Antidiskriminierungsrecht in Deutschland: Transformative Gleichheit als Herausforderung für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis
Die juristische Debatte um Diskriminierung und Gleichberechtigung kreist oft um die Frage, inwiefern die Gleich- oder Ungleichbehandlung von privilegierter bzw. unterprivilegierter Gruppe geboten erscheint und wann eine formale Ungleichbehandlung (wie die „Frauenquote“) zum Abbau von Nachteilen gerechtfertigt werden kann. Für Ulrike Lembke greift diese Sicht zu kurz. Letztlich komme es nicht auf den Zuwachs an Antidiskriminierungsrecht in Form von Gesetzen oder Urteilen an, sondern darauf, welche transformative Wirkung dieses Recht in der gesellschaftlichen Realität hinterlasse – sprich: ob es zum Abbau sozialer Ungleichheiten beitrage oder nicht. Welche Widerstände sich gegen die effektive Anwendung von Antidiskriminierungsrecht auftun, schildert sie im folgenden Beitrag.
Eine komplexe Rechtsmaterie
Antidiskriminierungsrecht in Deutschland wird häufig mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und den Diskriminierungsverboten in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz (GG) gleichgesetzt und auf diese beschränkt. Dabei handelt es sich um ein komplexes und verzweigtes Rechtsgebiet. Zum Recht gegen Diskriminierung gehören nicht nur verfassungsrechtliche Diskriminierungsverbote im Grundgesetz (Art. 3 Abs. 2, 3 GG, Art. 33 Abs. 3 GG, Art. 4 Abs. 1 GG) und in Landesverfassungen, die Diskriminierungsverbote für Arbeitsleben und Zivilrechtsverkehr im AGG, die Gleichstellungsgesetze für Frauen und für Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Dienst auf Bundes- und auf Landesebene, Regelungen zu Barrierefreiheit und Inklusion, Gesetze für Gleichstellung und gegen Diskriminierung in Hochschulen und Schulen sowie im öffentlichen Rundfunk, europäisches Primär- und Sekundärrecht sowie internationale Menschenrechtsverträge mit innerstaatlicher Geltung, sondern auch strafrechtliche Regelungen wie § 130 Strafgesetzbuch (StGB) gegen Volksverhetzung, eine Vielzahl von untergesetzlichen Rechtsnormen und neuere Regelungen wie das Bundesteilhabegesetz (BTHG) oder das Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin (LADG Bln). Auch die Öffnung der Ehe für alle, Änderungen des Personenstandsgesetzes und das geplante Selbstbestimmungsgesetz, Regelungen zur sog. Vereinbarkeit von Lohnarbeit und Sorgearbeit, inklusiver Mutterschutz oder Gewaltschutzregelungen lassen sich als Recht gegen Diskriminierung (besser) verstehen.
Antidiskriminierungsrecht liegt quer zu juristischen Teilgebieten (Zivilrecht, Strafrecht, Öffentliches Recht) und zieht sich durch Mehrebenensysteme (internationales und europäisches Recht, Bundes- und Landesrecht, Gesetze und andere Rechtsformen) sowie verschiedene Lebensbereiche. Für seine dogmatische Durchdringung und praktische Anwendung braucht es sehr gute juristische Kompetenzen inklusive des Umgangs mit Wechselwirkungen von Recht und gesellschaftlichen Verhältnissen. Faktisch leidet Antidiskriminierungsrecht unter Anwendungsmangel. Seine durch innovative Beiträge seit Jahrzehnten entwickelte Dogmatik hat sich bislang nicht als eigenes Fach etablieren können, wofür jedoch weniger die Komplexität der Materie als vielmehr starke Widerstände im deutschen Rechtsdiskurs verantwortlich zeichnen dürften.
Antidiskriminierungsrecht als rechtliche Intervention gegen den Status quo
Seit 1949 verbietet Artikel 3 Absatz 3 GG die Diskriminierung wegen des Geschlechts sowie wegen Abstammung, „Rasse“, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben und religiöser oder politischer Anschauungen. Erst seit 1994 ist auch die Benachteiligung wegen Behinderung verboten. Bis weit in dieses Jahrhundert ist Artikel 3 Absatz 3 GG kaum jemals zu dem Zweck angewendet worden, rassistische, antisemitische, homophobe oder religionsbezogene Diskriminierung zu verhindern oder zu sanktionieren. Im deutschen Rechtsdiskurs extensiv erörtert wurde primär die Frage, ob das Verbot der Geschlechtsdiskriminierung in Absatz 3 nicht zur Verfassungswidrigkeit von „Frauenquoten“ auf Grundlage des Gebots der Gleichberechtigung in Absatz 2 führe, schließlich würden hier Männer benachteiligt.
Anhand von Artikel 3 Absatz 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wesentliche Ansätze einer antidiskriminierungsrechtlichen Dogmatik entwickelt (hierzu Wrase & Klose 2012). Die Rechtfertigung der Benachteiligung von Frauen auf Grund ihrer behaupteten „Andersartigkeit“ wurde weitgehend unterbunden. Das Gleichberechtigungsgebot wurde zu Gunsten von Frauen als strukturell benachteiligter Gruppe ausgelegt. Schließlich stellte das BVerfG (vom 28.01.1992) fest, dass allein staatliches Unterlassen oder formale Gleichheit in den Texten der Rechtsnormen nicht weiterführten:
„Der Satz ‚Männer und Frauen sind gleichberechtigt‘ will nicht nur Rechtsnormen beseitigen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale anknüpfen, sondern für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzen. Er zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse. So müssen Frauen die gleichen Erwerbschancen haben wie Männer. Überkommene Rollenverteilungen, die zu einer höheren Belastung oder sonstigen Nachteilen für Frauen führen, dürfen durch staatliche Maßnahmen nicht verfestigt werden. Faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, dürfen wegen des Gleichberechtigungsgebots des Art. 3 Abs. 2 GG durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden.“
Antidiskriminierungsrecht erschöpft sich nicht darin, dass der Staat offensichtliches Unrecht unterlässt. Vielmehr geht es darum, mit allen geeigneten Mitteln, also auch begünstigenden Regelungen und Fördermaßnahmen, für die Zukunft die Gleichberechtigung unabhängig von Geschlecht, unabhängig von rassistischen oder antisemitischen Zuschreibungen, von Behinderung oder sexueller Orientierung aktiv durchzusetzen. Antidiskriminierungsrecht ist immer eine rechtliche Intervention in gesellschaftliche Machtverhältnisse und damit den Status quo. Mobilisiert werden sollte es daher vorzugsweise von denjenigen, welche auf Grund der (zugeschriebenen) Zugehörigkeit zu einer Gruppe strukturell, also unabhängig von abweichenden Eigenschaften oder individuellen Bemühungen, benachteiligt sind, sowie von Verbänden zu ihrer organisierten Unterstützung oder vom Staat selbst als Maßnahme institutionellen Wandels (vgl. Herberger 2022; Lembke 2017b). Rechtsmobilisierung von strukturell privilegierten Personen wie Klagen von Cis-Männern gegen „Frauenquoten“ können dagegen zur Verringerung von Geschlechtsdiskriminierung in Deutschland nichts beitragen, sondern unterstützen den Status quo der strukturellen Diskriminierung von Frauen im Arbeitsleben insgesamt (Gender Pay Gap, Gender Care Gap, horizontale und vertikale Segregation des Arbeitsmarktes, männlicher Familienernährer, weibliche Sorgearbeit usw).
Dass Artikel 3 Absatz 3 GG mehrere Jahrzehnte lang weder vom Staat noch von Betroffenen rassistischer oder antisemitischer Diskriminierung, Behinderung oder geschlechtsbezogener Gewalt erfolgreich mobilisiert werden konnte, zeigt die massiven Auswirkungen struktureller und institutioneller Diskriminierung auch in die Rechtspraxis hinein. Es belegt zugleich die Notwendigkeit, bei Erlass oder Reform von Antidiskriminierungsrecht besonderes Augenmerk auf dessen Mobilisierung zu legen. Zu begrüßen ist daher, wenn beispielsweise Artikel 3 Absatz 3 GG durch ein Landesantidiskriminierungsgesetz wie in Berlin konkretisiert, ergänzt und aktualisiert sowie durch ein Verbandsklagerecht ergänzt wird. Auf Grund des Interventionscharakters von Antidiskriminierungsrecht ist seine erfolgreiche Mobilisierung weiterhin regelmäßig umkämpft.
Diskriminierung, das sind die anderen
Das BVerfG (vom 18.12.1953) selbst sah Diskriminierung offenbar als ein seltenes Überbleibsel aus früheren Zeiten, welches rasch überwunden werden konnte:
„Nach den Erfahrungen der Vergangenheit erschien es dem Grundgesetzgeber notwendig, die Differenzierungen nach „Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben, religiösen oder politischen Anschauungen“ durch einen besonderen Verfassungssatz zu verbieten. Offenbar hat er angenommen, die allgemeine Überzeugung von der Unzulässigkeit solcher Differenzierungen sei noch nicht so gefestigt, dass sie durch die Generalklausel des Art. 3 Abs. 1 GG allein wirksam ausgeschlossen würden.“
Strategien der Ignoranz, Leugnung oder Externalisierung sind auch heute im Rechtsdiskurs immer wieder zu beobachten. Diskriminierung wird in ein Anderswo verschoben: in die Vergangenheit, weil es weder Patriarchat noch Kolonialrassismus mehr gebe, in andere Gesellschaften oder Kulturen, weil nur arabische Jugendliche antisemitisch oder sexistisch seien, in deviante Gruppen, weil Rassismus nur bei Neonazis vorkomme, oder in die Unsichtbarkeit, indem Menschen mit Behinderungen weiterhin in eigenen Schulen, Wohneinrichtungen und Werkstätten segregiert sind und nicht-behinderte Menschen in politischen, sozialen und kulturellen Kontexten mangels angemessener Vorkehrungen nicht behelligen können. Ausmaß und Bedeutung von Diskriminierung werden ausgeblendet und die mangelnde Rechtsmobilisierung als Beleg herangezogen, dass der Status quo grundsätzlich in Ordnung sei und Diskriminierung eine seltene Ausnahme. Gegen diese könne auch Antidiskriminierungsrecht mobilisiert werden, sie liege nur gerade nicht vor.
Nicht zu unterschätzen ist neben dem Widerstand gegen substantielle gesellschaftliche Veränderungen auch das tiefe Widerstreben, bislang Unterdrückten wirksames Recht an die Hand zu geben. Befürchtet wird, dass sie es sofort „missbrauchen“ werden, indem sie es in Anspruch nehmen (vgl. Lembke 2019a). Durch teils fehlende soziologische Forschung, vor allem aber auf Grund fehlenden konzeptionellen Verständnisses wird ferner angenommen, dass einmal geschaffenes Antidiskriminierungsrecht nicht mehr begrenzt werden könne. Dies wurde beispielsweise in den Diskussionen um die Erweiterung von Artikel 3 Absatz 3 GG um „Behinderung“ deutlich, als Abgeordnete aufgebracht vortrugen, mit dieser Erweiterung des rechtlichen Schutzes könnten sich demnächst auch Linkshänder und Brillenträger hierauf berufen (Bundestag 1994: 18129ff).i
Diskriminierung und Ungleichbehandlung sind nicht dasselbe
Es geht bei Antidiskriminierungsrecht nicht um die ungleiche Behandlung beliebiger Gruppen, sondern um strukturelle gesellschaftliche Machtverhältnisse. Die in verschiedenen Materien des Antidiskriminierungsrechts immer wieder benannten Kategorien sind Marker für solche historisch gewachsenen, aktuell tief verwurzelten und von individuellen Bemühungen unabhängigen Hierarchisierungen wie u.a. Geschlechterverhältnis, Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit, Heteronormativität, anhand derer sich materielle Ressourcen, Anerkennung, Teilhabe und Integrität (ungleich) verteilen. Die im deutschen Rechtsdiskurs beliebte Formel, dass Gleiches gleich, Ungleiches aber seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln sei, entfaltet kein intervenierendes oder gar transformatives Potential in Bezug auf strukturelle gesellschaftliche Machtverhältnisse (Lembke 2021 und 2017a). Um eine kulturell-diskursive, gern auch pseudo-wissenschaftliche Absicherung von Diskriminierung auf Grund dieser oder jener rechtfertigenden Andersartigkeit ist man schließlich nie verlegen, ob es nun „die Natur der Frau“ oder „die Kultur arabischer Jugendlicher“ oder „die geistige Behinderung“ ist.
Es ist daher nicht zielführend, wenn auch im deutschen Rechtsdiskurs beliebt, Diskriminierung auf Fragen von Un/Gleichbehandlung zu reduzieren. Weder ist jede Ungleichbehandlung eine Diskriminierung, noch erschöpft sich Diskriminierung in Ungleichbehandlung. Pseudo-objektive Konzepte von Un/Gleichbehandlung suggerieren überdies, es könne mal diese und mal jene treffen. Doch sind Betroffene von Diskriminierung und Gruppenzugehörigkeiten in keiner Weise beliebig. Diskriminierung meint die Abwertung, Ausgrenzung, Benachteiligung und Verletzung oder Vernichtung von Menschen auf Grund ihrer (angenommenen bzw. zugeschriebenen) Zugehörigkeit zu einer strukturell benachteiligten Gruppe (grundlegend Baer 1995; Sacksofsky 1991). Auch wenn das Tragen einer Brille im Einzelfall ein Nachteil sein kann, strukturieren sich Anerkennung, Rechtssubjektivität, Integrität, Teilhabe und Ressourcenzugang nicht grundlegend nach diesem Merkmal, sondern nach (Zuschreibungen von) Geschlecht, Hautfarbe, Name oder Religion, Behinderung, Körper oder Sexualität.
Diskriminierung kann durch den Staat oder durch Private erfolgen, sie kann direkte oder indirekte Formen annehmen, sie kann intentional sein oder sich strukturell oder institutionell auswirken (vgl. umfassend Mangold & Payandeh 2022). Es ist nicht beliebig, wen sie in welchen Kontexten betrifft.
Kategorien und Kategoriendilemma
Diskriminierung beruht auf historisch gewachsenen Strukturen der Ungleichheit von Menschen, die nicht als Individuen, sondern als Angehörige von durch bestimmte Merkmale konstituierten Gruppen benachteiligt und entrechtet werden. In vielen Rechtsdokumenten enthaltene Kataloge verbotener Differenzierungsmerkmale beschreiben diese gesellschaftlichen Hierarchien. Antidiskriminierungsrecht zielt nicht (nur) auf die Überwindung eines negativen historischen Erbes, sondern ist mit aktuellen Prozessen der Ausgrenzung und Abwertung befasst, die in immer neuer Weise begründen, warum einige Menschen schlechter behandelt werden dürfen oder weniger Rechte haben sollen als andere. Diskriminierung ist nicht nur historisch kontingent, sondern auch dynamisch.
Die Kategorien des Antidiskriminierungsrechts sind Marker für gesellschaftliche Machtverhältnisse (grundlegend Baer 2022). In der Konzeption und Anwendung von Antidiskriminierungsrecht darf nicht der Fehler gemacht werden, auf die Kategorien Bezug zu nehmen, als würden sich aus ihnen naturgemäß benachteiligte (und privilegierte) Gruppen ergeben. Die hierarchische Einteilung von Menschen in Gruppen ist selbst Bestandteil von Diskriminierung, all die Kategorisierungen und Zuschreibungsprozesse, durch welche Menschen überhaupt erst zu „Frauen“, „Fremden“ oder „Behinderten“ gemacht werden.
Als Dilemma wird der Umstand bezeichnet, dass die Benennung von Kategorien, um rechtlich angemessenen Schutz gegen strukturelle Benachteiligung zu erlangen, selbst die durch Diskriminierung (mit-)konstituierten Kategorien verstärken kann. Dabei ist ganz unerheblich, ob Menschen ein bestimmtes Merkmal, auf das sich die Zuordnung zu einer Gruppe und die Diskriminierung beziehen, tatsächlich aufweisen. Auch wenn die Benachteiligung auf der falschen Annahme beruht, eine Person sei körperlich beeinträchtigt oder komme aus Algerien oder habe eine Gebärmutter, liegt selbstverständlich trotzdem eine Diskriminierung vor. Diskriminierung folgt nicht einfach aus der – zutreffenden oder unzutreffenden – Information über körperliche Eigenschaften, Herkunft oder Geschlecht einer Person, sondern aus den daran anknüpfenden Zuschreibungen, welche die Person eben nicht mehr als Individuum wahrnehmen, und den negativen Konsequenzen von Abwertung, Ausgrenzung, Benachteiligung und Gewalt.
Postkategoriale Ansätze versuchen, das Kategoriendilemma zu umgehen, indem sie diese Prozesse bspw. der Rassifizierung oder Vergeschlechtlichung statt naturalisierte Kategorien adressieren, und den Ansatz in Rechtstexten deutlich zu machen (Baer 2022; Lembke & Liebscher 2014; Liebscher et al. 2012). So besteht Einigkeit, dass es keine „Menschenrassen“ gibt, aber Rassismus sehr wohl existiert und tödlich sein kann. Auch werden Frauen im Berufsleben eher selten diskriminiert, weil sie im konkreten Fall nachprüfbar gebärfähig wären, sondern weil erwartet wird, dass sie anfallende unbezahlte Sorgearbeiten auch zu Lasten ihrer Erwerbstätigkeit übernehmen. Ein postkategorialer Ansatz setzt Kenntnisse zur aktuellen gesellschaftlichen Realität, aber auch zur Diskurs- und Praxisgeschichte spezifischer Diskriminierungen voraus, wie beispielsweise zu den Rassenideologien oder den vergeschlechtlichten Privatheitskonzeptionen des 18. und 19. Jahrhunderts.
Antidiskriminierungsrecht ist asymmetrisch und intersektional
Weil es um gesellschaftliche Strukturen geht, von denen die einen profitieren und unter denen andere leiden und keine Chance haben, ist Antidiskriminierungsrecht asymmetrisch (Baer & Markard 2018: 432f). Es kann nur von denjenigen oder zu Gunsten derjenigen mobilisiert werden, welche von struktureller Abwertung, Ausgrenzung, Benachteiligung und Gewalt/Vernichtung betroffen sind.
Ein Beispiel: Es gibt grundsätzlich keine rechtlich relevante Diskriminierung von weißen Personen in Deutschland.ii Wenn der weiße deutsche Schüler Kevin auf dem Schulhof in Neukölln von seinen nicht-weißen Mitschülern als „Kartoffel“ beschimpft und mit Feindseligkeiten überschüttet wird, dann dürfte Mobbing vorliegen, gegen welches die Schule unverzüglich einschreiten muss, nicht aber rassistische Diskriminierung. Kevin hat später trotz allem deutlich bessere Chancen auf einen Ausbildungsplatz, eine Wohnung oder die korrekte Behandlung durch Behörden und Polizei als seine nicht-weißen Mitschüler. Noch viel besser wird es allerdings der weißen Akademikertochter Laura gehen, welche in einer Villa im Grunewald wohnt, solange sie nicht bleibende Beeinträchtigungen durch einen Reitunfall erleidet oder zum Islam konvertiert und gar ein Kopftuch trägt.
Klasse bzw. sozio-ökonomischer Status ist hoch relevant, aber weder im Grundgesetz noch im AGG als Kategorie anerkannt (grundlegend zu Diskriminierung wegen der sozio-ökonomischen Lage aber Röhner 2022). Dabei hängen Diskriminierung und ökonomische Deprivation in vielfältiger Weise zusammen. So hatte die skandalisierte Benachteiligung von „Jungen“ im Bildungssystem durch „zu viele“ weibliche Lehrkräfte in Grundschulen weniger mit unterbewerteten Frauenberufen zu tun als mit der Selektion des deutschen Bildungssystems, welche insbesondere Schüler aus migrantischen Haushalten mit niedrigem sozio-ökonomischem Status betraf (vgl. Rieske 2011). Und Antidiskriminierung meint nicht nur den Verzicht auf das N-Wort oder die Anerkennung von Geschlechtsidentitäten, sondern ebenso die wirksame Bekämpfung von Mietwucher bei Familien mit Migrationsgeschichte, des Migration Pay Gap oder der massiven Altersarmut von Trans*-Personen. Eine diskriminierungsfreie oder auch nur diskriminierungsarme Gesellschaft sind im neoliberalen Kapitalismus schwer vorstellbar.
Intersektionale Diskriminierung (grundlegend Holzleithner 2022) wird häufig noch als Ausnahmefall behandelt, obwohl die Erscheinungsformen und Wirkungen von Diskriminierung kontextabhängig sind und durch andere Diskriminierungsdimensionen verschärft oder durch Privilegierungen abgemildert werden können. Eine weiße Deutsche, die nicht behindert wird, kann weitgehend diskriminierungsfrei und privilegiert leben, doch wenn es zu sexueller Belästigung durch einen Teamkollegen oder gar Untergebenen gutbürgerlicher Herkunft kommt, kann es sein, dass ihr nicht geglaubt und nicht geholfen wird. Im Gegensatz zu einer geflüchteten Frau aus Syrien, deren Berufsabschluss nicht anerkannt wird, sind ihre Möglichkeiten, den Arbeitsplatz zu wechseln, aber weitaus größer. Und wenn Fördermaßnahmen ergriffen werden, welche nur an ein Merkmal wie Frausein anknüpfen, werden weiße, heterosexuelle, nicht behinderte Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft überdurchschnittlich profitieren, während die Maßnahme bei Frauen, die mehrfach diskriminiert werden, kaum ankommen wird (Crenshaw 1989; Foljanty 2012; Lembke 2022). Antidiskriminierungsrecht ist nicht nur asymmetrisch, sondern es muss auch intersektional sein.
Barrieren für transformative Gleichheit durch Recht
Antidiskriminierungsrecht ist Recht, welches in gesellschaftliche Machtverhältnisse interveniert und diese transformieren will, und damit eigentlich schon eine Unmöglichkeit, denn meistens stützt das Recht die herrschenden Verhältnisse: „The master’s tools will never dismantle the master’s house.“ (Lorde 1984: 112). Im deutschen Rechtsdiskurs sind im Umgang mit Antidiskriminierungsrecht einige durchaus wirksame Verhinderungsstrategien zu beobachten.
Zunächst einmal wird Antidiskriminierungsrecht möglichst nicht erlassen. Im Parlamentarischen Rat 1949 hätte die Gleichberechtigung von Frauen es fast nicht in die Verfassung geschafft. Obwohl die Diskriminierungsverbote in Artikel 3 Absatz 3 GG eine direkte Antwort auf Verfolgung und Vernichtung im Nationalsozialismus sein sollten, wurde der Schutz vor Diskriminierung wegen/durch Behinderung erst 1994 ergänzt und fehlt bis heute die Kategorie der „sexuellen (Orientierung und Geschlechts‑) Identität“. Das AGG wurde 2006 erst im Zusammenhang mit mehreren Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik erlassen. Und die Bundesrepublik ratifizierte zwar UN-Behindertenrechtskonvention und europäische Istanbul-Konvention, wollte dann aber weder inklusive Bildung garantieren noch effektiven Gewaltschutz und Unterstützung von Betroffenen.
Wenn es also Antidiskriminierungsrecht gibt, wird bezweifelt oder auch vehement bestritten, dass es gilt bzw. verbindlich ist. In Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen musste das BVerfG nicht nur 1953, sondern dann eigentlich jedes Jahrzehnt nochmals (deklaratorisch) verkünden, dass Artikel 3 Absatz 2 GG wirklich geltendes Verfassungsrecht ist (vgl. Lembke 2019b: 207ff), und gegen die Zumutung staatlicher Verpflichtungen durch UN-Menschenrechtskonventionen (CERD, CEDAW, CRC, CRPD, CAT) sperrt sich die deutsche Rechtswissenschaft und Rechtspraxis weiterhin mit beachtlichen Erfolgen. Manchmal wird gar nicht diskutiert, sondern das einschlägige Recht einfach jahrzehntelang weitgehend außer Anwendung gelassen, wie Artikel 3 Absatz 3 GG oder das sog. Beschäftigtenschutzgesetz.
Ist die rechtliche Existenz und Anwendbarkeit von Antidiskriminierungsrecht unbestreitbar, wird sein emanzipatorisches Potential mit stupiden Grundsätzen wie „Gleiches gleich, Ungleiches ungleich“ entschärft. Fehlkonzeptionen von „besonderen Gleichheitssätzen“, symmetrische Verständnisse und die Beschränkung juristischer Schaffenskraft auf Feldzüge gegen „Frauenquoten“, „Gleichmacherei“ oder „Redeverbote“ verhindern Konzeptionierungen von Recht für gleiche Freiheit und dessen praktische Wirksamkeit. Unausgesprochenes Ziel scheint zu sein, dass Antidiskriminierungsrecht nichts kosten soll, vor allem nicht eigene Privilegien.
Aktuelle Diskriminierungen erkennen und wirksames Antidiskriminierungsrecht schaffen
Die geringe Wirksamkeit von Antidiskriminierungsrecht ist auf mehreren Ebenen anzugehen. Gesetzliche Regelungen sollten aktuelle Erkenntnisse über Diskriminierung einbeziehen, den asymmetrischen Charakter verdeutlichen, postkategoriale Ansätze integrieren und die Rechtsanwendung wie Rechtsmobilisierung wesentlich erleichtern. Dazu bedarf es einiger Neuregelungen, erheblicher Überarbeitung vorhandener Materien wie des AGG, der Umsetzung europäischer Vorgaben und der Implementation menschenrechtlicher Anforderungen und Konzepte sowie einer substantiellen Erweiterung der Möglichkeiten kollektiver Rechtsmobilisierung.
Teilweise geht es aber auch darum, bestehendes Antidiskriminierungsrecht zu erkennen und anzuwenden, so insbesondere die menschenrechtlichen Diskriminierungsverbote, die auch innerstaatlich zur aktiven Bekämpfung von Diskriminierung verpflichten, welche über Auslegungshilfen (erfreulich aber BVerfG vom 30.01.2020) hinausgeht. Die Innovationskraft des europäischen Rechts hat nachgelassen, was nicht zuletzt den unermüdlichen deutschen Bemühungen in Brüssel geschuldet sein dürfte, aber auch hier kann eine tiefere Befassung hilfreich sein, wie der Streit um die Privilegien kirchlicher Arbeitgeber zeigt.
Antidiskriminierungsrecht verstehen und zur Anwendung bringen
Selbst wenn die überfällige Reform des AGG gelingt, weitere Landesgesetze erlassen und die Rechtsmobilisierung verbessert wird, muss das vorhandene und neue Recht auch zutreffend konzeptionell verstanden werden. Die Antidiskriminierungsrechtsdogmatik (grundlegend (Mangold & Payandeh 2022) kann auf innovative Arbeiten aus den feministischen und kritischen Rechtswissenschaften der letzten Jahrzehnte zurückgreifen. Rechtliche Gleichheit wurde konzipiert als Dominierungsverbot (Sacksofsky 1991) und als Hierarchisierungsverbot (Baer 1995), Kategorien wurden als Marker für Zuschreibungsprozesse erkannt (Adamietz 2011), verschiedene Erscheinungsformen wie geschlechtsbezogene Gewalt (Elsuni 2011) erörtert, einige Machtverhältnisse präzise und in ihrer Wechselwirkung mit Recht analysiert (zu Rassismus: Barskanmaz 2019; Liebscher 2021; zu Geschlecht und Demokratie: Röhner 2019) und zu intersektionaler Diskriminierung geforscht (Zinsmeister 2007). Die inzwischen auch in der Kommentarliteratur vertretenen Konzeptionen werden hoffentlich positiven Einfluss auf die Praxis entfalten können.
Rechtsmobilisierung, strategische Prozessführung und Barrieren beim Rechtszugang werden auch mit Bezug zu Antidiskriminierungsrecht diskutiert und sind für dieses bedeutsam. Hinzu kommt, dass der Staat selbst pro-aktiv tätig werden muss, deutlich über den Erlass oder die Reform repressiver Diskriminierungsverbote hinaus. Hierfür können die menschenrechtlichen Diskriminierungsverbote und ihre Erläuterung durch die UN-Ausschüsse wesentliche Impulse geben. Sie orientieren sich nicht an Un/Gleichbehandlung, sondern adressieren Ausschlüsse, Beschränkungen, Strukturen, Stereotype, Gewalt und Versagen angemessener Vorkehrungen oder Fördermaßnahmen (vgl. statt vieler Schulz et al. 2022). Vorsatz oder gar Absicht ist nicht erforderlich, entscheidend ist die bei Betroffenen eintretende Folge der Diskriminierung. Menschenrechtliches Antidiskriminierungsrecht gilt nicht nur gegen Diskriminierung durch den Staat, sondern auch durch Private, Organisationen oder Unternehmen (für das Grundgesetz: Uerpmann-Wittzack 2008; grundlegend Mangold 2021). Detailliert ausgeführte staatliche Handlungspflichten sind allein an Effektivität orientiert, von Verfassungsänderungen bis zur Rechtsgestaltung, wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen, faktischem Vorgehen inklusive Zwang, Bildung und Aufklärung, Ressourcenumverteilung, Anreizsystemen und Fördermaßnahmen (vgl. statt vieler Schulz et al. 2022). Ziel ist die gleichberechtigte Anerkennung, Inanspruchnahme und Ausübung von Menschenrechten in allen Bereichen unter fundamentaler Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse, also transformative Gleichheit (instruktiv Fredman 2008, 2016a, 2016b).
Die UN-Ausschüsse wachen über Menschenrechtsverträge mit ihren (offenen) Katalogen von Diskriminierungskategorien oder ihrer Beschränkung auf eine bestimmte Dimension von Diskriminierung (Rassismus, Behinderung, Kindheit, Geschlecht). Sie stehen im Austausch über Verständnisse und Konzepte, zitieren sich gegenseitig, erhöhen die Effektivität und ermöglichen das Eingehen auf die häufigen Konstellationen von intersektionaler Diskriminierung, ohne einzelne Schutzkonzepte gegeneinander auszuspielen, sie zu relativieren oder rechtlichen Schutz zu verweigern. Da in Deutschland immer wieder der falsche Eindruck entsteht, es gäbe keinen rechtlichen Schutz gegen intersektionale Diskriminierung, sollten explizite und wirksame Regelungen geschaffen werden, auch um vergleichbare Entscheidungen wie die im Zusammenhang mit Diskriminierung wegen des Tragens eines islamischen Kopftuchs im Lehramt oder als Rechtsreferendarin oder Richterin in Zukunft zu vermeiden.
Diskriminierung, Diversity, Solidarität
Die faktische Verweigerung von effektivem Rechtsschutz vor Diskriminierung ungeachtet positiver Entwicklungen der letzten Jahre wird typischerweise begleitet von Abwehrkämpfen gegen den Verlust eigener Privilegien oder vertrauter gesellschaftlicher Ordnungen durch einen personell weiterhin recht homogenen Rechtsdiskurs sowie von hochproblematischen Konkurrenzen zwischen verschiedenen Gruppen von diskriminierten Personen, welche nach dem Prinzip „divide et impera“ auch oft politisch geschürt werden. Die Beispiele sind leider vielfältig: Prekariat gegen Geflüchtete, Schwule gegen Muslime, Frauen gegen Trans*-Personen, Muslim*innen gegen Jüdinnen_Juden usw.
Auffällig ist, dass diskursive Identitäten und materielle Ressourcenverteilung verbunden und Antidiskriminierungspolitiken geschwächt werden. Ein Beispiel ist die hierarchische rechtliche und behördliche Unterteilung von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, welche existentielle Folgen haben kann und bei Ressourcenknappheit zu erheblichen Konflikten zwischen von Rassismus betroffenen Gruppen führt. Auch andere Gruppen werden direkt gegeneinander ausgespielt, wenn beispielsweise geschlechtsbezogene Gewalt rassifiziert und allein als Problem von „Fremden“ betrachtet wird. Die Bekämpfung von Antisemitismus wird vor allem angegangen, wenn er allein Rechtsextremen und Muslimen zugeordnet oder der Bekämpfung von Rassismus vorgezogen werden kann. Der Zorn über die unzähligen Versäumnisse in der Gleichstellungspolitik trifft nicht verantwortliche Stellen, sondern in völlig unverhältnismäßiger Weise Trans*-Aktivist*innen, obwohl es jeweils um Geschlechtsdiskriminierung geht. In linken Kontexten wird über „Identitätspolitiken“ gestritten, welche soziale Ungleichheit verschärfen würden, statt den Zusammenhang zwischen Diskriminierung, Kapitalismus und sozio-ökonomischer Deprivation zu fokussieren (vgl. Kersten et al. 2021; Roldán Mendívil & Sarbo 2022; Röhner 2022).
In Kommunen und Hochschulen werden Gleichstellungspolitiken für beendet erklärt und Diversitätspolitiken oder geschlechtliche Vielfalt als neue Ziele proklamiert, für welche die Positionen von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten ressourcenneutral umgewidmet werden müssten. Flauschige Diversity-Konzepte ohne Kompetenzen und Ressourcen sind aber keine Intervention in gesellschaftliche Machtverhältnisse (Lembke 2021 und 2012). Die spezifischen Erscheinungsformen von Diskriminierung, die Komplexität von Antidiskriminierungsrecht und das Ausmaß intersektionaler Diskriminierung verlangen solidarisches Handeln, welches auf mobilisierbares Antidiskriminierungsrecht zugreifen kann.
Dass dies im deutschen Rechtsdiskurs nicht gewünscht ist, zeigt auch die jahrelange Blockade einer horizontalen Antidiskriminierungs-Richtlinie durch die Bundesregierung in Brüssel. Die Begründung war letztlich, dass eine gleichwertige Unterbindung von Diskriminierung auf Grund von Behinderung die deutsche Wirtschaft in den Zusammenbruch führen würde. Dies war schon für den Erlass des AGG 2006 vorausgesagt worden. Richtig ist nur, dass die umfassende Beseitigung von Barrieren und aktive Maßnahmen der Inklusion auch im öffentlichen Bereich noch eher selten sind und daher, auch in Auseinandersetzung mit dem langen Schatten der Euthanasie-Morde, die deutsche Gesellschaft massiv verändern würden.
Ziel von Antidiskriminierungsrecht ist und bleibt aber transformative Gleichheit und damit das Paradoxon der Intervention in gesellschaftliche Machtverhältnisse durch die Machtmittel des Rechts. Es ist allerdings ein Paradoxon, welches mit mehr politischem Willen zu solidarischer Veränderung auch in tägliche Praxen überführt werden könnte.
Prof. Dr. Ulrike Lembke Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte u.a.: Antidiskriminierungsrecht, Verfassungsrecht, Menschenrechte, rechtliche Geschlechterstudien, reproduktive Rechte, Rechtserzeugung und Rechtskritik. Jüngste Veröffentlichungen (alle 2022): Article 4 CEDAW, in: Patricia Schulz et al. (eds.): The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women. Oxford Commentary; Institutioneller Rassismus und Strafverfolgung in Deutschland, in: DIMR (Hrsg.): Rassismus in der Strafverfolgung, S. 57-72; „Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wollen Weiße bleiben.“ Ehenormen, Rassenideologien und Untergangsangst angesichts von „Mischehen“ und „Mischlingsbevölkerung“ im kolonialen Kaiserreich, in: Dann et al. (Hrsg.): (Post)Koloniale Rechtswissenschaft, S. 229-268.
Literatur
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Baer, Susanne 2022: Das Kategorienproblem und die Herausbildung eines postkategorialen Antidiskriminierungsrechts, in: Mangold & Payandeh (Hrsg.), Handbuch Antidiskriminierungsrecht, S. 223-260, Tübingen.
Baer, Susanne 1995: Würde oder Gleichheit? Zur angemessenen grundrechtlichen Konzeption von Recht gegen Diskriminierung am Beispiel sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in der Bundesrepublik Deutschland und den USA, Baden-Baden.
Baer, Susanne & Markard, Nora 2018: Art. 3 Abs. 3, in: von Mangoldt et al. (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz. Band 1: Präambel, Artikel 1 bis 19, 7. Auflage, S. 423-474, München.
Barskanmaz, Cengiz 2019: Recht und Rassismus. Das menschenrechtliche Verbot der Diskriminierung aufgrund der Rasse, Berlin.
Crenshaw, Kimberlé 1989: Demarginalizing the Intersection of Race and Sex, in: The University of Chicago Legal Forum, S. 139-167.
Elsuni, Sarah 2011: Geschlechtsbezogene Gewalt und Menschenrechte. Eine geschlechtertheoretische Untersuchung der Konzepte Geschlecht, Gleichheit und Diskriminierung im Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen, Baden-Baden.
Foljanty, Lena 2012: Quotenregelungen: Herausforderungen angesichts der Komplexität von Diskriminierung, in: femina politica 2, S. 37-48.
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Fredman, Sandra 2016a: Emerging from the Shadows: Substantive Equality and Article 14 of the European Convention on Human Rights, in: Human Rights Law Review 16, S. 273-301.
Fredman, Sandra 2008: Human Rights Transformed: Positive Rights and Positive Duties, Oxford.
Herberger, Marie 2022: Verbandsklageverfahren für diskriminierungsrechtliche Ansprüche, in: RdA, S. 220-228.
Holzleithner, Elisabeth 2022: Intersektionale (mehrdimensionale) Diskriminierung, in: Mangold & Payandeh (Hrsg.), Handbuch Antidiskriminierungsrecht, S. 543-594, Tübingen.
Kersten, Jens et al. (Hrsg.) 2021: Ambivalenzen der Gleichheit. Zwischen Diversität, sozialer Ungleichheit und Repräsentation, Bielefeld.
Lembke, Ulrike 2022: Article 4 CEDAW (Temporary Special Measures), in: Schulz et al. (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women and its Optional Protocol: A Commentary. Oxford.
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Sonstige Quellen
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BVerfG vom 28.01.1992, Az. 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 und 10/91 (Nachtarbeitsverbot).
BVerfG vom 30.01.2020, Az. 2 BvR 1005/18 (Blindenhündin).
Deutscher Bundestag 1994: Stenographischer Bericht, 209. Sitzung, Plenarprotokoll 12/209.
Anmerkungen:
iRecht hatten sie natürlich nicht, aber mit der späten Fassung der Strafbarkeit der Volksverhetzung in § 130 Strafgesetzbuch gab es tatsächlich eine Norm, welche beliebigen Gruppen strafrechtlichen Schutz hätte gewähren können. Die Rechtsprechung unterband die rechtsstaatlich bedenkliche Weite durch eine radikale Einschränkung auf Fälle von rassistischer Hetze, in welchen Tatverdächtige eindeutig als rechtsextremistisch zu erkennen waren. Bemerkenswert war, dass der Tatbestand mit der scheinbar neutralen Kategorie „Klasse“ im Kaiserreich die oberen Stände vor beleidigender Agitation geschützt hatte und in den 1950er Jahren als eine Art Sonderrecht zum Schutz von Jüdinnen_Juden in der von „antisemitischen Vorfällen“ geprägten jungen Bundesrepublik reanimiert wurde. In der Weimarer Republik hatte die Justiz die Mobilisierung als wirksames Recht gegen Antisemitismus vereitelt, indem die (antisemitische) Einordnung von deutschen Juden als „Rasse“ statt als „Klasse“ akzeptiert wurde.
iiEine Ausnahme könnte bestehen, wenn es sich um anti-slawischen Rassismus handelt, der seine eigene sehr lange und unbewältigte Geschichte hat. Diskutiert wird ferner, ob die Benachteiligung von Ostdeutschen eine Qualität erreicht hat, welche rechtlichen Diskriminierungsschutz erfordert.