Publikationen / vorgänge / vorgänge Nr. 171/172: Die Zukunft der Linken

Jenseits der Parti­ku­la­r­in­ter­essen

Plädoyer für einen Mentalitätswandel der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes

aus : Vorgänge Nr. 171/172 (Heft 3-4/2005), S. 128-133

Die Rolle der Gewerkschaften wird normalerweise hinsichtlich ihrer sozialen und wirtschaftlichen Funktion in der Gesellschaft diskutiert. Eine Betrachtung aus spezifisch bürgerrechtlicher Sicht ist selten. Zwar gibt es bei Bürgerrechtlern eine grundsätzliche Sympathie für Gewerkschaften, die allerdings – so sie sich nicht aus sozialistischen Quellen speist – mit starker Kritik an deren korporatistischen Verhalten gepaart ist. Zuweilen besteht die Hoffnung, dass Gewerkschaften wichtige Partner bei der Entwicklung der Zivilgesellschaft sein könnten, sie also dazu beitragen sollten, die Rolle des Individuums in der Politik und der Gesellschaft zu stärken. Demgegenüber muss man nüchtern konstatieren, dass die Handlungsfähigkeit von Gewerkschaften wesentlich darauf beruht, als Organisationen einheitlich und stark aufzutreten. Sie schätzen also den einzelnen mit seinen abweichenden Sichtweisen eben sowenig wie Meinungsvielfalt in den eigenen Reihen. Daher wird auch die Erwartung, die Gewerkschaften könnten in den intellektuellen Debatten der Gesellschaft, etwa um eine Neubestimmung des Sozialstaates oder die Aufgaben des Nationalstaates in der Zeit der Globalisierung, eine zukunftsweisende Rolle spielen, weithin enttäuscht. Zwar sind Akademiker in den Gewerkschaften seit etwa 30 Jahren zunehmend präsent, aber sie haben ebenso wie die Gewerkschaftssympathisanten außerhalb der gewerkschaftlichen Apparate an öffentlicher Wirksamkeit verloren; das Ende der Gewerkschaftlichen Monatshefte ist da ein eindeutiges Symptom.

Gewerk­schafts­viel­falt – gewerk­schaft­liche Reibungs­ver­luste?

Eine Besonderheit innerhalb der gewerkschaftlichen Welt bilden die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Sie haben als Partner und ,Gegner` den Staat, der im Auftrag aller Bürgerinnen und Bürger tätig ist; ihre Rolle ist also bürgerrechtlich von besonderem Interesse. In der öffentlichen Diskussion über Gewerkschaften ist es aber nicht üblich, Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes für sich zu betrachten und sie von den anderen Gewerkschaften zu unterscheiden (vgl. Schroeder/Wessels 2003). Dies erstaunt, weil sie einige Besonderheiten aufzuweisen haben. Weltweit gehören sie zu den Gewerkschaften, die relativ stabil sind, einen hohen Organisationsgrad haben und im Gegensatz zu anderen Gewerkschaften wenig Mitglieder verlieren. In Deutschland bietet sich ein eigentümliches Bild dieser Gewerkschaften. Es gibt den Dachverband Deutscher Beamtenbund (DBB), inzwischen die stärkste Interessenvertretung des öffentlichen Dienstes, nachdem Post und Bahn privatisiert wurden; der DBB hat auf die Durchsetzung des Streikrechts für Beamte verzichtet, weswegen ihm oft die Bezeichnung Gewerkschaft versagt wird. Der konkurrierende DGB ist zersplittert: die einstige ÖTV, schwach im Beamtenbereich, stark im kommunalen Bereich, ist in Verdi aufgegangen; dort ist der öffentliche Dienst eine Sparte unter vielen. Daneben gibt es die Spezialgewerkschaften GdP (Polizei) und GEW (Bildungswesen). Eine kraftvolle Vertretung der Mitglieder von DGB-Gewerkschaften im öffentlichen Dienst fehlt, ungeachtet der Stärke von Verdi.

Vor allem zwei Aspekte sind in bürgerrechtlicher Perspektive auf Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes interessant:

  1. Erfüllen diese Gewerkschaften ihre Funktion der Interessenvertretung für die Mitglieder?
  2. Können die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Gesamtheit mit der Art und Weise, wie diese Gewerkschaften agieren, zufrieden sein?
Die proble­ma­ti­sche Realität des gewerk­schaft­li­chen Einfluss­ge­flechts

Auf den ersten Blick werden interessierte Beobachter für alle Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine gute Wirksamkeit feststellen. Tatsächlich aber handelt es sich um fast undurchschaubare Mechanismen der Einflussnahme, da für Beamte einer- und Angestellte/Arbeiter andererseits unterschiedliche Regeln gelten, die allerdings aufeinander bezogen sind.

Beamte können über ihre Arbeitsbedingungen, für die maßgeblich der Bund, teilweise auch die Länder zuständig sind, nicht verhandeln. Ihre Interessen werden von DBB wie DGB-Gewerkschaften ähnlich gesehen. Beide können sich zwar intern und öffentlich lautstark zu Gehör bringen – was Ministeriale und der Gesetzgeber daraus machen, kann mit gewerkschaftlichen Mitteln jedoch nicht bestimmt werden. Sicherlich ist die vielfältige Lobbyarbeit, insbesondere des DBB, nicht wirkungslos: die Politik wünscht sich eher Einvernehmen mit Beamtinnen und Beamten denn ihre Opposition. Dennoch gilt: mehr als ein Anhörungsrecht haben Beamte nicht.

Diese Situation ist der grundlegende Tatbestand für den öffentlichen Dienst, der in vielem Auswirkungen auf den Bereich der Angestellten und Arbeiter hat, für die Bund, Länder und Kommunen jeweils zuständig sind. Bisher galt ein zentral mit ÖTV/Ver.di (und den anderen DGB-Gewerkschaften) ausgehandeltes Tarifwerk; wieweit dies Bestand haben wird, steht derzeit zur Diskussion. Die DGB-Gewerkschaften konzentrieren ihre Arbeit auf die Tarifrunden, sprich; die jährlichen oder mehrjährigen Erhöhungen, ggf. noch auf Arbeitszeitforderungen. Hier besteht eine Mobilisierungs- und damit ausschlaggebende Einflussmöglichkeit. Der Beamtenbereich muss dann jeweils nachziehen, manchmal mit Abstrichen.

Die DGB-Gewerkschaften können tarifpolitisch spektakulär auftreten; dabei können sie auch Neuland erschließen. Immer aber muss sich ihr Handeln notgedrungen auf dem Hintergrund der Beamtengesetze bewegen. Schließlich können die Arbeitsbedingungen von Beamten einer-, Arbeitern und Angestellten andererseits nicht zu stark voneinander differieren. Die jeweils besseren Regelungen eines Bereiches sind Vorbild für den anderen. Die Höhe der Pensionen war immer Anreiz für den Eintritt in den Beamtendienst. Der ÖTV war es in den 1960er Jahren gelungen, für Arbeiter und Angestellte eine vergleichbare Versorgung zu erreichen, die zeitweise zu einer ,Überversorgung` führte, gewissermaßen einer Kompensation der Belastung mit Sozialbeiträgen in der aktiven Dienstzeit; inzwischen musste die ÖTV eine deutliche Korrektur hinnehmen. Hinsichtlich der Arbeitszeit stehen Beamte heute im allgemeinen schlechter da als Angestellte und Arbeiter, weil die Regierungen im Beamtenbereich ohne Zustimmung der Gewerkschaften handeln konnten. Auf Dauer ist diese Ungleichbehandlung schwer erträglich. So gibt es den beständigen Druck der Angleichung beider Bereiche; den Hebel hat derzeit im allgemeinen eher die Regierungsseite als die gewerkschaftliche in der Hand. Für Außenstehende sind die Differenzen zwischen Beamten und Angestellten schwer erklärbar; deutlich ist nur, dass Angestellte und Arbeiter bei mit Beamten vergleichbaren Bruttogehältern wegen der Sozialabgaben netto über ein geringeres Einkommen verfügen.

Fragt man nach der demokratischen Fundierung gewerkschaftlicher Einflussnahme, so ist zu konstatieren, dass die DGB-Gewerkschaften für den Tarifbereich Diskussionen in der Mitgliedschaft fördern, kaum aber für den Beamtenbereich. Denn dort haben sie ebenso wenig wie der DBB eine Handlungskompetenz. Folglich sind Lobbymaßnahmen für Beamte weitgehend Angelegenheit der Funktionäre; Mitglieder spielen eine geringe Rolle, insbesondere im DBB, der als Dachverband zusehen muss, seine vielen Mitgliedsverbände hinter sich zu bringen.

Akteur im öffentlichen Dienst sind die Arbeitgeber, seltener die Gewerkschaften (etwa in der Angleichung von Arbeitern und Angestellten). Vor allem heute, unter dem Druck ,leerer Kassen‘, müssen sich die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes vielfach fügen, etwa in die Kürzung der Pensionen wie des Weihnachts- und Urlaubsgeldes, in die Reduzierung des Altersprinzips für Löhne und Gehälter, in die Erhöhung der Arbeitszeit, in Verschlechterungen des Beihilferechts, in die Stärkung der Länderkompetenz. Positive Ausnahmen gab es in den 1960er/70er Jahren, als Lehrermangel herrschte, und in den 90er Jahren, als die Polizei wesentliche Verbesserungen durchsetzen konnte. Auf die Einstellungspolitik der öffentlichen Arbeitgeber konnten die Gewerkschaften bestenfalls durch wirksame Lobbyarbeit in Spezialbereichen wie etwa Schul-oder Polizeidienst Einfluss nehmen. Mit dem Hebel Arbeitszeitverkürzung sind sie in den 1980er und 1990er Jahren gescheitert: anstelle von erhofften Mehreinstellungen erfolgten Rationalisierungsmaßnahmen.

Der Beamtenbereich steht angesichts vielfältiger gesellschaftlicher Wandlungen nicht nur unter dem Druck von Sparzwängen; strukturelle Änderungen, insbesondere die Verstärkung des Leistungsprinzips und der Abbau von als Privilegien erscheinenden Regelungen, wie Beförderung nach Alter, Einstellung nach Ausbildung u.a., sollen ihn effektiver machen. Innenminister Schily hat dementsprechende Vorschläge mit dem DBB entwickelt und im Herbst 2004 zur Diskussion gestellt. Die Umstände, wie diese Absichten in die Welt gesetzt wurden, weisen einige Besonderheiten auf. Die aktuelle Interessenvertretung nahm der DBB in die Hand, der offensichtlich aus der passiven Rolle des Getriebenwerdens in der Modernisierung des öffentlichen Dienstes heraus-kommen wollte; auf diesen Zug sprang in letzter Minute Ver.di auf, unter Umgehung und Brüskierung von DGB, GEW und GdP.
Die Frage nach den Möglichkeiten von Einflussnahme führt also zu durchaus problematischen Antworten. Ursachen sind das Nebeneinander von Beamten- und Tarifrecht sowie die Konkurrenz zwischen DBB und DGB, aber auch zwischen den DGB-Gewerkschaften. Vereinfacht gesagt: das ÖTV/Ver.di-Interesse am Tarifrecht hindert ein DGB-Handeln im Beamtenrecht. Der DBB seinerseits scheint sich in seiner Rolle ganz wohl zu fühlen. Dass er das Streikrecht ablehnt, sei ihm unbenommen. Aber warum kommen von ihm keine Vorschläge, ein Verhandlungsrecht für Beamte — mit Letztentscheidungsrecht des Parlamentes oder der Regierung — einzuführen? DBB wie Ver.di scheinen den status quo in der Mitsprache Veränderungen vorzuziehen.

Es gibt mithin durchaus eine effektive Interessenvertretung, sie ist aber für Mitglieder kaum durchschaubar, ganz zu schweigen von Außenstehenden. Sie ist zudem im Beamtenbereich nur auf ein undemokratisches Anhörungsrecht und Lobbytätigkeit beschränkt. Transparenz fehlt, die Würde der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers (einschließlich des Beamten) auf selbstbewusste demokratiegemäße Wahrnehmung seiner Interessen wird verletzt.

Erwünschter Menta­li­täts­wan­del: Gewerk­schaften auch im Dienste der Bürger­in­ter­essen

Ver.di-Chef Frank Bsirske gab im Juli dem Süddeutsche Zeitung Magazin ein Interview (Süddeutsche Zeitung Magazin vom 8. Juli 2005). Nur an einer Stelle wird deutlich, dass Ver.di eine Rolle für den öffentlichen Dienst spielt: „Nehmen wir doch das Bei-spiel öffentlicher Dienst, immerhin der größte Arbeitgeber in Deutschland, außerdem ein wichtiger Faktor der Standortqualität auch für Unternehmen.” Mit diesem Hinweis erläutert er tarifliche Reformen — IG-Metall-Chef Jürgen Peters hätte das kaum anders formuliert. Vom Bürgerbezug ist keine Rede.

Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes lieben den Vergleich mit den ,richtigen Arbeitergewerkschaften‘; die Argumentation ist oft ununterscheidbar. Dabei sind sie doch in einem Feld tätig, das für Bürgerinnen und Bürger grundlegende Bedeutung hat. Natürlich machen alle Gewerkschaften im öffentlichen Dienst Vorschläge zur Verbesserung der öffentlichen Dienste, aber beim genaueren Hinsehen zeigt sich immer wieder, dass da oft nur eine gute Begründung für verständliche Verbesserungswünsche zugunsten der Beschäftigten angegeben wird. Unbequeme Folgerungen im Dienste der Bürger sind selten, wie sich bei Öffnungszeiten, Konkurrentenklagen oder Versetzungen zeigt. Indem sog. gewerkschaftliches Denken in den Vordergrund gestellt wird, also die spezifischen Interessen der Beschäftigten, geraten die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger leicht in den Hintergrund. Dieses Bild ist sicherlich kritisch überzeichnet. Alle Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes handeln ihrem Selbstverständnis nach zugunsten der Bürgerinnen und Bürger. Viele Mitglieder, die sich auch in ihrer Gewerkschaftsarbeit als sehr bewusste Bürgerinnen und Bürger einer Demokratie verstehen, arbeiten konzeptionell und praktisch für qualifizierte öffentliche Dienste. Allerdings dort, wo es tatsächlich um Einflussnahme geht, stehen weithin die eng definierten Mitgliederinteressen im Vordergrund. Dem entspricht die öffentliche Selbstdarstellung.

Die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger werden auch von Politikern nicht hinreichend wahrgenommen, denn ihr Handeln wird von weitreichenden politischen Vorstellungen bestimmt. Die konkrete Wechselwirkung zwischen Verwaltung und Bürger ist bei ihnen nur selten im Blickfeld; zudem müssen sie immer im Auge haben, wie sie eine Verwaltung bestmöglichst motivieren und von ihren Absichten überzeugen können. Insofern fehlt den Bürgerinnen und Bürgern eine Vertretung gegenüber der Verwaltung. Wohlwollen der jeweiligen Verwaltungsvertreter spielt so eine wichtigere Rolle als das Bewusstein vom Dienst für den Bürger.

Würde eine Gewerkschaft im öffentlichen Dienst zugleich den Anspruch erheben, jeweils auch die Interessen der Bürgerinnen und Bürger im Kopf zu haben, wäre dies anders. Denkbar wäre sogar eine Ansprechstelle im Gewerkschaftsapparat für Bürgerbeschwerden. Eine Gewerkschaft, die derart ,janusköpfig` würde, müsste ihre Einstellung ändern. Eine solche Änderung kann nicht erzwungen werden. Gäbe es aber eine öffentliche Erwartung, dass Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes immer nach der Balance zwischen Mitglieder- und Bürgerinteressen fragen, würden sie dies selber thematisieren. So entstünde die spezifische Mentalität einer Gewerkschaft im öffentlichen Dienst. Der DBB verkörpert in gewisser Weise einen solchen Anspruch, verhält sich aber in Wirklichkeit genauso mitgliederegoistisch wie eine DGB-Gewerkschaft. Mit Sicherheit stecken sich die konkurrierenden Organisationen mit ihren Ansprüchen auf gute Interessenvertretung eher an, als dass sie in einen Wettbewerb darüber eintreten, die spezifische Verpflichtung gegenüber dem öffentlichen Interesse zu entwickeln. Eine Mentalitätsänderung würde vielen Funktionären und manchem Mitglied schwer fallen; allerdings bin ich überzeugt, dass sie den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes auch zur Interessenvertretung nützlich sein würde.

Ist eine solche Anforderung an Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes berechtigt? Haben sie nicht die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten — unabhängig von Bürgerinteressen? Aus bürgerrechtlicher Perspektive ist angesichts des korporatistischen Geflechts von Organisationen immer zu fragen, wo der Bürger und die Bürgerin bleibt. Arbeitsbedingungen sind wichtig und grundlegend, aber die Lebensqualität und Gestaltung einer partizipativen demokratischen Kultur sind der notwendige Rahmen füralle. Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, die mit jedem Schritt deutlich machen, dass sie sich um die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie ihre Mitglieder kümmern, können wirkungsvoll sein und viel zur Entwicklung der demokratischen Gesellschaft sowie zur Lösung ihrer Probleme beitragen. Gewerkschaften könnten aus Bremsern zu Antreibern von Reformen werden. Bürgerfreundliche Öffnungszeiten von Kindergärten oder Ämtern und die erweiterte Verantwortung von Kommunen (z.B. für Schulen) könnten von ihnen durchgesetzt werden. Sie könnten Vorreiter für die Entwicklung neuer Vorstellungen über das Zusammenleben in den Städten und Gemeinden werden: Wie beugt man dem Auseinanderfallen einer Kommune vor? Was kann für ein verbessertes Zusammenleben von Einheimischen und Einwanderern getan werden? Gewerkschaften erheben in Grundsatzreden oder Aufsätzen immer den Anspruch, Mitgestalter der gesellschaftlichen Entwicklungen sein zu wollen; es wäre durchaus denkbar, dass die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst wegen ihrer besonderen Situation dies auch tatsächlich werden könnten. Denn es gibt kaum eine andere Organisation, die derart Einblick in das Denken vieler Menschen wie in das Funktionieren des Staates hat.

Ist es Sache Außenstehender, sich in Formen gewerkschaftlicher Interessenvertretung einzumischen? Besteht da nicht die Gefahr, die Tendenz, wie sie die FDP verkörpert, nämlich nach Gewerkschaftsgesetzen zu rufen, zu verstärken? Viele Politiker und viele Bürgerinnen und Bürger sind stolz darauf, dass sich die Gewerkschaften der Bundesrepublik in Freiheit entwickeln können; es gab keinen seriösen Versuch, Grenzen oder ,Privilegien` festzuschreiben; insofern kann man sagen, dass Praxis und Recht der Gewerkschaften zivilgesellschaftlicher Natur sind. Es bedarf also keiner Veränderung durch gesetzliche Regelungen, sondern durch Verständigung, die auf zivilgesellschaftlicher Kommunikation beruht. Aus bürgerrechtlicher Sicht besteht jedoch ein Interesse, unsere Demokratie auch im Geflecht der Interessenvertretungen weiterzuentwickeln. Wo Defizite vorliegen, sind diese zu benennen; Vorschläge, auch von Außenstehenden, sollten willkommen sein. Gewerkschaften — vor allem die des öffentlichen Dienstes – sind für eine Demokratie viel zu wichtig, als dass man ihre Entwicklung ihnen allein überlassen könnte.

Literatur

Schroeder, Wolfgang/Wessels, Bernhard (Hg.) 2003: Die Gewerkschaften in Politik und Gesellschaft
der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, Wiesbaden

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