Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 203: Religiöse Sonderrechte auf dem Prüfstand

Positionen der Parteien zu Religi­ons­frei­heit und Kirchen­pri­vi­le­gien

aus: vorgänge Nr. 203 (3-2013), S. 42-57

Streikverbot für die Angestellten von Caritas und Diakonie; Bischöfe, deren Gehälter aus Staatsleistungen finanziert werden; staatliche Finanzämter, die jährlich zehn Milliarden Euro an Kirchensteuern erheben; Bekenntnisunterricht an öffentlichen Schulen – religionspolitische Streitfragen gibt es viele. Umso erstaunlicher, dass die Positionen der Parteien in vielen Fragen dicht beieinander liegen.

Die Redaktion der vorgänge hat im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 einen Fragenkatalog an die im alten Bundestag vertretenen Parteien und DIE PIRATEN verschickt. Geantwortet haben die (ehem.) Bundestags-Abgeordneten Maria Flachsbarth (CDU/CSU), Kerstin Griese (SPD), Josef Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Raju Sharma (DIE LINKE), Stephan Ruppert (FDP) und der Landtagsabgeordnete Michele Marsching (DIE PIRATEN im Landtag NRW). Wir wollten von den Parteien u.a. wissen: Wie eng sollten Staat und Kirche miteinander verbunden sein? Welche gesetzlichen Verbindlichkeiten sind vorhanden und wie werden sie eingehalten? Welche sind notwendig, um Grundrechte zu gewährleisten und die Religionsfreiheit zu schützen? Im Folgenden werden die Stellungnahmen der Fraktionen zusammenfassend dargestellt.

Kirchliches Sonder­a­r­beits­recht

Die etwa 1,3 Millionen bei kirchlichen Trägern angestellten Mitarbeiter_innen unterliegen zahlreichen Einschränkungen in ihren Arbeitnehmer_innen-Rechten: das Streikrecht wird ihnen verwehrt, die betriebliche Mitbestimmung ist in wesentlichen Punkten eingeschränkt, ebenso die gewerkschaftliche Vertretung und das Tarifvertragsrecht. Zudem werden immer wieder Mitarbeiter_innen gekündigt, weil sie ihren Glauben ablegen oder gegen Gebote der Glaubensgemeinschaft verstoßen. Die Frage nach der Vereinbarkeit mit den Grundrechten stellt sich ebenso wie die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die kirchlichen Einrichtungen (Kindergärten, Krankenhäuser, Sozialdienste) werden fast ausschließlich mit öffentlichen oder Versicherungsgeldern oder mit Gebühren der Benutzer_innen finanziert, die alle Bürgerinnen und Bürger ungeachtet ihrer religiös/weltanschaulichen Bindung aufbringen. Wie bewerten die Parteien diese Situation?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   sehen das sogenannte Selbstbestimmungsrecht von Kirchen und Religionsgemeinschaften (inklusive der Möglichkeiten, ihren Mitarbeiter_innen Lebensführungspflichten vorzugeben) grundsätzlich als verfassungsrechtlich geschützt an. Für die Fraktion ist die politische Wertung bindend, dass die Kirchen über Mechanismen der Entgeltfindung und betrieblichen Mitbestimmung verfügen, die dem Betriebsverfassungsgesetz gleichwertig sind. Jedoch soll im Dialog mit den Kirchen die Situation der Beschäftigten verbessert werden, z.B. sollen diese außerhalb der Verkündigungsbereiche zur Bildung von Betriebsräten berechtigt sein und hier auch das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit einschließlich Streikfreiheit genießen. Für sämtliche Beschäftigungsverhältnisse jenseits des Bereichs der Verkündigung soll das kirchliche Arbeitsrecht abgeschafft werden und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) mit dem Ziel geändert werden, „dass seine Bestimmungen wie in anderen Tendenzbetrieben auch auf Beschäftigungsverhältnisse in kirchlichen Einrichtungen Anwendung finden“. „Die Zahlungen des Staates gehen auf die Entscheidung des Gesetzgebers zurück, weite Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge eben nicht staatlich zu organisieren, sondern subsidiär von Wohlfahrtsorganisationen und seit 1996 auch durch privatwirtschaftliche Einrichtungen. Sie sind Leistungsentgelte für die Inanspruchnahme sozialer Dienste und Einrichtungen und damit nicht religiös oder weltanschaulich besetzt. Eine Koppelung der Anerkennung als Wohlfahrtsträger an die Einhaltung von Auflagen, die sachlich nicht in Zusammenhang mit der erbrachten Leistung stehen (wie der Zwang zum Verzicht auf die tragenden Grundsätze der kirchlichen Ethik), ist nicht vorgesehen und wohl auch rechtswidrig.“

CDU/CSU   Die Christdemokraten sehen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht – auch im Hinblick auf die Ausgestaltung von Dienst- und Arbeitsverhältnissen im kirchlichen Raum – grundgesetzlich geschützt. Es sei Sache der Kirchen, aus ihrem theologischen Verständnis heraus zu regeln, wie sie ihre inneren Verhältnisse ordnen, welche Anforderungen an Stelleninhaber_innen zu stellen sind und welche Rechte und Pflichten mit der Stelle verbunden sind. Durch richterliche Entscheidungen sei dieses Recht wiederholt bestätigt und konkret ausgelegt worden. CDU/CSU begrüßen, dass die Kirchen den sog. Dritten Weg weiter entwickeln wollen. Anderenfalls gelte für diese Einrichtungen dann künftig das weltliche Arbeitsrecht und damit auch das Streikrecht. Die Fraktion verweist darauf, dass die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sich nach dem jüngsten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt bereits auf den Weg gemacht habe (Beschlussempfehlung und Bericht v. 27. September 2012 BT-Drs. 17/10872).

DIE LINKE   Das Sonderarbeitsrecht der Kirchen ist nach Meinung der LINKEN nicht nur ungerecht, es wirke angesichts der wachsenden religiösen Vielfalt und des fortwährenden gesellschaftlichen Wandels, „wie aus der Zeit gefallen“. Die Fraktion hatte 2011 eine gesetzliche Regelung gefordert, mit der auch kirchlich Beschäftigte in den Genuss allgemein üblicher Arbeitnehmer_innenrechte kommen würden, anstatt sie als „Beschäftigte zweiter Klasse“ zu behandeln und ihre (Grund-)Rechte vorzuenthalten (BT-Drs. 17/5523). Dieser Antrag wurde 2012 – bei Enthaltung von Bündnis 90/Grünen – von CDU/CSU, FDP und SPD abgelehnt.

DIE PIRATEN   Die Fraktion erachtet den „Dritten Weg“ als überflüssig und befürwortet eine Abschaffung der kirchlichen Einschränkungen der Arbeitnehmer_innenrechte, zumal diese die Grundrechte massiv beschneiden. Die Regelungen in Einrichtungen, die großteils staatlich finanziert sind, seien so nicht hinnehmbar. Wer für eine strikte Trennung von Staat und Kirche eintritt, der müsse sich auch für eine Angleichung der verbindlichen Regeln für die Arbeitgeber-/nehmer_innen-Partnerschaft aussprechen. Der § 9 AGG sei überarbeitungsbedürftig. „Die Definition müsste klarstellen, woher die finanziellen Mittel kommen. Bei einer Quote von 50% oder mehr staatlicher Mittel zur Finanzierung des Arbeitsverhältnisses sollte die Religionsgemeinschaft im Arbeitgeber/-nehmer_innen-Verhältnis keine Sonderrechte mehr genießen“.

FDP   Die Liberalen erwarten von kirchlichen Arbeitgeber_innen zukünftig die Stärkung der Mitarbeiter_innenrechte. Sie stellen das besondere kirchliche Arbeitsrecht als eine Ausprägung der kollektiven und korporativen Religionsfreiheit nicht in Zweifel und folgen hinsichtlich der Frage nach der Autonomie der Religionsgemeinschaften der Judikatur deutscher und europäischer Gerichte. Die Ausnahmeklauseln im EU-Antidiskriminierungsrecht für Religionsgemeinschaften seien rechtmäßig, ebenso wie Einschränkungen im sog. verkündigungsnahen Bereich. Hinsichtlich der Einhaltung verweist die FDP auf die hohen moralischen Ansprüche der Kirchen selbst – diesen Ansprüchen müsse sie andersherum auch gerecht werden.

SPD   Die SPD fordert Streikrecht, Verhandlungsfreiheit für Tarifverträge und freie Wahl der Mittel für die kirchlichen Arbeitnehmer_innen. Die Grenze des kirchlichen Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts als Arbeitgeber_innen müsse von den Grundrechten ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer her bestimmt werden und nicht umgekehrt. Mitarbeiter_innenvertretungen müssen gleichwertige Rechte wie im Betriebsverfassungsgesetz haben. Die Fraktion erachtet die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. November 2012 als wegweisend (BAG AZ 1 AZR 179/11) – z.B. für eine stärkere Einbindung der Gewerkschaften. Sie setzt sich für einen generellen Branchentarif Gesundheit und Soziales ein.

FINANZEN

Staatsleistungen

Der Art. 138 Abs. 1 der WRV ordnet an, dass „die auf Gesetz, Vertrag, oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgemeinschaften durch die Landesgesetzgebung (…) abgelöst (werden)“. Er zielt auf die finanzielle Entflechtung von Staat und Religionsgemeinschaften und ergänzt die Trennung von Staat und Kirche, die in Art 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 WRV enthalten ist. Bei den Staatsleistungen handelt es sich um zweckfreie, jährliche Zahlungen der Länder (außer Hamburg und Bremen) i.H.v. derzeit 481 Mio. Euro an die beiden christlichen Kirchen. Sie werden oft als Entschädigung für frühere Enteignungen von Kirchenbesitz begründet. Mit den sog. Staatsleistungen nicht zu verwechseln sind: alle Entgelte, die der Staat für von den Kirchen erbrachte Leistungen entrichtet (z.B. Bezahlung der kirchlichen Lehrkräfte für den Religionsunterricht an öffentlichen Schulen); alle staatlichen Subventionen für Aktivitäten der Religionsgemeinschaften, die wie bei anderen Organisationen dann gefördert werden können, wenn sie auf Gemeinwohlzwecke ausgerichtet sind (z.B. Chöre); alle zweckgebundene/leistungsbezogenen Zuwendungen an Sozialeinrichtungen, die von kirchlichen Trägern betrieben werden (z.B. Krankenhäuser) und wie alle anderen Träger auch von den Beitragszahler_innen bzw. Versicherungen finanziert werden. Das Ablösegebot verbietet eigentlich die Neubegründung von Staatsleistungen. Andere Religionsgemeinschaften könnten jedoch gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung ebenfalls eine finanzielle Förderung einfordern, die den Staatsleistungen entspricht. Wie wollen die Parteien zukünftig die finanzielle Trennung von Staat und Kirche umsetzen?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Da die sogenannten Staatsleistungen vertraglich festgelegt sind, sei deren Ablösung eine Aufgabe von Bund und Ländern, die in dieser Hinsicht einen Gesetzgebungsauftrag haben. Die Grünen wollen auf Bund-Länder-Ebene einen Prozess initiieren, der die vom Grundgesetz geforderten Grundsätze der Ablösung der altrechtlichen Staatsleistungen aufstellt. Darüber wollen sie mit den betroffenen Religionsgemeinschaften verhandeln.

CDU/CSU   Die CDU/CSU stellt einer bundesweiten Regelung, Staatsleistungen abzulösen, die „vollkommen unterschiedlichen Gegebenheiten in den Bundesländern entgegen“ und verweist darauf, dass in einigen Bundesländern bereits einzelne Staatsleistungen einvernehmlich mit den Kirchen abgelöst wurden. Diese Möglichkeit solle weiter genutzt werden. Bereits erbrachte Zahlungen können nicht als ausreichende „Tilgung“ oder als Ablösesumme aufgefasst werden. Sie hat aber in den Bundestagsberatungen über den erwähnten Gesetzentwurf der Linken am 28. Februar 2013 und am 27. Juni 2013 ihre Bereitschaft und ihren Willen erklärt, Gespräche mit den Kirchen über die Ablösung zu führen.

DIE LINKE   vertritt die Position, dass der Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen umgesetzt werden soll. Sie hat im Jahr 2012 im Bundestag einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen vorsieht (BT-Drs. 17/8791). Dieser wurde von den anderen Fraktionen am 27. Juni 2013 im Bundestag abgelehnt.

DIE PIRATEN   fordern die Offenlegung jeder Bilanz, wo öffentliche Gelder in den Bereich der Kirche geflossen sind. Die allgemeinen Zahlungen, die „anscheinend vornehmlich für die Bezahlung des Personals im verkündungsnahen Bereich und die Ausbildung selbiger eingesetzt werden, sollten mit neuen Vereinbarungen geregelt werden. Insbesondere sind die Konkordate alle auf den Prüfstand zu stellen und das finanzielle Verhältnis zwischen Kirche und Staat hier neu zu regeln.“

FDP   Die sog. Staatsleistungen sind rechtlich geltend, die Modalitäten einer gerechten Ablösung seien dennoch zu erarbeiten.

SPD   Bei den Staatsleistungen an die Kirchen handelt es sich nach Meinung der Sozialdemokraten um geltendes Recht. Eine Ablösung der Staatsleistungen müsse im Einvernehmen von Bund, Ländern und den Kirchen erfolgen. Die SPD ist zu Gesprächen über mögliche Veränderungen bereit.

Staatlicher Kirchen­steu­e­r­einzug, Steuer- und Gebüh­ren­be­frei­ungen

Alle Religionsgemeinschaften, die Körperschaft des öffentlichen Rechts sind, haben das Recht, von ihren Mitgliedern Kirchensteuern zu erheben (Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art. 137 Absatz 6 Weimarer Reichsverfassung). Kirchensteuern werden in der Bundesrepublik durch die staatlichen Finanzämter eingezogen, Bürger_innen müssen dafür ihre Religions- bzw. Weltanschauungszugehörigkeit gegenüber den Finanzbehörden, den Arbeitgebern und den Banken offenlegen. Aufgrund des Körperschaftsstatus werden den Kirchen zudem weiterhin zahlreiche Steuererleichterungen und -befreiungen sowie Gebührenbefreiungen zugestanden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Der Kirchensteuereinzug sei verfassungsrechtlich verbürgt. Die staatliche Erfassung der Religionszugehörigkeit ist für die grüne Partei  eine notwendige Voraussetzung. Aufgrund der strengen datenschutzrechtlichen Standards wird dies als unproblematisch angesehen. Die Befreiung bzw. Erleichterung von Steuern und Gebühren sei sinnvoll, da so der Beitrag der verfassten Religionsgemeinschaften zur Zivilgesellschaft honoriert werde. Da es sich andererseits um sogenannte negative Staatsleistungen handele, müssten diese „im Zuge des Ablösungsprozesses auf den Prüfstand gestellt und ggf. beendet werden“.

CDU/CSU   Für die CDU/CSU ist das Recht der Kirchen und Religionsgemeinschaften, ihre eigenen Angelegenheiten autonom zu ordnen, unantastbar. Die Kirchensteuer diene dazu, die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit der Kirchen zu erhalten. So werde gewährleistet, dass sie ihre vielfältigen Dienste für die Gesellschaft – die auch weit über den Kernbereich der Glaubensvermittlung in den sozialen Bereich hineinreichen – zukünftig und langfristig planbar aufrechterhalten können. Aus diesem Grund tritt die CDU/CSU dafür ein, das System der Kirchensteuer beizubehalten, und lehnt den Vorschlag einer „Kulturabgabe“ ab.

DIE LINKE   will die Kirchensteuer abschaffen. Für die Erhebung und Eintreibung von Mitgliedsbeiträgen und damit verbunden auch für die Mitgliederverwaltung sollen ausschließlich die Religionsgemeinschaften selbst zuständig sein. Zur Erhebung der Religionszugehörigkeit lässt die Fraktion verlauten: „Wahre Religionsfreiheit, die Glauben wie Nichtglauben gleichermaßen mit einschließt, bedeutet, dass jede und jeder selbst entscheiden kann, wem, wann und ob sie oder er überhaupt die eigene Zugehörigkeit zu einer Konfession – oder eben auch nicht – anzeigen möchte. Im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Kirche wäre dies nur konsequent.“ Steuererleichterungen und -befreiungen, Gebührenbefreiungen sowie die gegenwärtige steuerliche Privilegierung einzelner Kirchen seien mit dem Verständnis einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche nicht in Übereinstimmung zu bringen.

DIE PIRATEN   Die Einnahme von Steuern durch den Staat im Rahmen der staatlichen Festsetzung sei falsch. Mitgliedsbeiträge von Vereinen sollten diese selber einziehen. Das Konstrukt der staatskirchenrechtlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts sei abzuschaffen.

FDP   Der Einzug der Kirchensteuer durch staatliche Finanzämter, so die FDP, soll fortgesetzt werden. Die Verfassungsmäßigkeit des Kirchensteuereinzugsverfahrens sei bestätigt, „das religiöse Schweigerecht unterliegt dem Schrankenvorbehalt des Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 S. 2 WRV“. Steuererleichterungen und -befreiungen und Gebührenbefreiungen seien grundsätzlich mit dem Körperschaftsstatus verbunden und werden nicht nur den christlichen Kirchen, sondern zahlreichen anderen Organisationen gewährt. Der Staat unterstütze somit nicht nur Religionsgemeinschaften, sondern auch andere Organisationen, insbesondere im zivilgesellschaftlichen Bereich.

SPD   Den Kirchensteuereinzug durch die Finanzämter ebenso wie die Verwaltungskostenentschädigung, die die Kirchen an den Staat für diese Dienstleistung bezahlen, zählt die SPD zum „in bewährter Weise für beide Seiten geregelten Verhältnis von Staat und Kirche“. Es sei den anderen Religionsgemeinschaften ja frei belassen, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beantragen.

Militärseelsorge

Der Bund übernimmt, beschäftigt und bezahlt evangelische und katholische Militärseelsorger_innen über den Wortlaut des Art. 141 WRV hinaus im öffentlichen Dienst des Bundes. Die Seelsorger_innen erteilen allen Soldat_innen, gleich welcher Religionszugehörigkeit, einen verpflichtenden lebenskundlichen Unterricht, der im Grundgesetz nicht vorgesehen ist. Halten das die Fraktionen für vereinbar mit dem Gebot staatlicher Neutralität in Religionsangelegenheiten, obwohl das Grundgesetz dies nicht vorsieht?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Das Grundgesetz, so die GRÜNEN, gewähre allen Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaften Zugang zum Militär (ebenso wie zum Krankenhaus und zum Gefängnis). Die Statusfrage der Militärgeistlichen habe keine weiteren Auswirkungen auf das Verhältnis von Kirche und Staat. Die Fraktion fordert, dass die Militärseelsorge interkulturell weiterentwickelt wird, dies betrifft auch die Abhaltung des lebenskundlichen Unterrichts (BT-Drs. 17/13095 ).

CDU/CSU   Die CDU/CSU will die „Verantwortung vor Gott“ betont sehen und an der Betreuung der Soldat_innen der Bundeswehr durch die Militärseelsorge festhalten. Militärpfarrer seien „auch für Nicht-Christen – im Inlandsdienst als auch im Auslandseinsatz – erwünschte, vertrauenswürdige und kompetente Ansprechpartner“. Es bestehe für Soldaten die Möglichkeit, psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen. Der lebenskundliche Unterricht sei eine berufsethische Qualifizierungsmaßnahme für alle Soldat_innen. Seelsorger_innen anderer Konfessionen sollten dann in der Bundeswehr tätig werden können, wenn es Bedarf gäbe und die notwendigen religionsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien.

DIE LINKE   fordert die Abschaffung der Militärseelsorge. „In einer multireligiösen Gesellschaft darf es keine staatliche Privilegierung bestimmter Religionen geben.“

DIE PIRATEN   Die Aufrechterhaltung der staatlich getragenen Militärseelsorge sei legitim, solange für jede bei der Bundeswehr vertretene Glaubensrichtung ein_e Seelsorger_in vorgehalten wird.

FDP   Die Militärseelsorge, wie die Anstaltsseelsorge insgesamt, so die FDP, biete Soldat_innen eine Möglichkeit zur Ausübung der individuellen Religionsfreiheit. Es solle eine Öffnung der Militärseelsorge für andere Religionsgemeinschaften, sowie Angebote für konfessionsungebundene Soldat_innen geben.

SPD   Militärseelsorge, so die SPD, betreffe das Grundrecht auf Religionsausübung auch in der Bundeswehr (Art. 140 GG in Verbindung mit Artikel 141 WMRV). Die bestehende Form der Militärseelsorge sei Ausdruck „einer partnerschaftlichen Praxis von Staat und Kirche“, aber mit „zunehmender religiöser und weltanschaulicher Vielfalt der Gesellschaft und der Soldat_innen muss die Militärseelsorge weiter entwickelt werden“. Die SPD unterstütze den Antrag der Fraktion der GRÜNEN.

SCHULE UND UNIVERSITÄT

Religi­ons­un­ter­richt und staatliche Bekennt­nis­schulen

In welcher Form Religions- bzw. Weltanschauungsunterricht angeboten wird, entscheidet die Landespolitik. Der Artikel 7 Abs. 3 GG erhebt Religion als reguläres Lehrfach zum Regelfall. Ist bei einem vom Staat veranstalteten Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an staatlichen Schulen die staatliche Neutralität in Glaubensfragen sowie die Gleichbehandlung aller Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften gewährleistet? Das Berliner Modell und der LER-Unterricht in Brandenburg weichen vom Regelfall der anderen Bundesländer ab. In Berlin ist der Religionsunterricht nach § 13 Berliner Schulgesetz vom 26. Juni 1948 Sache der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Das Wahlfach Religion, dessen Benotung nicht versetzungsrelevant ist, wird vom Land Berlin zu 90 Prozent finanziert und von Personen mit der Befähigung für ein Lehramt und einer Prüfung im Fach Religionslehre oder von Personen erteilt, die ein fachwissenschaftliches Studium an einer Hochschule oder eine vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben. Neben dem christlichen (evangelisch und katholisch) und jüdischen Religionsunterricht wird seit 1984 in allen Jahrgangsstufen an den Berliner Schulen auch Lebenskundeunterricht als freiwilliges, weltanschauliches und nicht-religiöses Unterrichtsfach angeboten. Dessen Organisation und Inhalte werden vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) bestritten. Der „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“-Unterricht in Brandenburg umfasst religionswissenschaftliche Teile. Das Fach wird – gemäß § 11 Abs. 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes – „bekenntnisfrei, religiös und weltanschaulich neutral unterrichtet“. Eine Leistungsbewertung durch Noten findet erst seit 2005 statt. Alle Schüler_innen waren zur Teilnahme an LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde) verpflichtet, konnten aber nach einer Übergangsbestimmung im Schulgesetz „aus wichtigen Gründen“ die Befreiung von LER beantragen. Könnte und sollte ein gemeinsames religionskundliches Lehrfach für alle Schüler_innen öffentlicher Schulen, in dem religionsübergreifend allgemeine ethische Fragen erörtert und religionskundliche Kenntnisse über die Weltreligionen und andere Weltanschauungen vermittelt werden, an die Stelle des Religionsunterrichts treten? Wirken Bekenntnisschulen in staatlicher Trägerschaft nicht der Integration der Schülerinnen und Schüler verschiedener weltanschaulicher und religiöser Herkunft entgegen? Widersprechen sie zudem nicht der staatlichen Neutralität in Weltanschauungsfragen?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Die Fraktion verweist in der Frage des Religionsunterrichts auf die jeweilige landesspezifische Situation. In Bremen habe die grüne Bürgerschaftsfraktion ein Positionspapier zur Weiterentwicklung des dort gegebenen „Biblischen Geschichtsunterrichts“ vorgelegt. Das Berliner Modell könne nicht als Vorbild für andere Bundesländer betrachtet werden, gleiches gelte für den Unterricht Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde in Brandenburg. Gemeinsamer religionskundlicher Unterricht stehe in einem Spannungsverhältnis zur Garantie des konfessionell ausgerichteten Religionsunterrichts im GG. Weiterentwicklungen seien dort angebracht, wo angesichts der religiös-weltanschaulichen Pluralität konfessioneller Religionsunterricht nicht sinnvoll organisiert oder durchgeführt werden kann. Bekenntnisschulen seien grundsätzlich positiv zu bewerten, aber eine „saubere Trennung“ zwischen Bekenntnisschulen bzw. bekenntnisfreien Schulen und staatlichen Schulen müsse deutlich sein.

CDU/CSU   Die Fraktion hält an der Regelung (Art. 7 Abs. 3 GG) fest, dass der Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen als ordentliches Lehrfach unter staatlicher Aufsicht und in inhaltlicher Verantwortung der Kirchen zu erteilen ist. Der Religionsunterricht dürfe nicht durch einen allein in Verantwortung des Staates erteilten „Werteunterricht“ verdrängt werden. Ethikunterricht könne als Wahlpflichtfach neben dem Religionsunterricht angeboten werden, dürfe aber keine Konkurrenz zu selbigem darstellen.

DIE LINKE   unterstützt die Konzeption eines für alle Schüler_innen verpflichtenden Ethikunterrichts. Das Berliner Modell sei eine denkbare Alternative für andere Bundesländer. Der Unterricht sei durch staatlich anerkannte Lehrkräfte zu leisten, unabhängig von kirchlicher oder religionspolitischer Einflussnahme. Religion und Religionsunterricht sollen eine freiwillige Angelegenheit sein, unabhängig vom Alter. Wenn bekenntnisvermittelnder Religionsunterricht an Schulen als Wahlfach angeboten wird, sollten alle Religionsgemeinschaften stärker als bisher daran beteiligt sein.

DIE PIRATEN   Die Fraktion steht Religionsunterricht generell kritisch gegenüber und befürwortet einen Ersatz durch einen verbindlichen Ethikunterricht. Dieser kann gern die Religionen der Welt zum Thema haben. Als weltanschaulich neutraler Ethikunterricht sollte der Unterricht weiterhin aus staatlichen Mitteln finanziert werden, da die Schaffung einer Grundlage an Werten und Normen für das Zusammenleben wichtig erscheint. Im Zuge einer Neuregelung des Religionsunterrichtes müsste Art. 7 (3) GG geändert werden. Die Regelungen des Landes Berlin in diesem Bereich seien richtungsweisend. Bekenntnisschulen in überwiegend staatlicher Finanzierung müssten weltanschaulich neutral sein.

FDP   Für die FDP ist Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach an staatlichen Schulen ebenso wie bekenntnisorientierter Religionsunterricht ein Ausdruck der Religionsfreiheit. Bekenntnisschulen in staatlicher Trägerschaft seien richtig, solange alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften einen Anspruch auf staatliche Trägerschaft haben. Das Berliner Modell erachten die Liberalen als rechtmäßig und funktionsfähig. Da religionskundliche Kenntnisse über die Weltreligionen und andere Weltanschauungen im Rahmen des Religionsunterrichts nach Art. 7 (3) GG vermittelt würden, brauche es jedoch keinen allgemeinen Ethikunterricht.

SPD   Die SPD will den bekenntnisorientierten Religionsunterricht auf der Basis des Grundgesetzes. Das Recht, Schulen in privater Trägerschaft bekenntnisorientiert zu errichten, sei im Art. 7 GG und in Landesgesetzen geregelt.

Theolo­gi­sche Fakultäten und Konkordate

Sind staatlich finanzierte kirchliche Hochschulen rechtmäßig? In verschiedenen Bundesländern (u.a. Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz) haben Bischöfe noch ein Mitbestimmungsrecht bei der Besetzung von nicht-theologischen Professuren an den öffentlichen Universitäten (abgeleitet aus alten Staatskirchenverträgen bzw. Konkordaten). Wie soll damit weiter verfahren werden?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Die Existenz theologischer Fakultäten, Fachbereiche, Institute, auch einzelner Professuren und Lehrstühle, ergäbe sich mittelbar aus Art. 7 Abs. 3 GG – es brauche geeignete Ausbildungsstätten für die Lehrkräfte des Religionsunterrichts. Theologische Fakultäten seien unter den gegebenen rechtlichen Bedingungen rechtmäßig und erforderlich. Konkordatsprofessuren müssten beendet werden.

CDU/CSU   bekennen sich zur Unabhängigkeit der Wissenschaft bzw. zur Freiheit von Forschung und Lehre an den Hochschulen gemäß GG. Die Selbstverwaltung der Hochschulen sei in den jeweiligen Landeshochschulgesetzen garantiert.

DIE LINKE   lehnt jeglichen kirchlichen Einfluss auf die Besetzung von nicht-theologischen Professuren an staatlichen Hochschulen ab und fordert die Abschaffung der sogenannten Konkordatslehrstühle.

DIE PIRATEN   Für Hochschulen gelte dasselbe wie für Schulen: bei überwiegend staatlicher Finanzierung einer Hochschule müsse diese weltanschaulich neutral sein. In Bezug auf die Konkordate seien die Kirchenverträge auf den Prüfstand zu stellen und das Verhältnis zwischen Kirche und Staat neu zu regeln.

FDP   Andere Religionsgemeinschaften sollen ebenfalls Zugang zu Hochschultheologie erhalten (Islamstudien, orthodoxe Theologie und Rabbinerausbildung). Positiv wird der Verzicht der katholischen Kirche in Bayern auf das Mitbestimmungsrecht bei der Besetzung von nicht-theologischen Professuren bewertet.

SPD   Die SPD betrachtet die Regelung von Hochschulangeboten, universitären Ausbildungsgängen und Berufungsverfahren als Landesangelegenheiten.

ANDERE FRAGEN

Staatskirchenverträge

Ist eine vertragliche Festschreibung der Privilegien bestimmter Religionsgemeinschaften verfassungsrechtlich legitim, sind Verträge mit Gesetzescharakter mit demokratischen Prinzipien vereinbar?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   betrachten die bestehenden Staatskirchenverträge und Konkordate als Basis für das deutsche Verhältnis von Staat und Religion und begrüßen darüber hinaus Staatsverträge mit muslimischen Gemeinschaften.

CDU/CSU   Keine Angaben.

DIE LINKE   sieht ein Religionsverfassungsrecht, das die Rechte und Pflichten der Religionsgemeinschaften und ihr Verhältnis zum Staat unabhängig von ihrer Größe und Bedeutung gleichberechtigt regelt, als geeignet und erachtet vertragliche Festschreibungen von Privilegien bestimmter Religionsgemeinschaften im Sinne einer strikten Trennung von Staat und Religion und einer konsequenten Gleichbehandlung von Religionen als unangemessen.

DIE PIRATEN   Staatskirchenverträge dürften keinen „Ewigkeitscharakter“ haben und müssten regelmäßig angepasst werden. Die Gleichbehandlung der Religionen mache ein Gesetz für Staatsverträge mit anderen religiösen Gemeinschaften zwingend notwendig.

FDP   bezieht sich positiv auf die vertragliche Festschreibung von 10 Millionen Euro jährlich durch den Bund für den Zentralrat der Juden in Deutschland. Das Vertragsstaatskirchenrecht als religionspolitisches Instrument sei bewährt, was die Staatsverträge mit islamischen Verbänden belegen.

SPD   Auch die SPD will das Staatskirchenrecht zu einem Religionsverfassungsrecht weiter entwickeln. Das Verhältnis des Staates zu den christlichen Kirchen und den jüdischen Gemeinden sei vertraglich gut geregelt, auch die islamischen Religionsgemeinschaften sollten rechtlich eingebunden werden.

Körper­schaften des öffent­li­chen Rechts (KdöR)

Die beiden großen christlichen Kirchen haben den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts; andere Religionsgemeinschaften können auf Antrag diesen Status unter bestimmten Voraussetzungen erwerben. Davon haben zahlreiche Religionsgemeinschaften auch Gebrauch gemacht. Islamischen Gemeinschaften ist der Erwerb des KdöR-Status bisher nicht gelungen. Nach dem Grundgesetz ist mit der KdöR-Eigenschaft lediglich das Recht verbunden, Kirchensteuern zu erheben.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Der Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts sei ein Kooperationsangebot des Staates, der potenziell jeder Gemeinschaft bei Vorliegen der Voraussetzungen offen steht. Ob und inwieweit beispielsweise islamische Gemeinschaften den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts anstreben wollen oder nicht, sei deren alleinige Angelegenheit.

CDU/CSU   Keine Angaben.

DIE LINKE   Da der Körperschaftsstatus historisch auf die Organisationsform der christlichen Kirchen zugeschnitten sei, seien die damit verbundenen Rechte – z.B. das Recht zur Steuererhebung oder das Recht, Beamte zu ernennen – für andere Religionsgemeinschaften allenfalls von begrenztem Nutzen. Grundsätzlich widerspreche das Konstrukt der öffentlich-rechtlichen Körperschaft dem Gebot einer konsequenten Trennung von Staat und Religion.

DIE PIRATEN   Mit dem Körperschaftsstatusgesetz versuche die Landesregierung NRW gerade eine verbindliche Regelung zu finden, unter welchen Voraussetzungen eine Religionsgemeinschaft KdöR werden kann. Dies sei ein erster Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sei die Abschaffung der kirchlichen Sonderrechte das langfristige Ziel.

FDP   Die Liberalen erachten den Status einer öffentlichen Körperschaft als offen und ohne Bevorzugung. Privatrechtlich verfasste Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften hätten die individuelle und kollektive Religionsfreiheit nach dem Grundgesetz.

SPD   Die Gleichbehandlung der Religionsgemeinschaften im Hinblick auf die Freiheit ihrer Entfaltung ist nach Meinung der Sozialdemokraten mit dem Körperschaftsstatus grundsätzlich und ausreichend geregelt.

Gleich­be­rech­ti­gung des Islam

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Strikte religiöse und weltanschauliche Neutralität, keine Diskriminierung oder Bevorzugung von Religionen, Gleichberechtigung und –behandlung durch den Staat, gleichberechtigte Grundrechte und Teilhabemöglichkeiten für alle: dies alles will die grüne Fraktion als Auftrag und Anspruch des Grundgesetzes verstanden wissen. Deshalb sei das Anliegen der Muslima und Muslime, Religionsgemeinschaften im Sinne und nach den Regeln des Grundgesetzes zu bilden, zu unterstützen. Struktur und theologische Ausrichtung einer Religionsgemeinschaft seien dabei alleinige Angelegenheit der Gläubigen.

CDU/CSU   Keine Angaben.

DIE LINKE   Keine Religion und keine Glaubensgemeinschaft dürfe gegenüber einer anderen privilegiert werden. Der Islam sei Teil der deutschen Gesellschaft geworden und werde auch weiterhin stärker an Bedeutung gewinnen. Die körperschaftsrechtliche Anerkennung anderer Religionsgemeinschaften im Sinne einer Gleichbehandlung  möge gegenwärtig als ein geeignetes Instrument erscheinen; langfristig müsste es laut DER LINKEN jedoch einen anderen Weg geben, um Religionsgemeinschaften – bei einer konsequenten Trennung von Staat und Religion – in ihren Rechten zu stärken.

DIE PIRATEN   Keine Angaben.

FDP   Muslimisch Gläubigen stehe selbstverständlich das Recht auf die grundgesetzlich garantierte Glaubensfreiheit zu. Die FDP unterstützt die Bemühungen islamischer Religionsgemeinschaften, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen und will sich damit befassen, wie muslimische Religionsgemeinschaften einen anerkannten Rechtsstatus bekommen können. Die öffentliche Inkorporierung der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Hessen habe gezeigt, dass die vorhandenen Strukturen den Anforderungen des Gesetzes genügen.

SPD   Die SPD spricht sich für Religionsfreiheit und die religiöse und weltanschauliche Vielfalt in Deutschland aus. Allen Religionen gebühre der Freiraum zur Entfaltung ihres Glaubens.

Islamkonferenz

Spielt die Islamkonferenz eine relevante Rolle im Hinblick auf die Umsetzung von Gleichbehandlung?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Die Deutsche Islamkonferenz müsse wieder auf ihren Gründungszweck zurückgeführt werden: Wege zu beschreiben, wie „der Islam“ in das deutsche Religionsverfassungsrecht integriert werden kann. Dabei müssten die Prinzipien, nach denen die Teilnehmenden auf muslimischer wie staatlicher Seite ausgewählt werden, endlich transparent gemacht werden. Dazu gehöre auch, dass der Bundestag an den Beratungen beteiligt wird.

CDU/CSU   Keine Angaben.

DIE LINKE   erachtet die Islamkonferenz in ihrer derzeitigen Ausrichtung für nicht angemessen.

DIE PIRATEN   Da viele Muslime und Muslima in Deutschland nicht in Verbänden organisiert seien, sei die Islamkonferenz mit Einzelpersonen neben den Vertreter_innen der sechs Verbände ein erster richtiger Schritt, um einen Durchschnitt der Muslime und Muslima mit Politikvertreter_innen in einen Dialog zu bekommen.

FDP   Die Islamkonferenz sei nach wie vor eine Plattform des Gesprächs mit muslimischen Vertretern. Wichtig sei, dass der Dialog auch in Ländern und Kommunen weiter geführt wird.

SPD  Die SPD findet, die Islamkonferenz sollte unter breiter Beteiligung stattfinden und sich nicht primär mit Sicherheitsfragen befassen. Es müsse erneut Vertrauen zu den muslimischen Vertreter_innen aufgebaut werden.

Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaften, § 166 StGB (Blasphe­mi­e-Pa­ra­graf)

Wir fragten: Wie engagieren sich die Parteien für die Gleichstellung von Weltanschauungs- und Religionsgemeinschaften? Und welche Position nehmen sie zur Reform/Abschaffung des § 166 StGB (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen) ein?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Für Weltanschauungsgemeinschaften gelten dieselben Regelungen wie für Religionsgemeinschaften. Sie können im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts tätig werden und dürfen nicht aus religiös-weltanschaulichen Gründen diskriminiert werden. Gläubige seien in gleicher Weise vor Beleidigung und Hetze geschützt wie andere Menschen auch. Der § 166 StGB könne ersatzlos entfallen.

CDU/CSU   Staat, Grundgesetz, Gesellschaft beruhen zu einem großen Teil auf christlichem Gedankengut und der jüdisch-christlichen Wertetradition (Sonn- und Feiertagsruhe, Festtagskultur). Der Staat habe verschiedene Weltanschauungsgemeinschaften nicht unterschiedslos gleich zu behandeln – dies sei bewährte Verfassungspraxis. Die Organisationen der so genannten Konfessionsfreien stünden nicht für eine einheitliche Werteposition und könnten als Ansprechpartner für Politik auch nicht das gleiche Gewicht haben wie die Kirchen. CDU/CSU stehen für eine offene Gesellschaft. Es sei nicht hinnehmbar, dass Menschen z.B. wegen ihrer Religion oder Weltanschauung diskriminiert werden oder dass eine Religion oder Weltanschauung öffentlich beschimpft oder herabgewürdigt wird, wenn durch eine solche pauschale Diskriminierung der öffentliche Friede gestört wird. Von daher lehnen CDU/CSU die Abschaffung des § 166 StGB ab.

DIE LINKE   Freie Religionsausübung sei nur dann möglich, wenn sich der Staat und seine Vertreter in Glaubensfragen neutral verhalten und jeden Eindruck einer Bevorzugung vermeiden – dies garantiere nur die konsequente Trennung von Staat und Religion. DIE LINKE will überprüfen, inwieweit der § 166 StGB erforderlich ist. Die bestehenden Regelungen des Strafgesetzbuches zu Beleidigung und Volksverhetzung von religiösen Gruppen böten ausreichenden Schutz. In einem demokratischen Staat müssten Meinungen, die sich kritisch mit inhaltlichen Standpunkten oder dem Erscheinungsbild von Glaubensgemeinschaften auseinandersetzen, möglich sein. Nicht-christliche Religionsgemeinschaften würden in der Praxis durch den §166 StGB ebenso wenig geschützt wie Gewerkschaften, politische Strömungen oder ethnische Gruppen.

DIE PIRATEN   Es gibt keine offizielle Position, aber immer wieder die Forderung einer Reform des Paragraphen.

FDP   Die FDP spricht sich für den § 166 StGB aus, da er nicht nur die Beschimpfung von Religionsgemeinschaften, sondern auch von Weltanschauungsgemeinschaften thematisiere. Seine Norm schütze „den öffentlichen Frieden“ , der § 166 StGB werde selten zu Lasten der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit angewandt.

SPD   Die SPD spricht sich für Nichtdiskriminierung und Gleichberechtigung aus. Es stehe den Weltanschauungsgemeinschaften frei, ihre Interessen zu vertreten. Die Streichung des § 166 StGB wäre ein falsches politisches Signal, dies könnte Extremismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Hasspredigten und Verunglimpfung religiöser Bekenntnisse befördern.

Religiöse Symbole in öffent­li­chen Räumen

Wie steht die Partei zur Auslegung des Grundgesetzes, mit der religiöse Bezüge aus staatlichen Institutionen ausgeschlossen werden? Wäre diese mit der Religionsfreiheit zu vereinbaren – und wenn ja, wie?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   Keine Angaben.

DIE LINKE   Die gegenwärtige Bevorzugung christlicher Symbolik sei mit dem Prinzip der Trennung von Staat und Religion nicht vereinbar. Andererseits dürfe den Menschen, die in öffentlichen Einrichtungen arbeiten, wie beispielsweise Lehrer_innen, im Hinblick auf ihre persönliche Religionsfreiheit nicht verwehrt werden, eine Kruzifix-Halskette oder ein Kopftuch als Ausdruck ihrer individuellen religiösen Überzeugung zu tragen.

DIE PIRATEN   Die Anbringung von religiösen Symbolen an einem öffentlichen Gebäude wird als problematisch angesehen – diese sollten weltanschaulich neutral bleiben. Die private Mitnahme und Zurschaustellung hingegen sei angemessen (z.B. ein religiöses Symbol auf dem Schreibtisch im Amt), solange die Ausgestaltung keinen missionarischen Charakter annehme.

CDU/CSU   Keine Angaben.

FDP   Eine völlige Verdrängung religiöser Bezüge aus dem öffentlichen Raum wäre weder mit dem Recht auf Religionsfreiheit noch mit dem Minderheitenschutz zu vereinbaren.

SPD   Die Religionsfreiheit sei im Grundgesetz garantiert und umfasse auch die Rechte von Minderheiten. Die Berechtigung, religiöse Bezüge aus staatlichen Institutionen pauschal auszuschließen, ergebe sich nicht daraus.

Rundfunkräte

So wie allen gesellschaftlichen Interessenverbänden das Recht auf Sitze in Rundfunkräten zugestanden wird, haben auch Religionsgemeinschaften Sitze in Rundfunkräten erhalten. Soll dies so sein?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN   fordern eine staatsferne Besetzung der Aufsicht bei ARD, ZDF und Deutschlandradio und wollen die Zusammensetzung der Rundfunkräte, des Fernsehrats und des Hörfunkrats an die veränderten gesellschaftlichen Realitäten anpassen. Ein pauschaler Ausschluss von Religionsgemeinschaften widerspräche dem verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot, denn sie seien zivilgesellschaftliche Kräfte wie die anderen Mitglieder der Rundfunkräte auch.

CDU/CSU   Außergewöhnliche Mitspracherechte und Sendezeiten der Kirchen seien nicht zu erkennen, säkulare Verbände seien in großer Überzahl vertreten. Die Besetzung mit Vertreter_innen der Religionsgemeinschaften gefährde nicht die Mitspracherechte von anderen gesellschaftlichen Gruppen.

DIE LINKE   tritt für eine klare Trennung von Staat und Kirche ein. Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften sollten demnach generell nicht im Rundfunkrat vertreten sein.

DIE PIRATEN   Eine Einbindung der Religionsgemeinschaften sei nicht zwingend erforderlich.

FDP   Die Fraktion befürwortet, dass Religionsgemeinschaften über Sitze in Rundfunkräten verfügen – unter den gleichen Bedingungen, die für alle anderen gesellschaftlichen Interessenverbände auch gelten.

SPD   Es habe sich bewährt, die Kirchen und Religionsgemeinschaften im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzubeziehen. Die Bedingungen hierzu seien auf Landes- bzw. Rundfunkebene zu regeln.

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