt nunmehr an die Stelle der Taufe eine Willenserklärung, die den Beginn der profanrechtlichen Körperschaftszugehörigkeit und der auf ihr basierenden Zahlungspflicht markiert.

Von diesem Zeitpunkt an sind das Führen der Mitgliederlisten und die Erhebung der Gemeindebeiträge ganz in den Händen der Gemeinden bzw. der von ihnen beauftragten Verwaltungsstellen. Die gesamtkirchlichen Verwaltungsstellen erhalten von diesem Zeitpunkt an ihre kircheninternen Finanzmittel nicht mehr über die staatlichen Finanzämter, sondern nur noch als weitergeleitete Abgaben der Gemeinden. Dies bedeutet, dass der Geldfluss dann ausschließlich von unten nach oben erfolgt.

Wir sind uns bewusst, dass diese Umstellung eine tiefgreifende Veränderung bedeutet. Deswegen könnte es sein, dass für den ersten Reformschritt viele Jahre benötigt werden, ehe der zweite Reformschritt gewagt werden kann. Dennoch darf der zweite Reformschritt nicht aus den Augen verloren werden. Er gibt die Richtung und das Ziel an. Sowohl die Bekennende Kirche als auch speziell Dietrich Bonhoeffer haben sich in der Richtung eines Gemeindebeitrags eine künftige Kirchenfinanzierung vorgestellt. Wir als Dietrich-Bonhoeffer-Verein halten die dahinter stehenden theologischen Einsichten für überzeugend und fühlen uns ihnen verpflichtet.

Die dritte Säule: Bürgergutscheine (aus Bürgerhaushalt): Ziel ist, dass ein Teil des Bundeshaushalts (etwa 1,5%) als Bürgerhaushalt deklariert wird, über den die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger zugunsten einer kirchlichen und/oder gemeinnützigen Vereinigung verfügen können. Zu diesem Zweck werden „Bürgergutscheine“ an die Wahlberechtigten verteilt, die sie an die kirchliche oder gemeinnützige Einrichtung ihrer Wahl weiterreichen. Diese lösen die Bürgergutscheine beim Finanzamt ein. Wenn wir davon ausgehen, dass jede/r Wahlberechtigte jährlich Bürgergutscheine im Gesamtwert von 100 € erhält, ergäbe dies bei geschätzten 50 Millionen Wahlberechtigten einen Ausgabenposten von rund 5 Milliarden €, das entspricht etwa 1,4% des Bundeshaushalts 2011 in der Höhe von 353,2 Milliarden €. Damit jede/r die Möglichkeit hat, mindestens 4 Begünstigte auswählen zu können, werden die Bürgergutscheine in je 4 x 25 €-Gutscheine gesplittet. Alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger können ihre Bürgergutscheine persönlich einer kirchlichen oder anderen gemeinnützigen Einrichtung ihrer Wahl aushändigen. Die Bürgergutscheine sind fälschungssicher ausgestellt und können nur an Institutionen weitergegeben werden, die gemäß § 52 Abs. 2, Nr. 1-20 und 24-25 der Abgabenordnung (AO) als gemeinnützig anerkannt sind. Bewusst ausgenommen sind die unter Nr. 21-23 der AO genannten Vereine zur Förderung von Sport, Heimatpflege, Heimatkunde, Tierzucht, Pflanzenzucht, Karneval usw., deren Gemeinnützigkeit auch nach dem neuen Spendengesetz eingeschränkt ist (so sind die Mitgliedsbeiträge dieser Vereine nicht steuerlich abzugsfähig).

Die dritte Säule des Modells trägt dazu bei, die Gemeinwohlfinanzierung nicht nur der Kirchen, sondern ganz allgemein des sozialen, ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements auszuweiten und zu verbessern. Durch die Verfügungsgewalt über einen kleinen Teil der Ausgaben des Bundes erhöht sich das Verantwortungsbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für gesellschaftliches Gemeinwohl sowie für die Beteiligung an demokratischen Gestaltungsprozessen. Da auch kirchliche Einrichtungen empfangsberechtigt sind, kann eine eventuelle Verminderung der Einnahmen der Kirchen – verursacht durch die Umstellung von Kirchensteuer auf Gemeindebeitrag – zu einem Ausgleich kommen.

Sonstige Einnahmen: Die sonstigen Einnahmen der Kirchen werden vom dbv nicht infrage gestellt. Die vom Staat als Subvention bezeichnete Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer vom steuerpflichtigen Einkommen setzt der dbv gleich mit der Abzugsfähigkeit von Mitgliedsbeiträgen und Spenden an gemeinnützige und kirchliche Einrichtungen. Daher ist gegen diese Art von Subvention nichts einzuwenden. Dasselbe gilt für die negativen Staatsleistungen (Steuer- und Gebührenbefreiungen), solange diese auch anderen gemeinnützigen Einrichtungen gewährt werden.

Kontrovers diskutiert wird unter den Mitgliedern des dbv, ob die Kirchen für sich selbst die Erzielung von Kapitalerträgen anstreben dürfen. Die Beteiligung der Kirchen an den kapitalistischen Methoden der Finanz- und Börsenspekulation ist für viele eine Überschreitung der Grenze des Zulässigen. Deswegen sind auch Einnahmen aus solchen Quellen nicht wertneutral. Dietrich Bonhoeffers Begriff der christlichen Verantwortung bezieht den Bereich der Wirtschaftsordnung und der Finanzmärkte mit ein. Der dbv beteiligt sich an der Suche nach alternativen lebensdienlichen, nachhaltigen und solidarischen Wirtschaftsformen.

Problematisch für die Kirchen sind außerdem zu hohe Rücklagen, also eingenommene Gelder, die im Augenblick für das gemeindliche und kirchliche Leben nicht gebraucht werden, deren Sinn also darin besteht, gegen zukünftige Risiken und Unwägbarkeiten abzusichern. Ein solches Sicherheitsdenken ist auf dem Hintergrund der Theologie Bonhoeffers fragwürdig.(7) Bonhoeffer gibt zu bedenken, ob solche Rücklagengelder, statt auf künftige Risiken zu warten, nicht für die Behebung der gegenwärtigen Not anderer Menschen verwandt werden sollten.

Abzulösende Staatsleistungen: Anders verhält es sich bei den Staatsleistungen aufgrund der Enteignungen infolge der Säkularisation. Die in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919 geforderte und im Grundgesetz (GG) von 1949 bestätigte Ablösung der Staatsleistungen durch die Länder steht nach fast 100 Jahren noch aus. Gegenwärtig gibt es zahlreiche Initiativen von Parteien und Institutionen, die sich für die Erfüllung der Forderung des Art. 138 Abs. 1 WRV (Art. 140 GG) einsetzen.

DIE LINKE hat im Februar 2012 den Entwurf für ein „Gesetz über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen“ auf den Weg gebracht (Staatsleistungsablösegesetz – StAblG). Die Bundesarbeitsgemeinschaft Christinnen und Christen bei Bündnis 90/DIE GRÜNEN nimmt sich in ihrem „Plädoyer für eine Reform des Religionsverfassungsgesetzes“ vor, sich auf ihrer Herbsttagung 2012 „mit der äußerst komplizierten Frage der Staatsleistungen“ zu beschäftigen.

Der dbv begrüßt und unterstützt diese Initiativen, weil sie dazu beitragen, die Verstrickungen zwischen Staat und Kirchen zu lösen. Sie helfen den Kirchen auf ihrem Weg zu ihrer Freiheit. Der dbv nimmt dankbar zur Kenntnis, dass auch die EKD in der Frage der abzulösenden Staatsleistungen Gesprächsbereitschaft zeigt. Laut einer epd-Meldung vom 8. November 2010 brachte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende zum Ausdruck: „An der Kirche werde die im Grundgesetz vorgesehene Ablösung nicht scheitern – ,darüber können wir gerne reden, wir sind gesprächsbereit‘“(8).

KARL MARTIN/DIETRICH-BOHNHOEFFER-VEREIN   Karl Martin ist Vorsitzender des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, „die Wahrnehmung christlicher Verantwortung in Kirche und Gesellschaft zu fördern“. Er beschäftigt sich u.a. mit Fragen der Friedenspolitik, der Bildung und der innerkirchlichen Organisation.

Anmerkungen

(1) Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Präses Nikolaus Schneider (Düsseldorf) hat auf dem Ökumenischen Kirchentag in München am 13. Mai 2010 das Kirchensteuersystem in der Bundesrepublik gelobt. Es sei fair, gut kalkulierbar und kostengünstig, sagte er bei einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Wie viel Kirche braucht Deutschland“. In den USA, wo es keine Kirchensteuer gibt, müssten die Kirchen ihre Budgetkalkulierung „auf Hoffnung“ vornehmen. „Achtet die Kirchensteuer nicht zu gering“, warnte Schneider. Solange es Menschen gäbe, die mit dem System einverstanden seien, „wären wir mit dem Klammerbeutel gepudert, es abzuschaffen.“ (s. http://www.oekt.de/aktuell_2010/religion_kirche/freitag/154nr_ekd_kirchensteuer. html).

(2) Die neuesten Zahlen finden sich in ideaSpektrum Nr. 25 vom 19.6.2013, S. 5f.

(3) Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements (BüEnStG) vom 10.10.2007 (BGBl I S. 2332).

(4) Bonhoeffers Rede von „Christus als Gemeinde existierend“ ist die Modifikation der Hegelschen Formulierung „Gott als Gemeinde existierend“. Sie findet sich zuerst in Bonhoeffers Dissertation „Sanctorum Communio“ (1930) an verschiedenen Stellen (DBW 1, 87.126ff und öfter).

(5) Siehe dazu auch das Rundschreiben des Päpstlichen Rates für Gesetzestexte zum „Abfall von der Kirche“ vom 13.3.2006, abgedruckt in Verantwortung Nr. 38, S. 25 ff.

(6) Eines der Ziele, die wir mit dem Drei-Säulen-Modell verfolgen, ist, dass Menschen wegen ihres Ärgers über die Kirchensteuer nicht mehr die Kirche verlassen müssen. Die reale Situation ist aber derzeit, dass sich bereits viele von den Organisationszwängen der Körperschafts-Kirche verabschiedet haben und dass unter ihnen hin und wieder einige neuen Kontakt zu ihrer Gemeinde suchen. Eine Rückkehr in das Kirchensteuersystem kommt für sie nicht infrage. Die Kirche sollte deswegen überlegen, wie sie bereits im ersten Reformschritt solchen Menschen eine Brücke bauen und ihnen einen Wiedereintritt als Gemeindemitglied anbieten kann, ohne dass die Betroffenen erneut kirchensteuerpflichtig werden. Der Vorschlag einer Gemeindemitgliedschaft stammt von Axel Denecke (siehe die Titel von Axel Denecke in dem nachfolgenden Literaturverzeichnis). Solange es für eine Gemeindemitgliedschaft ohne Kirchensteuerpflicht keine kirchengesetzlichen Regelungen gibt, bietet sich die Form eines privatrechtlichen Einzel-Vertrages zwischen Gemeinde und Eintrittswilligem an; in dem Vertrag müssten die Rechte und Pflichten, die sich aus der Gemeindemitgliedschaft für die Gemeinde und für den Eintrittswilligen ergeben, beschrieben werden. Vgl. Beneker, Christian, und Broockmann, Karsten, Engagement – Schon jetzt passiert das, was Hauptpastoren in ihrem Manifest gefordert haben: Freiwillige, gezielte Zahlungen ersetzen die Abgabe, in: Zeitschrift „Verantwortung“ 31/2003, S. 19-21.

(7) Bekannt ist Bonhoeffers Kritik an dem Sicherheitsdenken in der Friedensfrage (in der Fanö-Rede sagt Bonhoeffer: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit“ (DBW 13, 300). Die Kirche steht erst ganz am Anfang, ein Sicherheitsdenken auch in Wirtschaftsfragen und in Fragen der Kirchenfinanzierung als ein theologisch-ethisches Problem wahrzunehmen.

(8) S. http://www.ekd.de/aktuell_presse/news_2010_11_08_4_ekd_haushalt.html.

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