Publikationen / vorgänge / vorgänge 24

Frauen bei Rundfunk und Fernse­hen-­Min­der­heiten in einer Männerwelt

vorgängevorgänge 2412/1976Seite 15-20

Sind Frauen eine „gesellschaftlich relevante Gruppe”?, Aus. vorgänge Nr.24 (Heft 6/1976), S. 15-20

Hörfunk und Fernsehen sind in der Bundesrepublik öffentlich-rechtlich organisiert, um sowohl die Auslieferung dieser Medien an private kommerzielle Interessen als auch an den bestimmenden Einfluß des Staates zu verhindern. Das Programm insgesamt unterliegt dem Postulat der Ausgewogenheit, das heißt, es sollen möglichst viele der divergierenden Interessen und Meinungen in der Gesellschaft zu Wort kommen. Die Kontrolle über die Einhaltung dieser Grundsätze obliegt den Aufsichtsgremien, also den Rundfunkräten, Verwaltungsräten, den Programmbeiräten und beim ZDF dem Fernsehrat. Die Gremien sollen innerhalb der Struktur der Anstalten die Interessenvertreter der Allgemeinheit sein, in ihnen sollen alle „gesellschaftlich relevanten Gruppen” vertreten sein bzw. zu Wort kommen.
Nun ist keinesfalls klar, wer oder was eine „gesellschaftlich relevante Gruppe” ist. Der gegenwärtige Zustand der Aufsichtsgremien ist ein Pluralismus der Versteinerung. In vielen Fällen sitzen in den Räten Repräsentanten angeblich relevanter Gruppen, die nichts mehr repräsentieren außer sich selbst. Große gesellschaftlich wichtige Verbände wie die Gewerkschaften sind unterrepräsentiert, andere Gruppen- Beispiel: Bürgerinitiativen, Gastarbeiter- sind nicht vertreten.
Der Grabenkampf der beiden großen Parteien um Einfluß auf Fernsehen und Hörfunk hat zu einer Polarisierung in den Gremien geführt, die auch parteipolitisch ungebundene Gremienmitglieder in „schwarze” und „rote” einteilt.
Die Vertretung der gesellschaftlichen Gruppen in den Gremien ist nicht auf Abgesandte von Interessenverbänden beschränkt, es sind dort auch ganz allgemein „die Hochschulen” oder „das Handwerk” vertreten, also Gruppen innerhalb der Bevölkerung mit einer besonderen geistigen, ökonomischen oder berufspolitischen Interessenlage.
Nun ist sicherlich umstritten, inwieweit man davon ausgehen kann, daß Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts eine Bevölkerungsgruppe mit, spezifischen Interessen darstellen. Tatsache ist jedoch die allgemeine gesellschaftliche Unterprivilegierung der Frauen. Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, gerade auch die Interessen unterprivilegierter Minderheiten- bei den Frauen handelt es sich ja sogar um eine unterdrückte Mehrheit- zum Ausdruck zu bringen, ist im Programmauftrag verankert, wie er in unterschiedlichen Formulierungen in den Rundfunkgesetzen festgehalten ist. So heißt es beispielsweise im § 4 des Gesetzes über den Westdeutschen Rundfunk: „Der Westdeutsche Rundfunk soll die internationale Verständigung fördern, zum Frieden und zur sozialen Gerechtigkeit mahnen, die demokratischen Freiheiten verteidigen und nur der Wahrheit verpflichtet sein.”
Geht man von der numerischen Repräsentanz aus, dann bieten die Aufsichtsgremien in ihrer derzeitigen Zusammensetzung keine Garantie, daß die öffentlich-rechtlichen Anstalten auch im Sinne der Frauen „zur sozialen Gerechtigkeit mahnen”. Der Anteil der Frauen in den Rundfunkräten schwankt zwischen 0 (bei insgesamt 24 Rundfunkräten des Norddeutschen Rundfunks) und 4 (unter 48 Rundfunkräten des Bayerischen Rundfunks). In den rundfunkpolitisch wichtigsten Gremien, in den Verwaltungsräten der Anstalten, sind Frauen überhaupt nicht vertreten, mit der Ausnahme von Radio Bremen, der kleinsten Anstalt, und des Südwestfunks, wo eine Personalratsvertreterin mit beratender Stimme an den Sitzungen des Verwaltungsrats teilnimmt.
Letztlich ist natürlich eine solche formale Sichtung der Aufsichtsgremien nach weiblicher Repräsentanz problematisch. Es ist weder auszuschließen, daß auch Männer in den Rundfunk- und Verwaltungsräten sich für weibliche Belange einsetzen. Noch ist auszuschließen, daß. Frauen in den entsprechenden Funktionen und Ämtern sich nicht im Sinn emanzipatorischer Medieninhalte einsetzen, vor allem dann, wenn sie als „Alibi-Frauen” isoliert sind. Für eine bessere inhaltliche Vertretung der Fraueninteressen in den Medien wäre zu fordern, daß vor allem mehr Vertreterinnen a u t o n o m e r Frauenverbände in die Aufsichtsgremien kämen, also solcher Gruppierungen, bei denen frauenspezifische Benachteiligungen Anlaß zur Organisation waren. Stattdessen sitzen heute vielfach Frauen sozusagen als verlängerter weiblicher Arm von Organisationen gänzlich anderer Zielrichtung in den Gremien, wie etwa die Vertreterinnen konfessioneller Frauenverbände. Das würde natürlich bedeuten, daß grundsätzlich überlegt werden müßte, wieweit die „Relevanz” der in den Gremien vertretenen Gruppen überhaupt noch die gesellschaftliche Realität widerspiegelt. Es wäre beispielsweise zu fragen, ob die autonome feministische Frauenbewegung inzwischen nicht eine größere gesellschaftliche Bedeutung hat als die Vertriebenenverbände.

Zur Situation der festan­ge­stellten weiblichen Beschäf­tigten der Sende­an­stalten

Rund ein Drittel der Angestellten der Rundfunkanstalten sind Frauen; das entspricht etwa dem Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen insgesamt. So gesehen also: auf den ersten Blick keine Diskriminierung. Aber schlüsselt man die Zahl der Beschäftigten nach der Art ihrer Tätigkeit auf, dann zeigt sich wieder einmal das alte Bild: auch bei Rundfunk und Fernsehen sind Frauen auf die untergeordneten Funktionen beschränkt. Unter den knapp 1000 festangestellten weiblichen Belegschaftsmitgliedern des NDR sind beispielsweise nur 53 als Redakteurinnen für Programminhalte verantwortlich, aber weit über die Hälfte sind Büro- und Verwaltungsangestellte. 942 Frauen sind beim WDR angestellt, davon 49 Redakteurinnen, beim SFB lauten die entsprechen-den Zahlen: 494, davon 23 Redakteurinnen. Unter den im ARD-Jahrbuch 1975 namentlich verzeichneten leitenden Angestellten finden sich 14 Frauen unter insgesamt 581 Namen, also noch nicht einmal3 Prozent.
Daß die Frauen in den Sendern die untersten Ränge der Arbeitshierarchie bevölkern, geht auch aus der Verteilung auf die verschiedenen Vergütungsgruppen hervor. Beim WDR hat nur eine einzige Frau einen außertariflichen Vertrag, in der obersten Vergütungsgruppe I sind sieben Frauen. Mit anderen Worten, noch nicht einmal zehn der beim WDR beschäftigten Frauen sind in sogenannter leitender Position tätig.
Die größte Einzelgruppe unter den weiblichen Mitarbeitern sind Stenotypistinnen, Sekretärinnen und Sachbearbeiterinnen. Das quasifeudale Abhängigkeitsverhältnis zwischen Sekretärin und Chef besteht selbstverständlich auch in der Rundfunkanstalten. Sekretärinnen im Programmbereich machen häufig zusätzlich redaktionelle Arbeit, redigieren Manuskripte, machen Themenvorschläge, schneiden Bänder, ohne daß ein beruflicher Aufstieg zur Reporterin, Autorin oder Redakteurin damit verbunden wäre.

Tontechnikerinnen

Domäne der Frauen in den Sendeanstalten sind vor allem die technischen Assistenzberufe wie Tontechnikerin, Cutterin, Bildmischerin. Berufe also, die vor allem bei der Tontechnikerin keine eigenen Entfaltungsmöglichkeiten zulassen. Sie muß damit rechnen, ihre ganzes Berufsleben lang nach Anweisung Bänder zu schneiden bzw. dem Toningenieur am Regiepult zur Hand zu gehen. Im WDR bestehen Bestrebungen unter den Tontechnikerinnen, wenigstens durchzusetzen, daß dieselbe Technikerin eine Produktion von Anfang bis Ende betreut, statt wie bisher üblich oft mehrere Technikerinnen nacheinander für die Fertigstellung einer Sendung einzuteilen.
Im Unterschied zu ihren männlichen Kollegen haben die Technikerinnen beim Hörfunk zumeist eine verkürzte Ausbildungszeit von zwei Semestern an der Schule für Rundfunktechnik in Nürnberg genossen. An dieser Schule bestand die Tendenz, Männer grundsätzlich in den dreisemestrigen Ausbildungsgang zu lenken. Inzwischen ist diese Ausbildung einheitlich auf 8 Monate reduziert worden, alles andere- Fort- und Weiterbildung- obliegt den Anstalten selbst. Diese sehr schmale Grundausbildung an der Nürnberger Schule führt zu einer jetzt noch stärkeren Verweiblichung des Tontechniker-Berufs und zur fast völligen Blockierung aller Chancen des beruflichen Fortkommens.
Für die qualifizierteren, selbständigeren Arbeiten werden ganz überwiegend männliche Tontechniker eingesetzt, zB. um Live-Sendungen „zu fahren” (etwa im Magazindienst) oder im Außendienst im Ü-Wagen. Als Begründung für die Bevorzugung der Männer in diesem Bereich wird oft das genannt, was früher in einer Informationsbroschüre der Schule für Rundfunktechnik in Nürnberg sogar schwarz auf weiß zu lesen war: „Da Tontechniker bei Außenaufnahmen häufig auf sich angewiesen sind, verlangen diese Aufgaben sowohl umfangreichere technische Kenntnisse als auch größere Körperkräfte und Ausdauer im Arbeiten unter schwierigen Bedingungen.“
Der unterschiedliche Einsatz von Männern und Frauen schlägt sich selbstverständlich auch in der Bezahlung nieder – die Männer sind zumeist eine Gehaltsstufe höher eingruppiert.
Die Fernsehtontechnik ist dagegen fast ausschließlich eine männliche Domäne. Die häufig im Außendienst beschäftigten Filmtontechniker haben meist eine Ausbildung als Rundfunk- und Fernsehmechaniker absolviert – ein Ausbildungsbereich, in dem. Frauen ohnehin so gut wie nicht anzutreffen sind. Unter den über 40 Fernseh-Tontechnikern beim WDR sind nur 2 Frauen, die jedoch im Außendienst nicht eingesetzt werden.. „Solange wir’s vermeiden können”, sagt der zuständige Betriebsingenieur Georg Meurer; Damen als Tontechniker im Außendienst, das könne er sich nicht vorstellen, schließlich seien die Aufnahme-Teams oft tagelang, wochenlang oder gar monatelang unterwegs, sie seien da nur unter Männern, und er glaube nicht, daß die Kolleginnen selbst das wollten.

Cutterinnen

Aufgabe des Cutters ist es, in Zusammenarbeit mit dem Regisseur oder Redakteur einen vorführfähigen oder sendefertigen Film in Bild und Ton herzustellen. Erst nach dem Krieg würde der Beruf des Cutters in der deutschen Filmindustrie zu einem reinen Frauenberuf. Beim Fernsehen gilt es inzwischen schon als ungewöhnlich und wird bisweilen von den Cutterinnen sogar mit Argwohn betrachtet, wenn vereinzelt wieder männliche Cutter in die Rundfunkanstalten einziehen.
Die Verweiblichung des Cutter-Berufs ging einher mit einer Dequalifizierung dieser Tätigkeit. Eine Mitarbeiterin des WDR-Fernsehens schreibt dazu:

„Für das Fernsehen wird (im Unterschied zu großen Filmproduktionen) schludriger gedreht, schneller und mit weniger technischem Können. Beim Fernsehen arbeiten viele Leute, die wohl etwas vom Journalismus, aber kaum etwas vom Film verstehen. Entsprechend heißt Filme schneiden im Fernsehen heute weitgehend, Filmteile so aneinander zuhängen, daß es dann (in Anbetracht des geringen Aufwandes an Zeit, Sachverstand und Technik) noch einigermaßen erträglich anzusehen ist. Keiner Cutterin wird die Zeit gegeben, sich um Raffinessen zu kümmern. Das heißt, man bringt sie ihr nicht bei, und wenn sie mit Privatinitiative und aus unerwartetem Interesse an ihrem Beruf dann doch mehr gelernt hat, darf sie ihre Fähigkeiten ja nicht zu ausgebreitet einsetzen, das würde nur aufhalten . . . Außerdem: Welcher Redakteur oder Autor kann sich schon von einem Cutter-Häschen sagen lassen: Das können Sie so nicht schneiden! Oder: Das wäre doch eigentlich so viel schöner. Oder: Wenn Sie mir noch das und das drehen, kann ich . Ihnen das viel besser schneiden als mit dem Material, das Sie mir geliefert haben.
Und entsprechend werden dann auch die Cutterinnen ausgebildet: als technische Roboter, als Handlangerinnen und Zuarbeiterinnen. Wie numeriert man Filme? Wie legt man an? Wie zieht man synchron? Wie schneidet man Bild und Ton? Aber nicht: Welches Bild zu welchem Ton ergibt welche Kombination beim Zuschauer? Was bewirkt eine bestimmte Reihenfolge von Interviews im Gedächtnis des Zuschauers? Das sind inhaltliche Fragen, die für einen Handlanger nicht wichtig sind . . . Kaum eine Cutterin hat je in ihrer Ausbildungszeit die Gelegenheit erhalten, am Drehort mitzuerleben, wie Filme gemacht werden (und zwar nicht nur die Tagesschau) oder selbst dort mitzuarbeiten.
Und auf den Tag, an dem sie Cutterin wird, darf sie meist vier bis fünf Jahre warten und das nicht, weil das Schneiden so schwer ist, denn außer Schnelligkeit und Routine wird kaum etwas dazugelernt, sondern um möglichst lange Zeit billige Arbeitskräfte für die viele Handarbeit zur Verfügung zu haben (Cutter-Assistentinnen).
Die Diskriminierung der Frauen liegt nun letztlich darin, daß man immer wieder bei solchen Berufen mit solchen Funktionen (Handlangerdienste) eher Frauen nimmt als Männer, oder sogar nur Frauen. Dazu kommt, daß Schneideraum-Arbeit zu einem ganz großen Teil wirklich eine viehische Fleißarbeit ist und bevor man wirklich schneidet, fällt eine Menge sehr stupider Arbeit an (anlegen, numerieren, aussortieren, Töne trennen und bestellen usw.), die Männer auf die Dauer vielleicht nicht so ohne Widerspruch auf sich nehmen würden. Es hat zum Beispiel sehr, sehr lange gedauert, bis die Sendeanstalten Numeriermaschinen angeschafft haben. Ich glaube nicht, daß Männer, wenn sie wissen, es gibt solche Maschinen, noch Jahr um Jahr weiter diese Dreckarbeit mit der Hand gemacht hätten . . .”.(1)

Dennoch sind die Cutterinnen diejenige weibliche Berufsgruppe in den Anstalten mit dem noch relativ höchsten Prestige, ihre Arbeit ist nicht ganz so zerstückelt und entfremdet wie die der Tontechnikerinnen beim Hörfunk, sie haben ihre festen Schneideräume, sie bearbeiten gewöhnlich im Team mit dem Redakteur oder Autor die Sendung von Anfang bis Ende. Sie sind gehaltsmäßig im allgemeinen höher eingestuft als Sekretärinnen oder Tontechnikerinnen. Beim NDR haben die Cutterinnen ihre gehaltsmäßige Gleichstellung mit den Kameraleuten erkämpft.(2)
Der Beruf des Kameramanns ist den Frauen so gut wie verschlossen, und das nicht nur aus sprachlichen Gründen. Angeblich sind Frauen zu schwach, um eine Filmkamera zu halten. Die elektronischen Studiokameras werden dagegen auch schon mal von Frauen gehandhabt.

Programmitarbeiterinnen

Die Grenzen zu den Männerdomänen in den Medien haben diejenigen Frauen überschritten, die als Autorinnen, Regisseurinnen und Redakteurinnen Einfluß auf die Programminhalte nehmen. Durchschnittlich 11 % der bei ARD und ZDF festangestellten Redakteure sind Frauen.
Radio Bremen: 78 Redakteure, davon 6 Frauen; Hessischer Rundfunk: 147 Redakteure, davon 13 Frauen;
Sender Freies Berlin: 200 Redakteure, davon 23 Frauen; Bayerischer Rundfunk: 340 Redakteure, davon 52 Frauen;
Westdeutscher Rundfunk: 412 Redakteure, davon 49 Frauen;
Zweites Deutsches Fernsehen: 409 Redakteure, davon 38 Frauen.(3)
Die noch relativ größten Chancen bieten sich den Programm-Macherinnen in den traditionell „weiblichen” Ressorts: Frauen-, Kinder-, Schul- und Jugendfunk. In den Ressorts Politik, Wirtschaft und Nachrichten sind die Männer meist unter sich, im Hörfunk taucht hier und da in diesen Bereichen eine einzelne Frau auf, beim Fernsehen so gut wie nie.
„Frauen”, so resümierte einmal Katharina Focke, „machen Programme für Frauen, Männer machen Programme für Menschen.” Ähnlich wie für die technischen und Verwaltungs-Abteilungen gilt auch für den Programm-Bereich: folgt man der Stufenleiter der Hierarchie nach oben, werden Frauen immer seltener. Weder gibt es eine Intendantin noch eine Programmdirektorin, der WDR konnte bis vor kurzem mit der einmaligen Ausnahme einer Fernseh-Chefredakteurin aufwarten. Für das ZDF konstatiert Elisabeth Berg einen Rückgang der Frauen auf leitenden Redakteurstellen: Von den vier Abteilungsleiterinnen 1967 blieb bis 1975 nur eine einzige übrig.(4)
Viele Posten, die in der Nachkriegszeit mit Frauen besetzt wurden, gehen nach deren Ausscheiden wieder an Männer zurück- ja selbst in den traditionellen Frauenressorts werden neuerdings Männer eingestellt mit der scheinbar sympathischen Begründung, die redaktionellen Frauengettos aufzubrechen- ohne daß allerdings den Frauen der Zugang zu anderen, ihnen bisher verschlossenen Bereichen erleichtert würde.
Es gibt die vielschichtigsten Mechanismen, denen Frauen bei der Stellenvergabe zum Opfer fallen. Meist läuft so etwas subtiler ab als in dem folgenden Bericht einer Fernseh-Redakteurin:

„In einer Redaktionsgruppe von insgesamt neun Redakteuren waren drei Redakteurinnen, von denen eine- auch bei bestem Wohlwollen- sich als völlig unqualifiziert herausgestellt hat. Nun wurde eine weitere Stelle frei und es bewarb sich neben zwei Männern auch eine Frau. Und es fiel mal, wenn auch sehr beiläufig, der Satz: Wollen wir uns denn noch ’ne Frau ‚reinholen?
Und das fand ich ganz bezeichnend- obwohl das letztlich für die Entscheidung nicht den Ausschlag gegeben hat-, ich fand es aber insofern bezeichnend, als eine Parallele mit Männern sicherlich nicht passiert wäre. Wenn in einer größeren Arbeitsgruppe ein Mann in der Arbeit versagt, wird man bei Neubesetzung einer Stelle niemals auf die Idee verfallen zu sagen: Aber um Gottes Willen, wollen wir uns denn noch’n Mann in diese Arbeitsgruppe reinholen?“.(5)

Programmacherinnen bleiben auch dann noch benachteiligte Minderheit, wenn sie es scheinbar geschafft haben und auf einem Redakteurssessel sitzen. Das bestätigen jedenfalls zwei publizistikwissenschaftliche Dissertationen an der Universität Münster.(6)
Heinrich Freise stellt in seiner Arbeit (,‚Das Bild der Journalistin in der Kommunikator-Organisation Rundfunkanstalt“) einige interessante Unterschiede zwischen Redakteurinnen und ihren männlichen Kollegen fest. So verdienten zB. 1973 die Redakteurinnen des WDR im Durchschnitt 366 DM im Monat weniger als der Durchschnitt aller WDR-Redakteure.
Weit über die Hälfte der von Freise befragten Redakteurinnen der drei Anstalten WDR, SDR und RB waren ledig bzw. geschieden, während über zwei Drittel aller männlichen Redakteure verheiratet sind. Freise zitiert einige seiner Interviewpartnerinnen:

„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – so erstrebenswert sie ist für die Frau – kann überfordern. Wenn ich Kinder gehabt hätte, hätte ich wohl beides nicht vereinbaren können.”
„Eine berufstätige Frau, vor allem wenn sie Kinder hat, muß sich entscheiden zwischen Familie und Karriere. Sie kann nur zu einem Kompromiß gelangen. Karriere, wie sie für den Mann selbstverständlich ist, geht bei ihr auf Kosten des Familienlebens.”
Schließlich ist der formale Ausbildungsgrad bei Journalistinnen überdurchschnittlich hoch – mehr Frauen als Männer unter den festangestellten Programm-Mitarbeitern können ein abgeschlossenes Hochschulstudium nachweisen. Mit anderen Worten: die Qualifikationsbarrieren sind für Frauen besonders hoch, sie müssen dem Beruf auch persönliche Opfer bringen, die Männern nicht abverlangt werden (Verzicht auf Eheleben und Kinder) und sie werden obendrein noch unterdurchschnittlich bezahlt.

Belastender sind jedoch die Schwierigkeiten, denen Rundfunk-Redakteurinnen in der täglichen Arbeit begegnen. Sie waren das Thema der Dissertation von Jochen Draht: „Die Rundfunkjournalistin – Motivation und Berufswirklichkeit”. Die von Draht 1973 befragten Redakteurinnen des WDR fühlten sich in ihrer Mehrzahl gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt. – Eine typische Äußerung einer Redakteurin, die der Publizistikwissenschaftler notierte:
„Eine Frau muß ihre Beiträge besonders gut machen, um nicht kritisiert zu werden. Meine Fehler, das beobachte ich, werden höher ‚gejubelt‘ als die meiner Kollegen. Wir sind immer dem Vorwurf ausgesetzt, wir seien emotional und zögen uns bei harter Arbeit auf unsere weibliche Schwäche zurück. Dagegen müssen wir immer und immer wieder ankämpfen.”
Daß die journalistische Arbeit von Hörfunk- und Fernseh-Redakteurinnen als Eindringen in männliche Reservate gilt, das wird den Frauen von ihren männlichen Kollegen meist diskret und unterschwellig, manchmal aber auch provozierend deutlich gemacht. – Eine freie Mitarbeiterin des WDR berichtet:
„Nach meiner Erfahrung aus der aktuellen Berichterstattung- also einer Unterabteilung der Hauptabteilung Politik- muß ich sagen, daß weibliche Reporter immer auf sogenannte simple Themen abgeschoben werden . . . Der Chef eines aktuellen Hörfunk-Magazins wiederholt mir gegenüber noch heute seine vor fünf Jahren gemachte Äußerung, Frauen seien nicht imstande, Politiker zu interviewen“.(7)

Die Ergebnisse der Arbeit von J. Draht lassen sich in sechs Punkten festhalten:
1. Die erste Barriere, die die angehende Journalistin zu überwinden hat, ist die Sozialisation der Mädchen in der Familie. Die Wahl des Journalistenberufs stellt einen ersten emanzipatorischen Akt dar.
2. Die Tendenz, Journalistinnen auf Frauen-, Jugend- und Kinderprogramm festzulegen, wird von befragten Redakteurinnen als Behinderung für ihre freie Entfaltung im Beruf und für die Verwirklichung ihrer Motivation angesehen.
3. Die männlichen Kollegen kommen in der Einschätzung der befragten Journalistinnen schlecht weg: ihnen wird Egoismus, eine permanente Imagepflege und ein übertrieben großer Hang zur Loyalität dem Hause gegenüber attestiert.
4. Die Journalistinnen fühlen sich einer besonderen Kontrolle ihrer Programmleistungen unterworfen. —„Jeder Fehler, der gemacht wird, wird seitens der männlichen Kollegen hochgespielt.” Von daher verlange jede Veröffentlichung eine intensivere Vorbereitung als die Beiträge männlicher Kollegen, um sich in keinem Fall einer Kritik auszusetzen; ein „Politisch-Werden” von Frauen werde besonders beobachtet und kritisiert.
5. Die Absicherung durch eine abgeschlossene Hochschulausbildung wird sowohl objektiv für die Chancen des beruflichen Fortkommens hoch eingeschätzt als auch subjektiv als psychologisches Stützkorsett für die dauernder Verunsicherung ausgesetzte Journalistin.
6. Rollenkonformes Verhalten der männlichen Kollegen und ihr Dominanzanspruch wird als Ursache für viele auftretende Konflikte genannt. Die befragten Redakteurinnen streben im allgemeinen die friedliche Beilegung solcher Konflikte an.

Journa­lis­tinnen und „Frau­en­themen”

Neuerdings wird Journalistinnen sogar die Frauenthematik zum Problem – obwohl dieser Bereich doch eigentlich zu ihren angestammten Beschäftigungen gehört. Aber sobald sie über die traditionellen inhaltlichen Begrenzungen des Frauenthemas hinausstreben, die allgemeine Benachteiligung der Frauen und die eigene Situation als geduldete Minderheit kritisch reflektieren, stoßen sie auf Schwierigkeiten. Redakteurinnen, die sich
für eine Liberalisierung des Abtreibungsverbots eingesetzt haben, werden von der journalistischen Bearbeitung dieses Themas ausgeschlossen – sie gelten als „befangen”. Es gibt in letzter Zeit auch Tendenzen, Journalistinnen von der Berichterstattung über die Aktivitäten der Frauenbewegung auszuschließen, Jüngste Beispiele lassen sich vom Internationalen Brüsseler Frauentribunal Mitte März berichten. Eine freiberuflich arbeitende Reporterin, die ursprünglich einen Beitrag über das Tribunal für die Redaktion Kultur Aktuell des Saarländischen Rundfunks liefern sollte, wurde kurzfristig und ohne Begründung durch einen männlichen Kollegen ersetzt, der bisher noch nie zu Frauenfragen gearbeitet hatte. Der Jugendfunk des gleichen Senders, der mit einer anderen Kollegin eine Absprache über eine Live-Berichterstattung aus Brüssel getroffen hatte, verschob diesen Bericht erst einmal sehr kurzfristig, um ihn dann – ohne weitere Benachrichtigung – gar nicht mehr abzurufen.(8)
Solche Dinge dringen bislang noch kaum ans Licht der Öffentlichkeit. Die Leistungen an Energie, Anpassungsbereitschaft und Flexibilität, die den Journalistinnen abverlangt werden, wenn sie auch nur halbwegs ihre Position in einer männerdominierten, hierarchischen und bürokratisierten Welt halten wollen, sind kein Thema fürs Publikum und erst in Ansätzen für die Journalistinnen selbst.

Organi­sa­ti­ons­ver­suche von Frauen

Aber es gibt erste Versuche von Frauen in den Medien, sich zu organisieren und gemeinsam gegen die Diskriminierung anzugehen. Journalistinnengruppen bestehen inzwischen in Berlin und in München. Eine Gruppe von Cutterinnen, Tontechnikerinnen, Sekretärinnen und Programmitarbeiterinnen hat sich im WDR formiert, um über die zuständige Gewerkschaft Verbesserungen für die festen und freien Mitarbeiterinnen zu erreichen. Auftrieb haben diese ersten Organisationsversuche von Frauen an den öffentlich-rechtlichen Anstalten durch die im vorigen Jahr von Erich Küchenhoff vorgelegte Studie „Die Darstellung der Frau und die Behandlung von Frauenfragen im Fernsehen“ erhalten(9). Denn dort wurde der Zusammenhang zwischen dem antiemanzipatorischen Frauenbild auf der Mattscheibe und den diskriminierenden Produktionsbedingungen in den Redaktionen und Studios zumindest ansatzweise aufgezeigt. Die einzige Sendeanstalt, die sich diese Medienschelte der Küchenhoff-Studie zu Herzen nahm, war der Westdeutsche Rundfunk, der seine für Hörer- und Zuschauerfragen zuständige Referentin Ursula von Welser mit der Abfassung eines „Berichts zur Lage der weiblichen Mitarbeiter des WDR“ beauftragte(10). Als jedoch im Frühjahr 1976 diese mit Engagement verfaßte 35 Seiten-Studie vorlag, befanden die leitenden Herren des Hauses, daß eine Veröffentlichung dem Ansehen des WDR abträglich sei. Erst auf Druck des Redakteursausschusses und der bereits erwähnten Fraueninitiativgruppe gelangte das Papier in die Hände der weiblichen Mitarbeiter, die demnächst in einer Vollversammlung darüber diskutieren und beschließen wollen. Ob die Einrichtung eines „Frauenforums” im Dritten Fernsehprogramm von NDR, Radio Bremen und SFB – eine monatliche, nur von Frauen gestaltete Sendereihe – mehr ist als die Einrichtung einer Spielwiese zur Beruhigung der nun allmählich doch etwas aufmüpfigen Medienfrauen, wird sich zeigen.

(1)  Renate Holy, Zur Cutterin, unveröffentlichtes Manuskript (1975), vgl. auch „frauen und film”, Nr 9, Berlin, Oktober 1976.
(2)  Brackhahn-Witt, Cutterinnen im NDR, frauen und film, aa0, s 8 ff.
(3)  Zahlen für den SFB nach: Rainer Kabel, Frauen und das Thema Frau im Programm des SFB, funk-report, 20 und 21/76. Alle anderen Angaben von den Pressestellen der Sender (Stand: 1975).
(4)  Elisabeth Berg, Das ZDF und seine Frauen, in: ZDF-Jahrbuch 1974.
(5)  Barbara Schleich, Über die Arbeitssituation von Frauen in den Medien, NDR III,11. 5.1975.
(6)  erschienen im Verlag Volker Spiess, Berlin 1976.
(7)  Schleich aa0.
(8)  Vgl. dazu Helga Dierichs, Frauen unter sich, Der Journalist, 4/1976.
(9)  Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, Band 34, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1975.
(10) Ursula von Weiser, Bericht zur Lage der weiblichen Mitarbeiter des WDR, vervielfältigtes Manuskript, Köln 1976. Inzwischen erschien für den Bereich des SFB ein ähnlicher Bericht von Rainer Kabel, vgl. oben, Arnm. 3.

nach oben