Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 171/172: Die Zukunft der Linken

Willy Brandt und seine „Enkel”

Zur Personalpolitik einer linken Volkspartei*

aus: Vorgänge Nr. 171/172 (Heft 3-4/2005), S .188-198

Mit dem Regierungswechsel im Jahr 1998 ging nicht nur die 16jährige Regierungszeit der CDU unter Helmut Kohl zu Ende, sondern auch ein Generationswechsel vonstatten. Nun hatten die „68er” oder die „Enkel”[1] die politische Macht in der Bundesrepublik übernommen. Sie hatten ihr Ziel erreicht: Sie stellten nicht nur die Mehrheit der Führungsgruppe in der SPD, sondern die Regierung. Die Liste der sozialdemokratischen Regierungsmitglieder der ersten Amtsperiode Schröders liest sich wie eine Aufzählung führender Juso-Funktionäre aus den 1970er Jahren – neben Gerhard Schröder selbst, Oskar Lafontaine, Rudolf Scharping, Heidemarie Wieczorek-Zeul, Reinhard Klimmt und Hans Eichel. Sie waren alle, ebenso wie auch Karl-Heinz Funke, Herta Däubler-Gmelin und Walter Riester, in den 1940er Jahren geboren. Einzig Otto Schily (* 1932) und die in der DDR aufgewachsene Christine Bergmann (* 1939) gehörten einer anderen Altersgruppe an. Wäre es nach den Plänen des langjährigen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt gegangen, hätte diese Gruppe die politische Führung sowohl in der SPD als auch in der Bundesrepublik schon in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre übernehmen sollen. Denn sie standen für einen Generationswechsel, für einen Politikwechsel und für einen politischen Stilwechsel (vgl. Walter 2002: 221f.).

Der Nachfol­ge­poker um den Partei­vor­sitz in den 1980er Jahren

Die Frage, wie seine Nachfolge zu regeln sei, trieb den SPD-Vorsitzenden damals schon lange um, sah er doch eine Generation an die Macht streben, die so gar nicht seinen Vorstellungen entsprach. Johannes Rau oder Hans-Jochen Vogel, Angehörige der Jahrgänge 1931 bzw. 1926, die in der Retrospektive als „Männer des Übergangs” gelten, sahen sich als die rechtmäßigen Nachfolger von Helmut Schmidt und Willy Brandt. Brandt hatte allerdings andere Pläne, nicht nur was die Personen betraf, die die Partei nach ihm führen sollten, sondern vor allem darüber, wie die SPD politisch aufgestellt und zukunftsfähig gemacht werden könne. Bereits seit Beginn der 1980er Jahre und verstärkt nach dem Ende der Kanzlerschaft Helmut Schmidts, als die Rücksichten aus den Bundeskanzler und die Sachzwänge der Regierungsarbeit entfielen, strebte Brand eine erneute Modernisierung der SPD an. Er wollte die Partei für die neuen sozialer Bewegungen, wie die Friedens-, Frauen- oder Umweltbewegung, öffnen und setzte sich für die Ausarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms ein (vgl. Rudolph 2002: 55ff.). Darüber hinaus dachte er schon früh über zukünftige Regierungskoalitionen, die auch ein Zusammengehen mit den Grünen als realistische Option mit einschlossen, nach. Wieder einmal – nicht das erste und nicht das letzte Mal – geriet Brandt damit in Gegensatz zu Teilen seiner eigenen Partei.

Schon 1986 hatte Willy Brandt angekündigt, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 1988 nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren werde. Das Verhältnis zwischen Teilen der Partei und ihrem Vorsitzenden wurde zusehends problematischer. Man kann von einer langsamen Demontage und einem Autoritätsverlust des einst unumstrittenen Parteivorsitzenden sprechen. So war es ihm im Februar 1987 nicht gelungen, seinen Kandidaten für das Amt des Schatzmeisters im Parteipräsidium durchzusetzen: An-stelle der von ihm favorisierten Europaabgeordneten Klaus Wettig bzw. dessen Gegenkandidaten, dem Bundestagsabgeordneten Hans-Gottfried Bernrath, bekam Hans-Ulrich Klose den Posten. In diesem Fall stellte sich Oskar Lafontaine erstmals öffentlich gegen Brandt, weil er es war, der Klose auf der entscheidenden Parteivorstandssitzung vom 23. Februar 1987 als Kandidat ins Spiel brachte. Lafontaines Beweggründe sind wohl vor allem auf machtpolitische Überlegungen zurückzuführen, die auf die Stärkung seiner eigenen Position in der Parteiführung sowie bei zukünftigen Ämterbesetzungen ab-zielte. Das Verhalten Oskar Lafontaines wurde allerdings bei weitem nicht von allen seiner gleichaltrigen Mitstreiter akzeptiert. In einem Brief an die SPD-Europaabgeordneten machte beispielsweise Heidemarie Wieczorek-Zeul ihrem Unmut Luft. Sie und auch zahlreiche andere, wie Björn Engholm, Wolfgang Jüttner, aber auch Horst Ehmke, kritisierten vor allem den schlechten Stil, dessen Lafontaine sich bedient hatte: „Wenn wir eine neue Politik wollen, so muß sie sich auch in neuen solidarischen Verhaltensformen ausdrücken. […] Und ich hoffe und wünsche, dass Oskar Lafontaine künftig innerparteilich kooperativer und solidarischer auftritt”, so Wieczorek-Zeul in ihrem Schreiben – es sollte nicht die letzte Kritik dieser Art an Lafontaine sein (Wieczorek-Zeul 1987). Andere, die Lafontaine bei dem Coup unterstützt hatten, wie Gerhard Schröder, schwärmten laut Presse: „Das war ein Meisterstück von Oskar.” (Frankfurter Rundschau vom 25. Februar 1987) Dem Parteivorsitzenden Brandt wurde in diesem Fall wieder einmal – nicht ganz zu unrecht – mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und ungeschicktes Verhalten vorgeworfen (Ehmke 1987).

Brandt selber hatte im Juli 1986 den Kanzlerkandidaten der SPD, Johannes Rau, öffentlich desavouiert. Nachdem Rau angekündigt hatte, die absolute Mehrheit für die SPD erzielen zu wollen, sinnierte der Parteivorsitzende in einem Interview für die Wochenzeitung Die Zeit darüber, dass auch 43 Prozent für „seine Partei ein schönes Ergebnis” wären (Die Zeit vom 25. Juli 1986). Angesichts der Umfragen, die die SPD bei 38 Prozent sahen, war dies zwar immer noch optimistisch, stellte aber den eigenen Kandidaten als wenig aussichtsreich dar. Dass die Medien diese Sache ausschlachteten – „Zweifelt selbst Brandt an Rau?” stand in der Welt; im Spiegel konnte man lesen „SPD – Pannenreich in den Wahlkampf” –, lag auf der Hand (Die Welt vom 20. Juli 1986; Der Spiegel vom 11. August 1986). Rau selbst war, wie kaum anders zu erwarten, im höchsten Maße irritiert und verärgert. Denjenigen in der SPD, denen Brandts neuer Kurs sowieso ein Dorn im Auge war, gab sein Verhalten Anlass, ihm die Verantwortung für den zu erwartenden Misserfolg bei den Bundestagwahlen zu zuschieben.

In dieser für die Sozialdemokraten sowieso schwierigen Situation entbrannte vor der Bundestagswahl im Januar 1987 eine parteiinterne und öffentliche Debatte über den möglichen Nachfolger für Willy Brandt im Amt des Parteivorsitzenden — wenn dieser, wie angekündigt, im Jahr 1988 nicht mehr erneut kandidieren würde. Brandt erkannte in der Retrospektive, dass die frühe Ankündigung seines Rückzugs ein politischer Fehler gewesen sei:

„Ich hätte wissen sollen, daß es wenig sinnvoll ist, einen Rücktritt zwei Jahre im voraus anzukündigen. Es gilt die Lebensregel, so was sage man nicht, so was tue man. Wer sie außer Kraft setzt, riskiert, daß das eigene Fell verteilt ist noch bevor man es entbehren kann. Nicht nur die Nachfolge wird hin- und hergewendet, sondern auch die Gunst der Gelegenheit genutzt, unbeglichene Rechnungen zu präsentieren oder dem Abdankenden in die Schuhe zu schieben, was man nicht gern in den eigenen hat.” (Brandt 1994: 368)

So bzw. so ähnlich kam es dann ja auch: Wie immer bei öffentlich ausgetragenen Personal- und Richtungskämpfen waren es nicht allein die Medien, die die kontroversen Standpunkte in die Öffentlichkeit trugen, sondern die beteiligten Politiker und Fraktionen selbst. Sie versuchten ihre eigenen Machtambitionen oder die ihrer Favoriten, möglichst auffällig in der Öffentlichkeit zu lancieren. Die Debatte kreiste vor allem darum, ob nun Oskar Lafontaine, als der Favorit Brandts unter den so genannten „Enkeln”, der „legitime” Nachfolger des Parteivorsitzenden werden solle oder ob sich Rau oder Vogel durchsetzen würden. In einem Interview Willy Brandts mit der Bunten im September 1986 kam bereits das Thema der Nachfolge zur Sprache (Bunte vom 25. September 1986). Der SPD-Parteivorsitzende hielt sich zu diesem Zeitpunkt zwar noch öffentlich sehr bedeckt und meinte: „Ich will und darf nicht den Eindruck erwecken, als gäbe es eine von mir zu bestimmende Erbfolge. Dafür gibt es in dieser Partei Gremien.“(ebd.) Hinter den Kulissen wurden aber bereits die Fäden gezogen und nur zwei Monate später erschien im Spiegel ein längerer Artikel unter der Überschrift „Wann kommt Oskar?” (Der Spiegel vom 24. November 1986). Der öffentliche und parteiinterne Streit um Lafontaine, Rau oder Vogel tobte in den nächsten Wochen und Monaten weiter. Nicht nur Björn Engholm stellte fest, dass „die Diskussion um den Vorsitz […] der SPD geschadet” habe (Die Welt vom 23. März 1987).

Nach dem schlechten Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl im Januar 1987 mit nur 37 Prozent erklärte Johannes Rau dann auch seinen endgültigen Verzicht auf die Nachfolge Willy Brandts im Amt des Parteivorsitzenden (u.a. Frankfurter Rundschau vom 31. Januar 1987).

Das Norders­tedter Treffen im März 1987

Bevor Brandt wegen der Affäre um die von ihm vorgeschlagene und von der Parteiführung abgelehnte Pressesprecherin Margarita Mathiopoulos am 23. März 1987 seinen Rücktritt erklärte (vgl. Merseburger 2002: 799ff.), traf er sich am Abend zuvor mit den „Enkeln” im schleswig-holsteinischen Norderstedt – die Zusammenkunft ging maßgeblich auf die Initiative Björn Engholms zurück. Wie aktuell das Thema Nachfolge bei diesem Treffen sein würde, war im Vorfeld wohl keinem wirklich klar. Als es dann soweit war, befand sich der Konflikt um den Parteivorsitzenden bereits auf dem Höhepunkt. Der Schaden, der daraus für die zukünftige personelle und politische Aufstellung der Sozialdemokraten mittelfristig resultierte, ist nicht zu unterschätzen. Engholm merkte dazu in Norderstedt selbstironisch an: „Es gibt keine begnadetere Schauspielertruppe in der Bundesrepublik als die deutschen Sozialdemokraten”, sie würden Shakespeares Wie es Euch gefällt und Schillers Räuber gleichzeitig geben (Süddeutsche Zeitung vom 23. März 1987). An der Zusammenkunft in Norderstedt nahmen neben Willy Brandt, Oskar Lafontaine, Björn Engholm, Rudolf Scharping, Gerhard Schröder, Herta Däubler-Gmelin und Heidemarie Wieczorek-Zeul teil.

„Er hatte sich den ,Enkeln` zugewandt; sein ,Lieblingsenkel` war Oskar Lafontaine geworden, ein politisches Naturtalent voller Machtinstinkt und Lebensfreude. Leider hatte er im Saarland und in der saarländischen Sozialdemokratie nie einen gleichwertigen Gegner gehabt. So war er zu einem ,Napoleon` geworden, der kühne Vorstöße in politisch unerforschtes Gelände unternahm, sich dabei aber gelegentlich vergaloppierte”, so Horst Ehmke im Rückblick (Ehmke 1994: 335). Die Bevorzugung Lafontaines durch Brandt resultierte neben einer persönlichen Sympathie und Nähe, die sich seit Beginn der 1980er Jahre aufgebaut und intensiviert hatte, besonders auf dessen an medialer Präsenz ausgerichteten politischen Stil, seinem taktischen Geschick, seiner Fähigkeit, Menschen zu begeistern sowie seinen politischen Überzeugungen und Zukunftsvorstellungen (Walter 2002: 221f.; Merseburger 2002: 797).

Nicht nur Willy Brandt hatte sich Oskar Lafontaine als seinen Nachfolger gewünscht, sondern auch dessen Altersgenossen favorisierten einhellig den Saarländer, der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich als Ministerpräsident regierte.2 In Norderstedt wurde allerdings ziemlich schnell deutlich, dass Lafontaine nicht bereit war, diese Verantwortung zu übernehmen – es sollte nicht das letzte Mal sein, dass er vor derartigen Aufgaben zurückschreckte: 1990 lehnte er abermals den Parteivorsitz ab. Lafontaine war lediglich bereit, als einer der stellvertretenden Parteivorsitzenden zu kandidieren. „Oskar hat es sich eben einfach noch nicht zugetraut”, kommentierten seine Mitstreiter die Absage (zit. n. Süddeutsche Zeitung vom 25. März 1987). Andere und Lafontaine selber sagten, dass er bei den „Alten” und der Mehrheit des Führungspersonals noch nicht genügend Rückhalt gehabt habe, um sich und seine Politik durchsetzen zu können (vgl. Merseburger 2002: 799).

„Willy Brandts Plänen stand ich selbst skeptisch gegenüber. Zu jener Zeit traute ich mir den SPD-Vorsitz schlicht und einfach nicht zu. […] Ich spürte damals instinktiv, dass nur derjenige die Partei führen kann, der aufgrund seiner Erfahrungen und Leistungen von der Mehrheit des Führungspersonals akzeptiert wird. Jedenfalls war es Mitte der achtziger Jahre nicht vorstellbar, dass einer aus meiner Generation den Parteivorsitz übernehmen würde“, so Lafontaine beschönigend in der Rückschau (Lafontaine 1999: 15). Dem steht allerdings entgegen, dass im Vorfeld der Entscheidung über die Nachfolge für das Amt des Parteivorsitzenden nicht nur Brandt Lafontaine ins Gespräch gebracht hatte, sondern dieser sich selbst ständig durch eine massive Medienpräsenz und Aufsehen erregende Aktionen, wie die beschriebene Implementierung des Schatzmeisters, in der öffentlichen und parteiinternen Diskussion platzierte. Nach der verlorenen Bundestagswahl 1987 war es Lafontaine, der noch vor der Sitzung des Parteivorstandes in Bonn eine Pressekonferenz einberief und damit eine erneute öffentliche Diskussion über den Kanzlerkandidaten Johannes Rau und seine Wahlkampfführung sowie die zukünftige Parteiführung in Gang setzte (u.a. Süddeutsche Zeitung vom 27. Januar 1987). Der saarländische Ministerpräsident forderte, dass die Nachfolgefrage so schnell wie möglich zu klären sei und nicht, wie von der Parteiführung geplant, erst auf dem ordentliche Parteitag im Jahr 1988. All dies musste dazu führen, dass für Brandt die Absage Lafontaines zur großen persönlichen und politischen Enttäuschung wurde. „Brandt war von Lafontaine enttäuscht, weil er aus persönlichen und politischen Gründen abgelehnt hatte, den Parteivorsitz zu diesem Zeitpunkt zu übernehmen”, bemerkte Horst Ehmke treffend dazu (Ehmke 1994: 337). Die Absage seines Lieblingsenkels hatte auch weitreichende Konsequenzen für Brandts Konzept der aktiven Nachwuchspolitik, dass die „Söhne“-Generation übergehen und damit die dringend erforderliche politische und personelle Erneuerung der SPD beschleunigen wollte. Dieser Prozess wurde durch den Rückzieher Oskar Lafontaines um einige Jahre verzögert und hat wahrscheinlich auch die Machtkämpfe zwischen den „Enkeln” in den 1990er Jahren begünstigt. Außerdem hatte Brandt den Widerstand in der Partei bei der Generation derjenigen, die übergangen werden sollte, unterschätzt. Hans-Jochen Vogel schreibt zwar im Rückblick, dass er sich „in den kritischen Tagen nicht nach der Nachfolge gedrängt” habe (Vogel 1996: 224). Er hatte allerdings im Vorfeld viel dafür getan, sich für das Amt des Parteivorsitzenden im Gespräch zu halten und konnte sich auch der Unterstützung seiner Altersgenossen in Vorstand und Partei sicher sein.

In den Erinnerungen Willy Brandts wird das Norderstedter Treffen nur mit einem einzigen Satz erwähnt – auch dies ein Indiz für die große Ernüchterung, die für Brandt damit verbunden war: „Ich fühlte mich in meinen Vorschlägen durch eine lange Aussprache bestätigt, die ich am voraufgegangenen Wochenende mit jüngeren Parteiführern gehabt hatte.” (Brandt 1994: 371) Dass die am 23. März 1987 dem SPD-Parteivorstand von Brandt vorgeschlagene Lösung – Hans-Jochen Vogel als Parteivorsitzender, Oskar Lafontaine und Johannes Rau als neue stellvertretende Vorsitzende – eine Übergangslösung war, die zunächst nur aufgrund der für ihn enttäuschenden Absage Lafontaines notwendig geworden war, war dem scheidenden Parteivorsitzenden offensichtlich bewusst, denn so heißt es weiter in seinen autobiographischen Aufzeichnungen: „Es gibt Schlimmeres, als einem anderen Platz zu machen, zumal wenn man weiß, daß eine jüngere Führungsgruppe auf dem Sprung steht und nachrücken wird.” (ebd.: 372) Die Op-tion einer möglichen Kanzlerkandidatur Lafontaines und eine Übernahme des Parteivorsitzes zu einem späteren Zeitpunkt war bereits bei einem gemeinsamen Gespräch zwischen Brandt, Rau, Vogel und Lafontaine am 13. Februar 1987 erörtert worden (Rudolph 2002: 62; Vogel 1996: 223f.).

Dass Lafontaine allerdings als Kanzlerkandidat 1990 in der zentralen Frage der deutschen Wiedervereinigung eine Position einnehmen würde, die der Brandts diametral entgegenstand, konnte 1987 niemand voraussehen. Die Haltung Lafontaines und vieler seiner Altersgenossen, die eine schnelle Wiedervereinigung ablehnten bzw, sich ganz gegen den Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten aussprachen, riss einen tiefen Graben zwischen dem einstigen Parteivorsitzenden und die von ihm so favorisierten Enkel (vgl. Merseburger 2002: 844ff.). Auch öffentlich machte Brandt kein Hehl aus dem tiefen Zerwürfnis, das die Frage der Wiedervereinigung zwischen ihm und seinem einstigen Lieblingsenkel ausgelöst hatte: Bei der Veranstaltung in der Nacht zum 3. Oktober 1990 vor dem Berliner Reichstag verweigerte Brandt Oskar Lafontaine als einzigem den Handschlag (Thierse 2005).

Die „Enkel”: Aufstieg einer Generation

Als Oskar Lafontaine 1990 Kanzlerkandidat und Björn Engholm 1991 SPD-Vorsitzen-der wurde, hatten die „Enkel” ihren Führungsanspruch in der SPD weitgehend durchgesetzt. Diese Gruppe in der SPD konstituierte sich als Generation aufgrund ähnlicher Erfahrungen seit Ende der 1960er Jahre. Obwohl sie als „68er” etikettiert werden, war kaum einer von ihnen aktiv in die Studentenbewegung involviert. Dennoch teilten sie viele von den politischen Anliegen der APO, wie die kritische Auseinandersetzung mit der Eltemgeneration und ihrer Verstrickung in den NS-Staat, eine Reformierung von Staat und Gesellschaft sowie neue Lebensstile. Bei der Zuschreibung als „68er” ist dann auch die direkte Beteiligung, so hat Heinz Bude herausgearbeitet, von sekundärer Bedeutung. Ausschlaggebend sei das Gefühl, einer Generation anzugehören, die einen historischen Bruch bewirkt hat (Bude 1995). Die meisten Angehörigen dieser Generation in der SPD trat in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in die Partei ein, nicht wenige – nach eigenen Aussagen – wegen der Politik Willy Brandts. So können die Ausführungen Oskar Lafontaines zu diesem Thema auf dem außerordentlichen Parteitag der SPD am 14. Juni 1987 als exemplarisch gelten:

Es gäbe „die Generation der 68er, die wegen Willy Brandt den Weg zur SPD gefunden hat. Da wuchs eine Generation heran, die das Reformdefizit des CDU-Staates beklagte, die sich nicht abfinden wollte mit der Verdrängung der Verbrechen des Hitler-Faschismus, die damals in der Zeit des Wiederaufbaus gang und gäbe war. Die nicht mehr schweigen wollte zu den Leiden des Krieges in Vietnam, und die Anschluß suchte an die demokratischen, sozialistischen Traditionen der Weimarer Republik. In dieser Zeit […] war es der aktive Antifaschist Willy Brandt, der dieser jungen Generation die Hand reichte. Nur er konnte es als Antifaschist, weil er die Tradition der deutschen Arbeiterbewegung verkörperte.” (Parteitag 1987: 68f.)

Sie repräsentierten einen neuen Typ des SPD-Mitglieds, der den Wandel der Partei zur Volkspartei unterstrich und Ende der 1960er Jahre das Erscheinungsbild der SPD verändert hatte. Fast alle hatten studiert, einige wie Gerhard Schröder auf dem zweiten Bildungsweg. Den Generationenkonflikt und die Radikalisierung trugen sie weniger auf der Straße als vielmehr zwischen Jugendorganisation und Mutterpartei aus. Ihr erstes großes verbindendes Erlebnis war der Juso-Bundeskongress im Dezember 1969 in München – hier liegen die Grundlagen für die Netzwerkbildung der „Enkel“-Generation. Dennoch war es bereits kurze Zeit später, auf dem nächsten Kongreß 1970 in Bremen, mit der Harmonie vorbei. Die Flügelkämpfe zwischen Reformsozialisten, Stamokap-Anhängern und Revisionisten prägten nun für die nächsten Jahre die politischen Auseinandersetzungen (Süß 2004). Diese gingen nicht ohne Verletzungen und Sanktionierungen vonstatten, prägten aber einen spezifischen Politikstil und beförderten Vergemeinschaftungsprozesse dieser Gruppe. Die Generation der „68er” in der SPD verbindet nicht nur die gemeinsame Erfahrung der Umbruchsphase seit Ende der 1960er Jahre. Sie teilen auch eine ähnliche Lebens- und Aufstiegsgeschichte. Wie Matthias Micus in seiner Studie über den Weg der „Enkel” von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis zu Beginn der 1990er Jahre detailliert herausgearbeitet hat, weisen die Biografien der führenden Protagonisten der Gruppen trotz mannigfaltiger Unterschiede auch wesentliche Gemeinsamkeiten auf (Micus 2005). Gemeint sind hier im Besonderen das Auf-wachsen in der unmittelbaren Nachkriegszeit und in den 1950er Jahren – nicht selten ohne Vater –, die Herausbildung von früher Selbstständigkeit, gepaart mit einer gewissen Eigenwilligkeit und dem mehr oder weniger stark ausgeprägten Drang zum sozialen Aufstieg (ebd.: 30ff.). Die Wahl der SPD als politisches Betätigungsfeld war bei keinem eine Zwangsläufigkeit, ihre Bindung zur Partei demzufolge pragmatischer als die vor-angegangener Generationen. Dennoch: Die Sozialdemokratie entsprach am ehesten ihren individuellen politischen Zielen und Vorstellungen. Aus den frühen Sozialisationsund politischen Erfahrungen resultierten – nach der nicht ganz überzeugenden Ansicht von Micus – die egoistischen und auf die eigenen Machtambitionen angelegten Ränke-spiele und Rivalitäten (ebd.: 181). Diese traten am deutlichsten beim Trio Lafontaine, Scharping, Schröder zutage, lassen sich aber auch auf anderen Ebenen der Partei in der derselben politischen Generation finden. Die innergenerationellen Konflikte und Machtkämpfe sind bekannt und werden als „Kooperationsunfähigkeit” interpretiert: die Mitgliederbefragung zur Wahl des Parteivorsitzenden 1993, der „Putsch” Lafontaines gegen Scharping auf dem SPD-Parteitag 1995, die Auseinandersetzungen um die Kanzlerkandidatur zwischen Lafontaine und Schröder im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes im Jahr 1998 (vgl. u.a. Walter 2002: 215ff.). Es stellt sich allerdings die Frage, ob derartige Machtkämpfe um die Führungsposition zwischen Angehörigen einer politischen Generation nicht typisch sind und nur im Rahmen zeitspezifischer Politikstile differieren. Auch die so genannte Troika Brandt-Wehner-Schmidt war ein Zweckbündnis, war durch Auseinandersetzungen und Machtkämpfe gekennzeichnet gewesen. Dass es trotzdem nicht zum endgültigen Bruch kam, lag nicht zuletzt an der Scheu Willy Brandts vor persönlichen Konflikten, denn spätestens nach der Bundestagswahl 1972hätte er Wehner als Fraktionsvorsitzenden entlassen müssen, als dieser Brandts Anweisungen für die Koalitionsverhandlungen und die personelle Besetzung der Kabinettsposten schlicht ignorierte sowie im folgenden Jahr den Bundeskanzler durch öffentliche Äußerungen schädigte.

„Auch die ,Troika`[…J hatte sich nicht geliebt, im Alter sogar gehasst. Sie hielten ihren Widerwillen aber lange aus. Zwanzig Jahre bleiben sie zusammen an der Deichsel. Die Partei war ihnen ein lebendiger Organismus, ein Verband zur Veränderung der Gesellschaft. Den Enkeln war sie ein Spielfeld der persönlichen Macht”, so die auf der einen Seite idealisierende und auf der anderen Seite pauschalierende, aber von vielen geteilte Einschätzung von Peter Glotz (Glotz 2005: 311). Die Enkel werden hauptsächlich auf ihren persönlichen Willen zur Macht, auf die Befriedigung ihres Ehrgeizes so-wie auf den Vorrang individueller vor Parteiinteressen reduziert: Im Zweifel nicht für die Partei, sondern für meinen persönlichen Erfolg (Micus 2005: 165). Dies ist zeitweise sicherlich zutreffend gewesen, lässt sich allerdings nicht als spezifisches Kennzeichen dieser SPD-Generationen ausmachen. Denn was ihre parteipolitischen Karrieren angeht, so unterscheiden sie sich kaum von denen vorangegangener Generationen. Alle haben die Ochsentour durch die Partei absolviert. Vom Plakatkleben im Ortsverein, über Posten bei den Jusos, in der Lokal- und Regionalpolitik. Seit der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurden einige von ihnen Ministerpräsidenten und stiegen in den Parteivorstand auf. So wurde beispielsweise Gerhard Schröder auf dem Parteitag im August 1986 erstmals in den SPD-Parteivorstand gewählt und im Mai 1990 wurde er dann Ministerpräsident von Niedersachsen (zu seiner Biographie vgl. u.a. Urschel 2002; Anda/Kleine 2002).

In der ersten Regierung Schröder fanden sich dann bis auf Björn Engholm alle „Enkel” wieder – nun hatten sie geschafft, wofür sie den „langen Marsch” durch die Partei auf sich genommen hatten. Allerdings war diese Harmonie nur von kurzer Dauer: Der Rückzug Oskar Lafontaines vom Amt des Finanzministers sowie des SPD-Vorsitzenden im März 1999, die mehr oder weniger erzwungenen Rücktritte von Herta Däubler-Gmelin (2002) und Rudolf Scharping (2002) machten den schwelenden Machtkampf offenbar. Neben Heidemarie Wieczorek-Zeul war es Gerhard Schröder, der nicht nur als letzter geblieben ist, sondern den Machtkampf gewonnen hat: „Brandts letzter Enkel heißt Gerhard Schröder” lauteten die Schlagzeilen nach dem endgültigen Rückzug Scharpings aus der aktiven Politik (Financial Times Deutschland vom 21. Oktober 2003).

Schröder ist es dann auch, der den spezifischen Politikstil dieser Generation wohl am nachdrücklichsten repräsentierte: Er zeichnete sich durch eine hohe Medienpräsenz und eine aktiv geförderte Bedeutung der Massenmedien in Politik und Politikvermittlung aus (Meng 2002). Schröder verstand sich als „Medienkanzler”, der vor allem mit „Bild, BamS und Glotze” die Bevölkerung erreichen wollte und damit auch Erfolg hatte. Erst nach der Wahl 2005 beklagte er die Schattenseiten der „Mediendemokratie”, in dem er von „Medienmacht” und „Medienmanipulation” sprach. Darüber hinaus pflegte Schröder einen Führungs- und Regierungsstil, der einerseits stark auf seine Person ausgerichtet war, andererseits die politische Entscheidungsfindung in hohem Maße in außerparlamentarische Expertengremien verlagerte. Hinzu kam ein anderes Politikverständnis: Er betrieb eher eine pragmatisch-reformorientierten Politik, die sich nicht da-vor scheute, klassische sozialdemokratische essentials in Frage zu stellen.

Das Verhältnis Schröders zur SPD ist immer als problematisch und distanziert beschrieben worden. Schröder sei der „Enkel ohne besonderen Familiensinn” (Herres/ Waller 1999: 144). Er galt lange als der Prototyp, der seine eigenen Machtambitionen auch schon mal vor die Interessen der Partei stellte. Schröder ist dieses Image schwer losgeworden, obwohl es doch in stärkerem Maße Oskar Lafontaine war, der so handelte. Durch sein demagogisches Geschick gelang es Lafontaine allerdings bis zu seinem Rücktritt immer wieder, die „Seele der Partei” anzusprechen und sich als Parteivorsitzender darzustellen, der nur im Sinne der SPD handele. Diejenigen, die ihn allerdings in nächster Nähe erlebt hatten, blieben skeptisch. So äußerte Hans Apel bereits 1987 seine Bedenken:

„Für ihn [Oskar Lafontaine, D.M.] sind Stetigkeit in der Politik, Berechenbarkeit, Grundsatztreue sicher ,Sekundärtugenden`. Aus dem Saarland höre ich Schilderungen über seine politische Anpassungsfähigkeit, seinen Machtwillen, seinen autoritären Führungsstil, die erstaunlich sind.” (Apel 1990: 399)

Schröders Konflikte mit der eigenen Partei bei der Durchsetzung seiner Reformpolitik ließen ihn hingegen zeitweise in Gegensatz zu nicht geringen Teilen der SPD geraten und den Eindruck aufkommen, dass er keine sozialdemokratische Politik mehr betreibe. Mittlerweile haben sich die Fronten entschärft und die Partei und ihr ehemaliger Bundeskanzler befinden sich wieder weitgehend im Einklang. Die Durchsetzung neuer Positionen, die Umsetzung von Reformvorhaben oder die Etablierung eines neuen politischen Stils hat auch unter anderen sozialdemokratischen Parteivorsitzenden und Bundeskanzlern zu Konflikten mit der eigenen Partei geführt – das gilt für Willy Brandt genauso wie für Helmut Schmidt. Im Wahlkampf und am Wahlabend 2005 schien Schröder mit seiner Partei versöhnt und sie mit ihm. Er repräsentierte die deutsche Sozialdemokratie wie selten und sprach deren Seele an. Schröder steht somit gleichsam für Er-folg und Misserfolg der Enkelgeneration.

Erfolg und Scheitern einer aktiven Nachfol­ge­po­litik

Versucht man die Nachwuchspolitik Willy Brandts als Parteivorsitzender zu bewerten, so kommt man zu einem ambivalenten Ergebnis:

  1. Das Bestreben Brandts seine eigene Nachfolge aktiv zu regeln, war zielorientiert und im Sinne einer notwendigen personellen und politischen Erneuerung der deutschen Sozialdemokratie. Er hatte relativ früh erkannt, dass die Generation der „Söhne”, deren führenden Repräsentanten Hans Jochen Vogel und Johannes Rau waren, u.a. aufgrund ihrer Weigerung, die Partei für neue Bündnisse und Bewegungen zu öffnen, nicht dazu geeignet schien, die SPD in das neue Jahrtausend zu führen und zukunftsfähig zu machen. Die von Brandt betriebene Form einer aktiven Nachwuchspolitik, die nicht nurbestimmte Personen, sondern eine ganze politische Generation förderte, war in dieser Form ein Novum in der Geschichte der bundesrepublikanischen Sozialdemokratie: Nach 1945 griffen zunächst die „Alten” wieder nach der politischen Macht. Die erste politische Generation der wieder gegründeten Sozialdemokratie rekrutierte sich aus Politikern, die schon in der Weimarer Zeit aktiv gewesen und zwischen 1875 und 1900 geboren waren, wie Kurt Schumacher, Erich 011enhauer oder die sozialdemokratischen Bürgermeister deutscher Großstädte, wie Ernst Reuter (Berlin), Max Brauer (Hamburg) sowie Wilhelm Kaisen (Bremen). Sie leiteten ihren Führungsanspruch aus ihren Aktivitäten und ihren Opfern während der NS-Zeit in Deutschland oder in den diversen Exilländern ab. Hier hatten sich dann auch Netzwerke gebildet, die noch lange nach 1945 in der SPD Bestand haben sollten und auch politisch/programmatisch in die Nachkriegspartei hineinwirkten (vgl. Angster 2003). Die nächste Führungsgeneration kämpfte sich langsam nach oben und eroberte Führungspositionen in der Bundespartei vor dem Hintergrund der organisatorischen und programmatischen Erneuerung der SPD seit 1958/59. Diese „Generation der Reformer”, die die SPD bis weit in die 1980er Jahre dominieren sollte und für die Personen wie Willy Brandt, Helmut Schmidt, Karl Schiller oder Heinz Kühn stehen, war nicht durch eine gezielte Nachwuchspolitik an die Macht gekommen – eher das Gegenteil war häufig der Fall (vgl. Münke12005b), Brandt hatte aus seinen eigenen oft negativen und schmerzlichen Erfahrungen sowie aus der Einsicht in politische Notwendigkeiten und Entwicklungen die Konsequenz gezogen, selber für einen geordneten Generationswechsel zu sorgen. Die Zeit dafür schien günstig: Die Partei befand sich in der Opposition, was immer auch eine Chance zur politischen und personellen Erneuerung bietet. Darüber hinaus existierten Mitte der 1980er Jahre keinerlei äußeren Sachzwänge, die einen Generationswechsel an der Spitze der Sozialdemokratie erschwert hätten.
  2. Die Chance, die der von Brandt angestrebte Generationswechsel bedeutet hätte, wurde nicht genutzt. Er ist erst zeitverzögert und mit starken Reibungsverlusten vollzogen worden. Viele Gründe lassen sich hierfür anführen: Zum einen hat Brandt zu spät mit seiner Nachwuchspolitik begonnen. Er wird erst zu einem Zeitpunkt aktiv, den Auf-stieg der „Enkel” in zentrale politische Führungsämter der Partei zu befördern, als er selbst schon nicht mehr unumstritten als Parteivorsitzender und seine eigene Machtposition deutlich im Schwinden begriffen war. Die Widerstände gegen seine Pläne innerhalb der Partei unterschätzt er. Die Zwischengeneration war offensichtlich nicht bereit, ihre eigenen Machtambitionen und Karriereplanungen zugunsten der „Enkel” und dem vermeintlichen bzw. realen Nutzen für die SPD zurückzunehmen. Zudem waren es die „Enkel” selbst, allen voran Oskar Lafontaine, die den frühzeitigen Generationswechsel an der Spitze der Sozialdemokratie verzögert haben. Schließlich basierte die Auswahl Lafontaines als „Spitzenenkel” durch Willy Brandt auf einer Fehleinschätzung der Person und deren politischen Zielrichtungen, die sich vielfach erweisen sollte.

Dennoch: In der langfristigen Perspektive ist Willy Brandts Nachfolgepolitik trotz innergenerationeller Machtkämpfe und Differenzen, trotz vieler Rückschläge und politischer Pannen weitgehend aufgegangen. Die Generation der „Enkel” hat die SPD nicht nur wieder in die Regierungsverantwortung geführt, sondern viel dazu beigetragen, dass die Partei sich den Anforderungen der unumgänglichen Reform von Staat und sozialen Sicherungssystemen angesichts der Herausforderungen von Globalisierung und Massenarbeitslosigkeit stellt und neue Konzepte entwickelt. Künftig wird sich zeigen, wie viel von dieser Politik auch in einer Großen Koalition umgesetzt werden kann und ob es gelingt, die politischen Leistungen der vergangenen Jahre langfristig mit der Generation der „Enkel” assoziierbar zu machen.

* Der Beitrag ist eine leicht überarbeitete Version eines Abschnitts aus Münke12005a, S. 237-252.

[1] Die Bezeichnung „Enkel” ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von Willy Brandt selbst geprägt worden.
Vgl. allgemein zu Theorie und Terminologie Münkler 2004.
[2] Oskar Lafontaine hatte nach einem erfolgreichen Wahlkampf das Amt im Jahr 1985 übernommen. Zu Lafontaines Aufstieg in den 1980er Jahren vgl. Walter 2002: 219ff.; Micus 2005: 81ff.

Literatur

Anda, Bela/Kleine, Rolf 2002: Gerhard Schröder. Eine Biographie, Berlin
Angster, Julia 2003: Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB, München
Apel, Hans 1990: Der Abstieg. Politisches Tagebuch eines Jahrzehnts, Stuttgart
Brandt, Willy 1994: Erinnerungen, Berlin
Bude, Heinz 1995: Das Altern einer Generation: die Jahrgänge 1938 bis 1948, Frankfurt/Main Ehmke 1987: Schreiben Horst Ehmkes an Klaus Wettig vom 9. März 1987
Ehmke, Horst 1994: Mittendrin. Von der Großen Koalition zur Deutschen Einheit, Berlin Glotz, Peter 2005: Von Heimat zu Heimat. Erinnerungen eines Grenzgängers, Berlin
Herres, Volker/Waller, Klaus 1999: Gerhard Schröder. Der Weg nach Berlin, München Lafontaine, Oskar 1999: Das Herz schlägt links, München
Meng, Richard 2002: Der Medienkanzler. Was bleibt vom System Schröder?, Frankfurt/Main Merseburger, Peter 2002: Willy Brandt 1913-1992, Visionär und Realist, Stuttgart/München
Micus, Matthias 2005: Die „Enkel” Willy Brandts. Aufstieg und Politikstil einer SPD-Generation,
Frankfurt/New York
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Urschel, Reinhard 2002: Gerhard Schröder. Eine Biografie, München
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